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Marktheidenfeld
Nach dem Dürresommer: Warum eine Gärtnerin aus Main-Spessart darüber nachdenkt, ihre Arbeit niederzulegen
Seit 40 Jahren arbeitet Elisabeth Fleuchaus aus Marktheidenfeld als Staudengärtnerin. Nach dem Hitzesommer denkt sie ans Aufhören – aber nicht aus Frust.
Staudengärtnerin mit Leidenschaft: Seit 40 Jahren arbeitet Elisabeth Fleuchaus aus Marktheidenfeld in ihrem Beruf. Nun denkt sie ans Aufhören.
Foto: Lucia Lenzen | Staudengärtnerin mit Leidenschaft: Seit 40 Jahren arbeitet Elisabeth Fleuchaus aus Marktheidenfeld in ihrem Beruf. Nun denkt sie ans Aufhören.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:56 Uhr

Eigentlich macht Gärtnern ja bekanntlich glücklich. Der Hitzesommer 2022 aber sorgte bei Pflanzenfreunden in erster Linie für Ratlosigkeit. Auch die Staudengärtnerin Elisabeth Fleuchaus aus Marktheidenfeld fragte sich, wie sinnvoll ihre Tätigkeit eigentlich noch ist. Im Interview erzählt sie, was ihr der Sommer trotzdem für eine gute Erkenntnis brachte. 

Frau Fleuchaus, Sie kommen ursprünglich aus Bremen. Haben also den nassen Norden gegen den trockenen Süden eingetauscht. Sehnen Sie sich mittlerweile zurück?

Elisabeth Fleuchaus: Ich bin 1983 mit meinem Mann nach Marktheidenfeld gekommen und empfand das Wetter hier als mediterran exotisch. Ich liebe dieses Wetter, die Trockenheit. Eigentlich. 

Dürresommer 2022: Wie muss sich das Gärtnern verändern? 
Foto: Johannes Kiefer | Dürresommer 2022: Wie muss sich das Gärtnern verändern? 
Dieser Sommer ging dann aber auch bei Ihnen an die Schmerzgrenze.

Fleuchaus: Ja. Dieser Sommer war mörderisch. Ich habe immer gedacht: Wann hört das endlich auf, wann ist es endlich vorbei. Ende Juli war mir klar: In solchen Sommern kommt ein Beet, das ich neu anlege ohne Gießen nicht mehr durch den Sommer. Selbst Lavendel nicht - und das ist eigentlich ein sehr harter Kandidat.

Jetzt im November ist alles wieder grün. Haben wir uns umsonst gesorgt im Sommer? 

Fleuchaus: Der Septemberregen hat tatsächlich zu einer beispiellosen Aufholjagd in der Natur geführt. Aber: Was wäre passiert, wenn es nicht so viel geregnet hätte?

Sie arbeiten seit 40 Jahren als Staudengärtnerin. Jetzt wollen Sie aufhören. War das eine Frust-Entscheidung nach diesem Sommer?  

Fleuchaus: Nein, kein Frust. Ich werde 65 Jahre alt und da ist es in Ordnung, so langsam aufzuhören. Aber ich hatte im Juli tatsächlich auch das Gefühl: Die gärtnerische Tätigkeit, die ich da ausführe, ist nicht mehr sinnvoll. Ich kann und will die Verantwortung für das, was ich anlege, nicht mehr übernehmen. Ich komme in die Gärten und sehe: Das was ich angelegt habe, ist vertrocknet und ich kann keinem einen Vorwurf machen. 

War der heiße Sommer gut, um uns noch einmal bewusst zu machen, das wir mitten drin sind im Klimawandel und wie er sich anfühlt? 

Fleuchaus: Anscheinend ist der Leidensdruck aber noch nicht hoch genug. Denn die Tendenz geht leider in die andere Richtung. Die Gärten werden nicht grüner, sondern grauer. Das ist eine Entwicklung, die rapide vorangeht. Insofern ist auch mein Knowhow nicht mehr so gefragt. Zumindest nicht in dem Maße, in dem es eigentlich gebraucht würde. Denn mal abgesehen davon, dass Bäume CO₂ umwandeln, ist das Grün der Pflanzen ja eigentlich eine Wohltat. Zum Beispiel ist ein Baum der viel bessere und angenehmere Schattenspender, als eine Markise. Auch für das Auge und die Seele sind Stauden und Grün wohltuend. 

Warum entscheiden sich die Menschen ihrer Erfahrung nach für grau, statt grün?

