
Was verändert sich durch die Strukturreform des Bistums Würzburg? Simon Mayer ist seit zehn Jahren Pfarrer in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart). Durch die Strukturreform hat der 45-Jährige seit 2022 einen neuen Titel: Teampfarrer des pastoralen Raums Karlstadt. Weil die neuen pastoralen Räume mehrere Pfarreiengemeinschaften zusammenfassen, ist er nicht für eine, sondern gleich 37 Gemeinden in Main-Spessart zuständig.
Im Interview berichtet Mayer über die Zusammenarbeit im Team - und wie die Reform die Gemeinden vor Ort verändert.
Simon Mayer: Bei allen Abwärtsbewegungen ist eins nicht weniger geworden: die Anzahl der Kirchengebäude und der Gemeinden. Alle Gemeinden sind ausgedünnt, manchmal sitzen da in einer Messe nur noch zehn Personen. Dazu finden wir kaum noch Nachwuchs bei den Priestern. Wir versuchen immer noch, die Menschen flächendeckend mit Messfeiern zu versorgen, aber wir müssen wir das stark konzentrieren. Dafür sind die pastoralen Räume da.
Mayer: Früher war man Einzelkämpfer: ein Pfarrer, eine Pfarrei. Jetzt bin ich in einem Team mit Pastoralreferenten, Diakonen und anderen Priestern. Da ist immer jemand ansprechbar für die Gemeinden. Das ist ein Vorteil im Vergleich zu früher, wo nur ein Pfarrer in einer Pfarrei war. Wenn der nicht da war, war er halt nicht da. So heute Pfarrer zu sein, kann ich mir nicht mehr vorstellen. Ich arbeite gerne im Team mit anderen zusammen, wo auch jeder und jede die eigenen Stärken einbringen kann.
Mayer: Diese Abwärtsbewegung in der Kirchenbindung ist schon in einer Zeit gestartet, als es noch an jedem Kirchturm einen Pfarrer gab. Das ist ja nicht erst seit zehn, fünfzehn Jahren so. Eigentlich gibt es heute viel mehr Möglichkeiten vor Ort, sich zu beteiligen. Weil nicht alles der Pfarrer vor Ort übernimmt und entscheidet. Oft sind die Gemeinden, in denen lange kein Pfarrer war, viel lebendiger sind als die, wo der Pfarrer seinen Sitz hatte.
Mayer: Wir bauen in der Gemeindearbeit sehr auf die Ehrenamtlichen. Aber sie hängen natürlich nicht völlig in der Luft. Es gibt ein System an ortszuständigen Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Jede Gemeinde hat also eine klare Ansprechperson aus dem hauptamtlichen Team.
Mayer: Wenn ich ein festes Zeitfenster für Seelsorge hätte, also eine Art Sprechstunde, würde ich da meist allein sitzen. Deshalb geht es oft besser, wenn sich Gespräche auf der Straße ergeben, beim Einkaufen zum Beispiel. Aber ich habe auch viele Verwaltungsaufgaben, sitze in Gremien und bin deshalb nicht so oft im öffentlichen Raum unterwegs. Dafür sind mir dann die Werktags-Messen wichtig, um mit den Ehrenamtlichen unkompliziert in Kontakt zu kommen. Da nehme ich mir dann die Zeit oder auch im Umfeld von Sitzungen mit den Gremien.
Mayer: Das hält sich im Normalfall in Grenzen, aber es ist auch eine Organisationsfrage. Man muss seine Termine gut planen, aber wenn ich am Sonntagvormittag zwei Gottesdienste und am Nachmittag eine Taufe habe, kommen dann schon mal 30 Kilometer zustande.
Mayer: Es ist wichtig, dass die Gemeinde aus sich heraus lebt. Letzten Endes kann kein Pfarrer – auch kein anderer hauptamtlicher Seelsorger – eine Gemeinde lebendig halten. Den Leuten vor Ort muss wichtig sein, dass sie etwas für ihre Gemeinde tun. Die pastoralen Räume sollen das verstärkt fördern.
Mayer: Ich habe den Eindruck, dass die Diözesanleitung die Gemeinden zu wenig im Blick hat. Damit bin ich nicht zufrieden, denn kirchliches Leben ohne Gemeinde vor Ort funktioniert nicht. Wir können nicht reiner Dienstleister in Sachen Taufe, Trauung und Beerdigung werden. Für all das ist immer ein gemeindlicher Hintergrund nötig. Eine Kirche, die geöffnet und sauber ist, Küster, Ministranten, Organisten… Die kommen ja aus den Gemeinden.
Mayer: Mir wäre lieber klein, aber mit Feuer. Wo man merkt, da ist was da. Letzten Endes ist daraus Kirche entstanden: aus Menschen, die für etwas brennen. Da geht es nicht darum, wann jemand das letzte Mal in der Messe war, sondern wofür er oder sie brennt und bereit ist, sich zu engagieren.
Mayer: In den größten Gemeinden gibt es ein verlässliches Gottesdienst-Angebot, immer zur gleichen Zeit – dann können die Menschen damit planen. Ansonsten gibt es ein rotierendes System für die Messe, da orientiert man sich an der Gemeindegröße. Wir versuchen, die Wege möglichst kurz zu halten, damit keiner weiter als zehn Kilometer zur nächsten Messe fahren muss. Darüber hinaus gibt es inzwischen ein breites Angebot anderer Gottesdienste, wie "Wort-Gottes-Feiern", die von Ehrenamtlichen in und aus den Gemeinden geleitet werden.
Mayer: Da geht es um die kleinen Filialgemeinden, die eigentlich immer zum Gottesdienst in die größere Pfarrkirche mussten. In den 70ern, 80ern hatten wir fast zu viel Personal und plötzlich gab es auch in den Filialgemeinden Sonntagsmessen. Dabei hatte es die dort über Jahrhunderte meist nicht gegeben. Das hat sich aber kaum 30 Jahre gehalten.
Mayer: Wir werden irgendwann auch Gemeinden auflösen müssen, wenn niemand mehr vor Ort ist, der sich um die Kirche kümmert. Dann können wir diese Kirche auch nicht mehr bedienen.
Mayer: Kirche wird nicht dadurch überleben, dass wir viele Hauptamtliche haben. Wir brauchen Menschen, die mit dem Glauben etwas anfangen können. Denen auch gemeindliches Leben vor Ort wichtig ist und sich dafür einsetzen. Eigentlich müsste das in den Familien weitergegeben werden und überleben, aber da mache ich mir aktuell große Sorgen: Wo ist Glaube in unseren Häusern, in unseren Familien und damit im alltäglichen Leben noch relevant?
Darum sind eben die kleinen Schritte nötig und auch erfolgreich, die befreiende Botschaft Jesu weiter zu geben: die KOMBINATION aus Familie, Gemeinde und Schule macht's aus!
@Simon Mayer: bleib' dran an den Karschtern! :-)
Lieber Gruß