zurück
Gemünden
Stadtwald im Klimawandel: 5 Punkte, mit denen das neue Forst-Duo in Gemünden den Wald fit für die Zukunft machen will
Johannes Pietron und Robert Kaufmann kümmern sich seit Oktober unter anderem um den Stadtwald in Gemünden. Was den beiden Förstern jetzt besonders wichtig sind.
Robert Kaufmann (links, 28) und Johannes Pietron (41) bilden zusammen das neue Duo in der städtischen Forstverwaltung von Gemünden.
Foto: Thomas Obermeier | Robert Kaufmann (links, 28) und Johannes Pietron (41) bilden zusammen das neue Duo in der städtischen Forstverwaltung von Gemünden.
Felix Hüsch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:16 Uhr

Der Klimawandel stellt die Stadt- und Gemeindewälder in Main-Spessart vor große Herausforderungen. Vor denen will sich auch das neue Team der städtischen Forstverwaltung in Gemünden wappnen. Nachdem Meinolf Arndt, der 40 Jahre für den Stadtwald in Gemünden zuständig war, seine Ämter zum Oktober niedergelegt hat, tritt Johannes Pietron als Forstbetriebsleiter und Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft seine Nachfolge an. Unterstützt wird er dabei von Robert Kaufmann, der seit Juli als Revierleiter tätig ist.

Unser Autor war mit dem neuen Forst-Duo und deren Vorgänger Arndt im Gemündener Stadtwald unterwegs, wo die drei über aktuelle Probleme, aber auch Hoffnungen für den Wald sprachen. Bei ihren Ausführungen zu einer zukunftsfähigen Aufstellung des Stadtwalds stachen vor allem fünf Punkte hervor.

1. Die Zusammensetzung des Waldes und seiner Baumarten koordinieren

"Bunt soll er sein, der Wunschwald. Mehrere, möglichst klima- und standortgemäße Baumarten auf kleiner Fläche", meint Pietron. Sein Kollege Kaufmann merkt an, dass auf einer langen Zeitachse gedacht werde. "Als Förster überlegst du zum Beispiel, wie dein Wald in 80 bis 200 Jahren aussehen könnte. In deiner Vorstellung hast du eine bestimmte Anzahl an Baumarten, eine gewisse Vielfalt, Struktur. Die Vision ist immer da, aber ob das auch klappt, ist die Frage."

Für den Rückgang der Nadelbäume auf einen Anteil von circa 20 Prozent in dem durch Buchen und Eichen geprägten Stadtwald, sind verschiedene Arten des Borkenkäfers verantwortlich. Allen voran wird die Fichte befallen und sorgt für größere Störungsflächen. Bei einer davon seien um die 400 Festmeter Schadholz innerhalb von sechs Wochen angefallen. "Der Käfer hat uns so dermaßen eingeholt, wie ich es hier noch nicht erlebt habe. Diese für uns neue Dynamik hat uns ein bisschen erschlagen", erinnert sich Pietron.

Im Jahr 2015 hat die städtische Forstverwaltung im Bereich des heutigen schädlingsbedingten Kahlschlags einen sogenannten Vorbau getätigt. Dabei wurden andernorts im Forstbetrieb entnommene Buchen mithilfe von staatlichen Fördergeldern unter die damals 50-jährigen Fichten gepflanzt. So konnte im Schutz der älteren Fichten eine neue Waldgeneration mit Laubholz begründet werden. Darüber hinaus sind im Zuge der entstehenden Naturverjüngung auch Eichen, Tannen, Kirschen und einzelne Lärchen gewachsen. 

"Bunt soll er sein, der Wunschwald. Mehrere, möglichst klima- und standortsgemäße Baumarten auf kleiner Fläche."
Johannes Pietron von der städtischen Forstverwaltung Gemünden

"Trotzdem ist die Buche eben nicht die waldbauliche Allzweckwaffe in Zeiten des Klimawandels, für die Förster und Naturschützer sie lange gehalten haben", sagt Kaufmann. Arndt ergänzt, dass man in Zukunft mehr auf andere Laubholzarten wie die Eiche setzen müsse, da diese besser mit den wechselfeuchten Böden und klimatischen Veränderungen fertig wird. 

