Wie in ganz Bayern konnten auch in Main-Spessart bei der Landtagswahl zwei Parteien kräftig zulegen: die Freien Wähler und die AfD. In manchen Orten war die AfD sogar stärker als die Freien Wähler. Genau wie vor fünf Jahren holten die Rechten in Aura (26,9 Prozent), Bischbrunn (22,8) und Obersinn (22,5) ihre besten Ergebnisse. Auch in Marktheidenfeld landete die AfD mit 17,7 Prozent auf dem zweiten Platz, deutlich vor Grünen und Freien Wählern.
Warum feiern die Auraerinnen und Auraer am Samstag ihren ersten, dem Vernehmen nach gelungenen Herbstmarkt, und dann geben am Sonntag 32,9 Prozent derer, die ins Wahllokal gehen, der rechtspopulistischen AfD ihre Zweitstimme? Warum haben im benachbarten Fellen vergleichsweise wenige diese Partei gewählt? Wer sind diejenigen, die in Bischbrunn AfD wählen, und was ist im boomenden Marktheidenfeld los?
Auras Bürgermeister Wolfgang Blum (SPD/Freie unabhängige Bürger) sagt: "Die Leute sind halt unzufrieden" – vor allem mit der Bundespolitik. Er zählt die "Flüchtlingsmisere" (obwohl es in Aura keine Flüchtlinge gebe), die Inflation, die Heizungsdebatte auf. "Die Leute sehen halt nicht, dass da vernünftig gegengesteuert wird." Da könne die "AfD mit ihren Parolen einfach Stimmen gewinnen". Von einem älteren Herrn habe er nach der Wahl gehört: "Jetzt müssen sie endlich mal was machen."
Auch Marcus Remlein, Zweiter Bürgermeister, Vereinsringvorstand und stellvertretender Feuerwehrkommandant, sieht die Bundespolitik als Hauptgrund für das AfD-Abschneiden in Aura. Man höre, dass nicht konsequent genug abgeschoben werde, dass es "viel zu viel Geld fürs Nichtstun" gebe. Aura sei an der Grenze zu Hessen schon etwas ab vom Schuss, ein besserer ÖPNV wäre wünschenswert. Das aktive Vereinsleben beschränke sich im Ort inzwischen auf die Feuerwehr, den BC Aura und den Chor New Voices.
Blum kann nicht sagen, wer in Aura die AfD wähle
Für Bürgermeister Blum sei es ganz schwierig zu sagen, wer überhaupt AfD wähle. Bei ein paar könne er es sich natürlich denken. "Wir haben einen guten Umgang miteinander in Aura." Eine richtige AfD-Gruppe gibt es in Aura nicht, nur einen ehemaligen AfD-Kreistagskandidaten. Stellvertreter Remlein schätzt, dass sich die AfD-Wählerschaft in allen Altersschichten findet.
Was in Aura noch auffällt: Weniger als dort (3,8 Prozent) haben sonst im Landkreis nirgends die Grünen die gewählt. Grüne Politik habe in Aura schon immer einen schwierigen Stand, so Blum. Die Ampelparteien haben zusammen in Aura nur 12,7 Prozent erreicht. Warum gerade im beschaulichen Aura, wo auch nicht mehr Menschen arbeitslos sind als im Rest des Landkreises, wo es einen Dorfladen gibt und wo mit Viant Medical der größte Arbeitgeber im Raum Gemünden seinen Sitz hat, ein solches Grummeln herrscht, vermag Blum nicht zu erklären. Der Bundestagsabgeordnete und Gemündener Stadtrat Bernd Rützel (SPD) stammt aus dem Sinngrund – auch er hat keine Erklärung, warum gerade in Aura die AfD so stark ist.
In Fellen haben viel weniger die AfD gewählt
Im benachbarten Fellen kommt die AfD nur auf 12,8 Prozent. Bürgermeisterin Zita Baur (CSU) glaubt, dass die Fellenerinnen und Fellener relativ zufrieden sind. "Die jungen Leute kommen zurück und fühlen sich auch wohl." Es werde schon auch geschimpft, "aber das spiegelt sich nicht bei der Wahl wieder". Baur freue sich vor allem über eine Wahlbeteiligung von 83 Prozent, in Aura lag sie bei 75,3 Prozent.
