Es war ein Schock für die etwa 65 Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen im Sinngrund: Vergangene Woche kündigte die Sozialstation Aura die Versorgungsverträge zum 28. Februar, also binnen vier Wochen. Vom ersten März an bietet die Sozialstation nur noch hauswirtschaftliche Dienstleistungen an.
Die Nachricht kam zwar überraschend, aber auch nicht aus dem Nichts, schließlich sind die Probleme in der Pflege bekannt. Seit dem 1. September 2022 gilt die Tarifpflicht auch für ambulante Pflegedienstleister, was die Personalkosten stark steigen ließ. Das und die allgemeinen Kostensteigerungen unter anderem durch die Inflation nennt Oliver Wind, Gesellschafter der Sozialstation Aura, als Hauptgrund für die Aufgabe der Pflegetätigkeit. Denn zugleich seien die Erlöse nicht größer geworden.
"Gute Bezahlung der Pflegekräfte überaus wichtig"
"Ich kritisiere nicht die Tarifpflicht, da eine gute Bezahlung der Pflegekräfte überaus wichtig ist", stellt Wind klar. "Allerdings kann es nicht sein, dass dann die Pflegeanbieter nicht die hierfür erforderliche Vergütung erhalten." Denn die Beträge, die Pflegedienste mit den Pflege- und Krankenkassen abrechnen können, sind nur geringfügig gestiegen. Währenddessen hätten sich seine Personalkosten seit dem 1. September um etwa 20 Prozent gegenüber den Vormonaten erhöht, sagt Wind.
Noch im Mai sei der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), dem die Sozialstation Aura angehört, davon ausgegangen, dass verhandelt und die Gebührenordnung durch kräftige Betragssteigerungen angepasst wird. Mit Geltung ab 1. Januar wurde auch verhandelt. "Zu unserem großen Entsetzen kamen vier Prozent heraus", sagt Wind.
Zum 1. Juli soll es zwar weitere Erhöhungen geben, doch auch das würde nicht reichen: Der Sozialstation, die seit dem 1. September Löhne nach dem TVöD gezahlt habe, stünde eine weitere Erhöhung der Personalkosten ins Haus. Es laufen Tarifverhandlungen. "Wenn ich das hochrechne, bin ich nochmal bei einer Erhöhung um 15 bis 20 Prozent, die voraussichtlich ab April zu zahlen wäre." Selbst wenn es ab Juli ausreichende Beträge geben würde: Entsprechende Erstattungen kämen erst Ende August an.
Viel höhere Personalkosten
So wären für die Sozialstation also bis zu 40 Prozent höhere Personalkosten, aber nur vier Prozent höhere Erlöse zu verbuchen. "Wenn wir weitermachen würden, dann hätte es dazu geführt, dass wir sehr schnell in die Insolvenz kommen. Dann wäre kein geplanter Abbruch möglich gewesen", schließt Wind daraus. So habe man den Patientinnen und Patienten wenigstens noch mit vierwöchiger statt der im Vertrag festgehaltenen 14-tägigen Frist kündigen können.
Als Nebengründe für das Ende des Pflegedienstes in Aura nennt Wind, wie viele andere Pflegedienstleister, die überbordende Bürokratie und gerade im Sinngrund die weiten Fahrtstrecken. Auch würden viele Angehörige bereits bei kleineren Erhöhungen der Gebühren auf Leistungen verzichten, um zu sparen. Die anstehende Digitalisierung der Abrechnungsvorgänge sei ebenfalls ein Problem: "Da hätten wir in die EDV massiv investieren müssen."
Die genannten Gründe sind keine neuen Probleme. Hätte die Sozialstation Aura also nicht früher ankündigen können, dass sie ihren Betrieb einstellt? Wind erklärt, warum das aus seiner Sicht nicht möglich war: Hätte man die Verträge früher gekündigt, "hätten wir noch Verträge gehabt, aber keine Mitarbeiter zur Versorgung".
Massives Abwerben der Mitarbeitenden
Aktuell würden diese "massiv" aus allen Himmelsrichtungen umworben. Rund 15 andere Pflegeanbieter hätten ihn kontaktiert, sogar um Verteilung von Flyern an die Mitarbeitenden gebeten, erzählt Wind. Wie vielen er genau kündigen musste, möchte er nicht sagen. Die Umwerbung der Mitarbeitenden würde aber zeigen, in welcher Situation sich die Pflege befindet. Und sie war der Grund, "warum wir nicht früher etwas gesagt haben. Das funktioniert ja nicht, oder wir wären in die Insolvenz reingerutscht. Dann hat man gar nichts mehr in der Hand."
Erst Mitte Dezember sei klar gewesen, dass es keine kräftige Erhöhung der Erlöse ab Januar geben wird, sagt Wind. "Wir haben eineinhalb Monate danach bereits reagiert." Hauptverantwortlich für die aktuelle Krise der Pflege sei die Politik: "Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir erhöhen per Gesetz die Kosten, und sich auf der anderen Seite rausziehen."
abgesichert. Andere Existenzen stehen stattdessen auf dem Spiel, aber das Interesse fehlte Wind schon im Gesundheitszentrum, indem Menschen gekündigt wurden.
Trotzdem fragt man sich, wo trotz ständig steigender Beiträge und immer höherer Zuzahlungen bei immer weiter sinkenden Leistungen das ganze Geld hinkommt. Bei den Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegewesen kommt es offensichtlich nicht an. Irgendjemand muss sich hier gewaltig die Taschen voll stopfen. Anders ist das nicht zu erklären.
Hier gibt es offensichtlich einen gewaltigen Sumpf trockenzulegen. Nur traut sich wohl keiner ran. Wer im Mist anfängt zu wühlen, braucht sich nicht wundern, wenn es anfängt zu stinken. Daher will das wohl keiner der Verantwortlichen so genau wissen. Oder man steckt selbst mit drin...
Vorallem kann man sich auch vorstellen, was die Pflegekräfte vor September 2023 für ihre sicher gute und menschliche Arbeit gezahlt bekommen haben. Traurig, dass menschliche Pflege bei uns so wenig Wert hat.