Sowohl Vereine und Gemeinden, als auch Kirchen klagen darüber, dass sich immer weniger Menschen ehrenamtlich engagieren wollen. "Die Bereitschaft, sich zu binden, wird immer niedriger", sagt Pfarrer Simon Mayer vom Pastoralen Raum Karlstadt. Weniger als 1000 Katholiken leben inzwischen in der Altstadt: "Zehn Prozent davon sind im Pflegeheim", schätzt er. Für die Kirchengemeinde wird das zum Existenzproblem. Händeringend sucht sie nach allerlei Ehrenamtlichen, die etwa als Ministrantinnen und Ministranten den Gottesdienst mitgestalten, aber auch andere wichtige Aufgaben übernehmen.
Mit fast 21 Millionen Gläubigen ist die katholische Kirche laut Deutscher Bischofskonferenz (DBK) im Jahr 2022 zwar die am stärksten vertretene Konfession in Deutschland. Doch die Anzahl der Mitglieder geht seit 1990 (damals 28,3 Millionen) kontinuierlich zurück. 2022 sind rund 1447 Menschen erstmals oder wieder in die katholische Kirche eingetreten – 522.821 Menschen aber traten aus.
Ein Trend, den auch Mayer in seiner Gemeinde beobachtet. Einen Grund hierfür macht er in den Verfehlungen der katholischen Kirche und der damit verbundenen Kritik aus. Die dürfe nicht kleingeredet werden, warnt er. Doch sei sie oft polemisch und pauschal und treffe die Kirche auch in Karlstadt, obwohl sie die Fehler überhaupt nicht selbst zu verantworten habe.
Kirchenmänner gleich Kinderschänder: Kritik oft pauschal und überzogen
Pfarrer Mayer habe in einer anderen Gemeinde einmal ein Ministranten-Wochenende absagen müssen, weil sich keine weibliche Betreuerin fand – aufgrund der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche nun präventive Vorschrift. Von einer Person habe er dann gesagt bekommen: "Naja, wenn Sie nicht mitfahren, dann fährt schon wenigstens kein Kinderschänder mit." Was ebenso ein Straftatbestand sein könnte, bringt den Pfarrer nur zum Schlucken. Er überhöre solche Aussagen, alles andere bringe nichts, sagt er. So etwas käme maßgeblich von Menschen, die ihn gar nicht persönlich kennen: "Viele meinen zu wissen, wie "die" so sind. Das geht nicht spurlos an einem vorüber."
Manfred Goldkuhle ist stellvertretender Kirchenverwaltungsvorstand. "Was? Bei diesem Verein machst du noch mit?" So etwas werde auch er oft gefragt. Doch neben den Skandalen und Vorwürfen ist die Kirche und das gesellschaftliche Leben darum herum für viele Menschen wichtig, sagt er. Denn sie sei viel mehr, als nur eine wöchentliche Stunde Gottesdienst. Viele finden hier Halt: Sei es, durch die bloße Gemeinschaft, den Austausch und ein Gefühl von Zugehörigkeit. Oder auch durch die vielen Hilfsangebote wie etwa Seelsorge, Trauerbegleitung, Suchtberatung, Pflegedienste und -heime, oder einfach nur das offene Ohr des Gemeindepfarrers. Lebenshilfe, nennt Goldkuhle die Kirche.
Kirche funktioniert nur dann, wenn sich die Menschen beteiligen
Um das alles aufrechtzuerhalten, braucht die Kirche Menschen, die sich engagieren, sagt er. Als Ministranten, Kantorinnen, Lektoren und in anderen Funktionen. Die Kirche habe sich dabei in der Vergangenheit immer weiter geöffnet. So sind inzwischen etwa auch Mädchen als Ministrantinnen selbstverständlich und Frauen dürfen liturgisch tätig sein. Ein einzelner Mann darf keine Chorprobe mehr mit Minderjährigen leiten oder als Betreuer mit ihnen auf Reisen gehen. Hinzu kommen Präventionsschulungen, Debatten über das Zölibat und andere Modernisierungsmaßnahmen.
Goldkuhle und Mayer wollen auch weiterhin für ihre Gemeinde werben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Doch wenn sich der Trend nicht umkehrt, werde es in naher Zukunft zumindest seltener Gottesdienste geben. Und damit auch immer weniger Gemeinschaft und Ankerpunkt für diejenigen, die die Kirche – trotz ihrer Ecken und Kanten – so dringend brauchen.
1. die Kirchen müssen den Missbrauch aufarbeiten
2. sie müssen ihre Gläubigen verstehen lernen
3. sie müssen ran die Kirchengemeinde