Zu den 22,8 Prozent für die AfD in Bischbrunn sagt die dortige Bürgermeisterin Agnes Engelhardt (Bürgerliste Bischbrunn): "Ich hab mich sehr aufgeregt, das muss ich sagen." Durch die Sozialen Medien, wo Bischbrunnerinnen und Bischbrunner zuletzt "wirklich viel" unschöne Sachen, Unwahres und Beleidigendes unreflektiert geteilt hätten, könne sie ganz gut einschätzen, wer die AfD wählt: "Das sind die, die in der Gesellschaft gar nichts machen, die man nie sieht, die nicht im Verein sind." Die Leute, die sich engagieren, so ihre Überzeugung, die seien es nicht. Sie sei froh über aktive Vereine im Ort, wo junge Leute positive Vorbilder finden könnten. Die Spaltung der Gesellschaft, dass es nur noch schwarz oder weiß gebe, die finde sie am schlimmsten.
Spielten lokale Themen in Marktheidenfeld eine Rolle?
In Marktheidenfeld, das mit 70,7 Prozent eine niedrige Wahlbeteiligung hatte, habe die AfD nicht wirklich intensiv Wahlkampf gemacht, berichtet Bürgermeister Thomas Stamm (parteilos). Er möchte das Ergebnis einerseits nicht überbewerten, andererseits müsse man es auch ernst nehmen. Stamm vermutet die Flüchtlingsunterbringung in der Stadt und die Unzufriedenheit mit lokalen Themen wie dem geschlossenen Wonnemar und dem ehemaligen Krankenhaus als mögliche Gründe. Die Bundespolitik treffe etwa bei Flüchtlingen keine Entscheidung, Menschen fühlten sich offenbar nicht ernst genommen, woraus die AfD Kapital schlage. Er habe anhand der Wahllokale ausgemacht, dass dort mehr AfD gewählt werde, wo Menschen dichter aufeinander wohnen.
Aber auch in Gemünden war die AfD stark, vor allem in der Kernstadt. Insgesamt kam die AfD zwar nur auf 15,1 Prozent, aber im Stimmkreis Gemünden III, wozu etwa das als sozial schwach geltende Grautal gehört und wo viele Russlanddeutsche wohnen, stimmten zumindest an der Urne 31,2 Prozent für die AfD.
In Retzstadt wurde deutlich mehr grün als AfD gewählt
Der Retzstadter Bürgermeister Karl Gerhard (CSU) sagt zum dortigen vergleichsweise schwachen Abschneiden der AfD (7,4 Prozent): "Die Leute sind halt zufrieden im Ort." Sie seien interessierter, worauf er die hohe Wahlbeteiligung von 85,6 Prozent zurückführt, es gebe ein sehr reges Vereinsleben. Der Ort sei "traditionell gut aufgestellt bei der CSU", es gebe aber auch viele junge Leute, die vielleicht eher die Grünen wählen, die in Retzstadt auch immerhin 14,3 Prozent erreichten. Auch die Freien Wähler hätten zugelegt. "Da bleibt nichts mehr übrig für rechtes Gedöns."
Durch Hetze in Sozialen Medien "sind die Alltagsprobleme der Menschen nicht gelöst", sagt der SPD-Abgeordnete Rützel. "Wenige machen sich darüber Gedanken, was das eigentlich bedeutet, die AfD zu wählen", etwa dass die AfD für einen späteren Renteneintritt sei und Arbeitnehmerrechte einschränken wolle.
Man muss jetzt nicht in einzelnen Orten suchen, warum wer was gewählt hat. Das ist eine Entwicklung und hängt sicher mit der Bundespolitik zusammen. Da braucht´s keine "Tiefenanalyse".
Am besten zeigt sich das am Beispiel in Miltenberg , wo die AfD Kandidatin Stimmen sammelte, ohne wirklich Wahlkampf zu machen.
Alle (!) Parteien müssen sich mal hinterfragen, ob das was sie im Moment machen der richtige Weg ist.
Meiner Meinung nach müsste man die Politik wieder in die Orte bringen. Man muss den Menschen vor Ort die Möglichkeit geben, sich zu informieren und auch deren Meinung mal "ertragen". Das könnte zB mit Themenabenden / Fraktionen vor Ort o.ä. passieren. Ein mühseliges Geschäft - sicher. Aber es gibt ja auch Geld für Wählerstimmen. Die Parteien sollen mal weniger in Plakate und mehr in Präsenzveranstaltungen investieren. Es sind ja jetzt wieder ein paar Monate Zeit bis zur nächsten Wahl...
So ist es!
Bürgermeisterin Engelhard bringt es wirklich auf den Punkt.