Dass die standörtlichen Bedingungen in Gemünden eine andere Struktur aufweisen als zum Beispiel in Lohr oder Marktheidenfeld, liege am "Gesetz des Örtlichen", wie Arndt es nennt. Laut ihm gebe es kein Patenrezept zur richtigen Bewirtschaftung des Waldes. Vergleiche zu anderen Kommunen müssten die drei sich aber trotzdem gefallen lassen. "Warum manche Dinge in Nachbarforstbetrieben umsetzbar sind, aber bei uns nicht, wird dann seitens der Politik gefragt", erzählt Pietron. Das Gesetz des Örtlichen kennen die örtlichen Förster aber selbst am besten und nicht diejenigen, die nicht vom Fach sind, sagt Kaufmann.

Die Störflächen häufen sich im Stadtwald in Gemünden. In sechs Wochen fielen hier durch den Befall des Borkenkäfers 400 Festmeter Fichtenschadholz an. Im Schatten der Bäume, die hier mal standen, konnten aber kleine Buchen wachsen, die 2015 gepflanzt wurden.
Foto: Thomas Obermeier | Die Störflächen häufen sich im Stadtwald in Gemünden. In sechs Wochen fielen hier durch den Befall des Borkenkäfers 400 Festmeter Fichtenschadholz an.

2. Ökologie, Ökonomie und Soziales im Gleichgewicht halten

"Verantwortungsvolle Forstwirtschaft ist langfristig und nachhaltig angelegt, was nicht automatisch bedeutet, dass der Förster am Ende des Jahres eine gute schwarze Zahl vorweisen kann", sagt Arndt. Der ehemalige Betriebsleiter erzählt, dass sich die Gewichtung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen in jüngster Zeit verändere. Er habe in seinen 40 Jahren Dienstzeit immer versucht, diesen Dreiklang einigermaßen im Gleichgewicht zu halten. "Aktuell tritt aber das Ökologische und das Soziale – Stichwort 'Walderhalt' – mehr in den Vordergrund und das Wirtschaftliche zurück", sagt er.

Arndt nimmt dazu auch die Gesellschaft in die Verantwortung. Sie müsse auch klar sagen, was sie genau vom Wald will und fordert. Bisher seien 95 Prozent der Einnahmen eines Forstbetriebs durch den Holzverkauf zustande gekommen. Wo aber kommen die Fördergelder her, um sauberes Wasser, saubere Luft, Klimaschutz und Naturschutz weiterhin und an das heutige Klima angepasst zu gewährleisten? "Da bekommen die Waldbesitzer noch viel zu wenig, was auch daran liegt, dass Hürden der Bürokratie auch im Forstbereich vielfach zu groß sind", bedauert Arndt.

Auch ökologische Fragestellungen werden bei der zukunftsfähigen Waldplanung zum Problem. "Experimentell werden auch Tannen aus Süditalien als Ergänzung zu heimischen Baumarten gepflanzt. Sie kommen sowohl mit Hitze, langen Dürreperioden als auch Spätfrösten gut zurecht. Ihr Saatgut wird fast wie in Gold aufgewogen", berichtet Pietron. An das Saatgut ranzukommen, sei schwierig, aber eine Möglichkeit, die Wälder fitter für die Zukunft zu machen. Kaufmann weiß, dass einige Naturschutzverbände exotische Baumarten kritisch sehen, sagt aber: "Das können sie gerne so sehen, aber wenn wir am Ende keinen Wald mehr da stehen haben, gibt es auch nichts mehr, was zu schützen wäre."

"Die Hürden der Bürokratie sind auch im Forstbereich vielfach zu groß."
Meinolf Arndt, früherer Forstbetriebsleiter in Gemünden

3. Funktionierende Jagd als waldbauliches Element nutzen

Arndt, Pietron und Kaufmann sind sich einig, dass regelmäßiger Verbiss durch Rehe und Rotwild Schäden bedeuten, die zukunftsfähige Wälder verhindern. Eine aktuell größtenteils gut funktionierende Jagd sei daher in Gemünden ein großes Glück. "Es wird versucht, der gesetzlichen Vorgabe 'Wald vor Wild' Rechnung zu tragen, deshalb sind Jäger mit einer waldbaulichen Gesinnung sehr wichtig für uns", erklärt Pietron.

