Seit 15 Monaten ist die Familie der ermordeten Sabine Back zu quälendem Warten verdammt. Auch der seit Jahren am Pranger stehende Tatverdächtige E. lebt mit der Ungewissheit und dem Zweifel: Muss er nach drei Jahrzehnten für den Mord an der 13-jährigen Sabine, die er gut kannte, doch auf die Anklagebank? Ob ein Prozess in Würzburg stattfindet, entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg – und das lässt sich inzwischen schon mehr als 400 Tage Zeit mit der Entscheidung.
Wer tötete Sabine im Pferdestall?
Drei Jahrzehnte sind vergangen, seit ein Mörder im Dezember 1993 in Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) die 13-jährige Sabine Back in einem Pferdestall brutal misshandelte, tötete und heimlich in einer Klärgrube versteckte. Nach zwei Tagen wurde die Leiche auf dem Aussiedlerhof gefunden.
Der Fall liegt wie ein Fluch über dem Ort. Wer Wiesenfeld erwähnt, denkt sofort an den ungelösten Fall, der in der Vergangenheit so viel Aufsehen erregte. Seit fast zwei Jahren gibt es eine Anklage der Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Mordes gegen E., der früher hier wohnte.
Aber das Landgericht hat im Mai 2022 die Eröffnung eines Prozesses abgelehnt: Die Beweisdecke sei zu dünn, befand man. Doch Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach vertraut den Ergebnissen seiner Ermittler und kämpft darum, mit dem Fall vor Gericht zu gehen – fast 30 Jahre, nachdem ein anderer Verdächtiger in Würzburg mangels Beweisen freigesprochen worden war.
Kein Ende absehbar
Deshalb hat das Oberlandesgericht Bamberg jetzt die Aufgabe des Schiedsrichters – und quält sich damit. Die Redaktion fragte immer wieder an – und erhielt vorige Woche die gleiche Antwort wie schon so oft zuvor: "Eine Entscheidung des Strafsenats des Oberlandesgerichts Bamberg ist nach wie vor nicht ergangen", muss Pressesprecher Sebastian Fickert antworten. "Der Strafsenat kann auch weiterhin nicht abschätzen, wann es zu einer Entscheidung kommen wird."
Als der Fall im Mai 2022 in Bamberg vorgelegt wurde, wurde unverbindlich mit einer Entscheidung "vielleicht bis Oktober" gerechnet. "Naja, die Bamberger haben ja nicht gesagt, im Oktober welches Jahres", heißt es inzwischen mit gequältem Lächeln in Würzburg.
Zur richterlichen Unabhängigkeit gehört, dass sich die Justiz nicht drängen lässt – auch wenn unklar ist, warum sie im Fall Sabine Back so lange für eine Entscheidung braucht. Mal ist inoffiziell von einem zwischenzeitlich erkrankten Mitglied des Gremiums die Rede, mal von einer Pattsituation der juristischen Argumente für oder wider einen Mordprozess.
Warum dauert die Entscheidung so lange?
Expertinnen und Experten, die den Fall kennen, versichern hinter vorgehaltener Hand: Das Landgericht Würzburg um den erfahrenen Vorsitzenden Michael Schaller habe fundiert begründet, warum ihm die Ermittlungsergebnisse für eine Verhandlung zu dünn erschienen.
Andererseits fanden die Ermittler im Auftrag von Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach neue Hinweise, die bei einem ersten Prozess 1994 noch nicht vorlagen: DNA-Spuren des zur Tatzeit 17-jährigen Verdächtigen an der Unterwäsche der 13-Jährigen – obwohl er beteuert, nie mit ihr sexuellen Kontakt gehabt zu haben.
Dazu kommen laut Zeugen merkwürdige Äußerungen von ihm, die man als eine Art – später zurückgenommenes – Geständnis interpretieren könnte. Und er kannte sich am Tatort gut genug aus, um zu wissen, wo sich eine Leiche verstecken lässt.
Was die Betroffenen von der langen Wartezeit halten
Sabine Backs Familie äußert sich öffentlich nicht. Deren Anwalt Jan Paulsen sagt auf Anfrage: "Auch wenn es um eine schwierige Entscheidung geht, kann ich – vor allem vor dem Hintergrund, wie belastend die Situation für meine Mandanten ist – die Dauer des Verfahrens vor dem OLG nicht mehr nachvollziehen."
Ähnlich sieht es der Würzburger Rechtsanwalt Hanjo Schrepfer: "Als Verteidiger des Beschuldigten halte ich den aktuellen Verfahrensstand für sämtliche Verfahrensbeteiligte für unzumutbar", sagt er auf Anfrage. "Die Ungewissheit über das weitere Verfahren ist sowohl für den Beschuldigten als auch die Hinterbliebenen des Opfers eine nervliche Zerreißprobe." Im Sinne eines funktionierenden Rechtsstaats "erwarte ich nun zeitnah eine Entscheidung des OLG".
Welches Rechtsverständnis haben Sie? Unabhängig davon gebe ich Ihnen recht, theoretisch könnte es trotzdem ein anderer gewesen sein
Früher hat man sich einen "Sündenbock" ausgesucht und ihn an den Henker geliefert. Damit war das Gerechtigkeitsgefühl im Dorf wiederhergestellt, und das Leben ging weiter.
Aber: Im Fall Sabine wird nach so langer Zeit - ohne Geständnis oder erdrückende Beweislast - keine Eindeutigkeit mehr herzustellen sein. Der Unmut über die "untätige" Justiz mag verständlich sein, aber Schnellgerichte mit Anklage, Urteil und Vollstreckung an einem Tag gibt es aus gutem Grund nicht mehr.
Was bleibt ist das alte Bedürfnis nach Wiederherstellung des Rechtsfriedens.
Betet, flucht, sauft oder akzeptiert es: Es gibt hier nur Verlierer.