Fleuchaus:  Viele Leute bringen mit Stauden und Gehölzen Arbeit in Verbindung. Aber eigentlich macht ein Schottergarten mehr Arbeit. Nach ungefähr zwei Jahren kommen auch hier die Unkräuter durch, Löwenzahn sprießt. All das in den Griff zu kriegen, ist unheimlich mühselig, egal, ob mit dem Kärcher, dem Flammgerät oder von Hand.

Die Kreiselmeisterin: Elisabeth Fleuchaus kümmert sich auch um die Pflege des Kreisels an der Nordbrücke in Marktheidenfeld.
Foto: Marcus Meier | Die Kreiselmeisterin: Elisabeth Fleuchaus kümmert sich auch um die Pflege des Kreisels an der Nordbrücke in Marktheidenfeld.
Was halten Sie von Schottergärten-Verboten?

Fleuchaus: Da bin ich im Zweifel. Einerseits denke ich: Behördliche Verfügungen animieren nicht. Die verbieten zwar eine Schotterfläche, aber es gibt auch keinen Anreiz, in Grün zu investieren anstatt in Grau. Andererseits glaube ich, dass Schottergärten schon fast überholt sind: Denn sie kosten, verbrauchen Ressourcen wie Sand und Schotter und machen eben viel Arbeit.

Versuchen Sie die Menschen von Grün zu überzeugen?

Fleuchaus: Nein, eher nicht. An den jungen Leuten zerrt eh schon so viel. Und wenn dann da noch ein Garten zerrt – da ist einfach zu wenig Zeit und die Erkenntnis, ich schaff das nicht. Da würde ich nicht widersprechen. Aber ich bin trotzdem ratlos. Denn die Hausgärten sind eine nicht zu unterschätzende Fläche. Die Leute legen durchaus noch Beete an und pflanzen Bäume. Aber in der Gesamtheit sind sie zu wenig.

Müssen Kommunen und Städte mehr Verantwortung übernehmen und machen?

Fleuchaus: In den Kommunen ist der Wille, klimafreundlich zu arbeiten ganz groß. Was ihnen zu Gute kommt: Seit dem Volksbegehren zur Rettung der Biene ist die Toleranz in der Bevölkerung gegenüber Löwenzahn und Distel größer geworden. Die Leute regen sich viel weniger auf, wenn eine öffentliche Fläche mal länger nicht gemäht wird oder Stauden über den Winter stehen bleiben.

Der Sommer hat aber auch etwas Positives bei Ihnen bewirkt.

Fleuchaus: Ja, nachdem ich im August eigentlich dachte, schlimmer kann es nicht werden, habe ich gemerkt: Wir haben so viel Tomaten, Auberginen, Gurken – und das überwiegend makellos, pilzfrei. Die Tomaten hatten keine Braunfäule. Das Basilikum hat im September noch gestrotzt. Das heißt: Die Hitze und Trockenheit sind für diese Kulturen anscheinend perfekt. Und mit so einer Ernte aus dem eigenen Garten spart man auch Geld in der Haushaltskasse. Zum anderen versorge ich nicht nur mich, sondern auch die Menschen um mich herum. Und wenn wir dann alle hier am Tisch sitzen und es schmeckt uns – es gibt nichts sinnvolleres.

Sie lassen Ihren Beruf jetzt ausklingen. Was aber bedeutet der Klimawandel für ihre Kollegen, die weitermachen? 

Fleuchaus: Ich denke, ein Weg ist, nicht immer alles neu anlegen zu wollen, sondern lieber zu schauen: Was ist vorhanden, was kann ich nutzen und dadurch schonender einzugreifen. Aber vielleicht stellen sich die jungen Gärtner auch komplett um. In den Baumschulen gibt es ja auch zunehmend mehr Verkaufsflächen mit Kakteen. Aber das ist nicht mehr meins. (lacht) 

Elisabeth Fleuchaus

Die gelernte Gartenbautechnikerin und Buchautorin Elisabeth Fleuchaus stammt aus Bremen. In Norddeutschland lernte sie auch ihren Mann, den ehemaligen Marktheidenfelder Stadtgärtner Rainer Fleuchaus kennen. 1983 kommt sie mit ihm nach Marktheidenfeld. Hier arbeitet sie als selbständige Staudengärtnerin. Sie berät Hausgärtner in der Anlage, Bepflanzung und Pflege ihres Gartens, pflegt aber auch öffentliche Flächen, zum Beispiel den Kreisel in Marktheidenfeld oder die Lebendigen Gärten des Bunds Naturschutz in Marktheidenfeld.
Quelle: luc
 
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