Die vielen im Stadtwald verteilten zwangsbedingten Kahlschläge könnten er und Kaufmann gar nicht alle künstlich neu bestocken. Um einen artenreichen Mischwald zu etablieren, müssen noch deutlich höhere Ansprüche an die Jägerschaft gestellt werden als ohnehin schon. Trophäenjäger, die beispielsweise einen Rehbock sehen, ihn aber erst schießen wollen, wenn er ein großes Geweih hat, unterstützen die Artenvielfalt in geringerem Maße als Jäger, die mit waldbaulichen Absichten jagen. Pietron mahnt: "Man darf nie vergessen: Für viele Jäger ist es ein Hobby, für die Waldbesitzer geht es langfristig an die Existenz."

Die Beseitigung von Gefahrenquellen ist eine der wichtigsten Aufgaben im Wald. Bei abgängigen (absterbenden) Buchen können schon bei leichten Windstärken ganze Baumkronen zerfallen.  
Foto: Thomas Obermeier | Die Beseitigung von Gefahrenquellen ist eine der wichtigsten Aufgaben im Wald. Bei abgängigen (absterbenden) Buchen können schon bei leichten Windstärken ganze Baumkronen zerfallen.  

4. Gefahrenquellen beseitigen und Waldbesucher sensibilisieren

Im Wald die gleiche Sicherheit herzustellen wie im Straßenverkehr, ist nicht machbar. "Waldbesucher sind zum Beispiel durch Buchen mit Trockenschäden teilweise hohen Gefahren ausgesetzt", erzählt Kaufmann. Abbrechende Kronenteile der abgängigen Bäume würden laut dem 28-Jährigen "beim kleinsten Windstoß zerbrechen wie Glas". Viele der Buchen verwitterten extrem schnell und müssten geerntet werden, bevor sie ihren endgültigen Durchmesser erreicht haben. Sonst entstünden Gefahren durch herabfallendes Totholz in Form von Ästen oder Kronenteilen, erzählt Kaufmann.

"Die zunehmenden Schäden des Klimawandels machen die Kontrolle aller Waldwege unmöglich."
Robert Kaufmann, Revierleiter der städtischen Forstverwaltung Gemünden

Der neue Revierleiter erklärt, dass Waldeigentümer an Waldwegen keiner erhöhten Verkehrssicherungspflicht unterliegen. "An öffentlichen Straßen oder dort, wo Waldbesucher beispielsweise durch Sitzbänke zum Verweilen eingeladen werden, müssen wir den Zustand aller Bäume im Gefährdungsbereich im Auge behalten." Die zunehmenden Schäden, verursacht durch den Klimawandel, machten die Kontrolle aller Waldwege unmöglich, wie Kaufmann zugibt. Er appelliert deshalb bei schlechten Witterungsverhältnissen an die Verantwortung der Waldbesucher.

5. Organisierte Personalwechsel und Kontinuität im Betrieb herstellen

Ebenso wichtig wie die bisher beschriebenen Aufgaben, ist auch die Weitergabe von lokalem Wissen und Arbeitsabläufen für den beruflichen Alltag im Forstbetrieb. Kaufmann, der vorher in Baden-Württemberg angestellt war, beschreibt die personelle Übergabe in Gemünden als positiv. Wenn ich heute nicht wüsste, was Herr Arndt in manchen Waldbeständen geplant hat, würde ich vielleicht etwas komplett Anderes machen. Das könnte dann die gleichmäßige Entwicklung des Waldbestandes schwierig gestalten", erklärt er. Wie Kaufmann sagt, gebe es nichts Besseres, als die aus dem Amt scheidende Person noch eine Weile in seiner Nähe zu haben.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gemünden
Felix Hüsch
Forstbetriebe und Forstwirtschaftsunternehmen
Forstbetriebsleiter
Nadelbäume
Stadt Lohr am Main
Waldbestände
Waldbesucher
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top