
Er gilt als der "Reich-Ranicki für Weingüter und Weine": Der gebürtige Gössenheimer (Lkr. Main-Spessart) Gerhard Eichelmann gibt jedes Jahr den "Eichelmann" heraus. Der Weinführer umfasst Bewertungen von knapp 1000 Weingütern mit 11.000 Weinen.
Eichelmann hat in Gemünden das Abitur gemacht, seine Eltern leben noch heute in Gössenheim, wo er aufgewachsen ist. Beim Elternbesuch spricht er über den Wein in Mainfranken, die Auswirkungen des Klimawandels und verrät, wie man trotz der vielen Verkostungen nüchtern bleibt.
Gerhard Eichelmann: Selbstverständlich. Vor 18 Uhr trinke ich keinen Schluck. Das ist so eine Regel bei uns.
Eichelmann: Ich verkoste Wein, natürlich, aber beim Verkosten trinkt man nicht. Man nimmt den Wein in den Mund, schluckt ihn aber nicht runter, sondern spuckt ihn wieder aus.

Eichelmann: Bei allen wichtigen Verkostungen werden die Weine verhüllt, eventuell auch in neutrale Flaschen umgefüllt, sollte durch die charakteristische Flaschenform Rückschlüsse auf das Weingut möglich sein, wie beispielsweise beim Bocksbeutel. Mein Team mit fünf Redakteuren bewertet die Weine nach dem 100-Punkte-System. Meistens sind wir uns einig. Wenn nicht, diskutieren wir und nehmen uns die kontrovers bewerteten Weine noch einmal vor.
Eichelmann: Ja, aber das macht jeder so, wie es ihm richtig erscheint. Man behält den Wein einige Zeit im Mund und konzentriert sich ganz auf den Wein. Wichtig ist mir die Nachhaltigkeit eines Weins. Weißweine verkosten wir meist bei 14 bis 16 Grad, also wärmer, als man sie trinken würde, dann erkennt man schneller die Qualität und das Potenzial eines Weins. Rotweine bei 16 bis maximal 18 Grad, bei manchen Verkostungen öffnen wir die Rotweine am Vorabend, dekantieren sie und füllen sie zurück in die Flasche.
Eichelmann: Ich persönlich nicht, es steht aber immer Brot auf dem Tisch.
Eichelmann: Der Weinführer ist drei Jahre bei einem anderen Verlag erschienen. Dort hatte man die Idee ihn Eichelmann zu nennen, um ihn neben anderen Weinführern wie Gambero Rosso oder Guide Hachette zu positionieren.
Eichelmann: Nein, überhaupt nicht, ich interessiere mich für Weine aus aller Welt. Aber nach und nach ist die Arbeit am deutschen Weinführer immer aufwändiger geworden, ebenso das Thema Champagner nach nunmehr zehn veröffentlichten Champagner-Büchern. Es ist immer weniger Zeit geblieben, um sich intensiv mit anderen Weinthemen und Weinregionen zu befassen. Aber ab und zu schreibe ich auch Bücher über andere Länder, zuletzt über Wein aus Australien.
Eichelmann: Den Grundstock bilden die Weingüter, die im aktuellen Buch vorgestellt werden. Hinzu kommen Weingüter, von denen wir auf Veranstaltungen interessante Weine verkostet haben, aber auch Weingüter, die uns von Lesern oder Winzern empfohlen werden. Viele Weingüter wenden sich auch direkt an uns, möchten, dass wir ihre Weine verkosten. Wir möchten einen Querschnitt der Kollektion und nicht nur die Spitzenweine. Jeder Redakteur ist für eine oder mehrere Weinregionen verantwortlich und verkostet die Weine seiner Region eigenverantwortlich, aber in den Schlussverkostungen stehen dann Weine aus allen deutschen Anbaugebieten nebeneinander. Die Region Franken verkoste ich selbst.

Eichelmann: Wenn ich einen Wein auswähle, dann in erster Linie aufgrund des Weingutes, nicht aufgrund der Region. Die deutschen Weingüter haben sich stetig weiterentwickelt. So werden Weißweine nicht mehr nur in Edelstahl oder im Holz ausgebaut, Winzer nutzen heute auch Betoneier oder Amphoren und kombinieren verschiedene Ausbauarten, was speziell auch dem Silvaner zugutekommt. Es gibt eine Abkehr von der allzu späten Ernte. Beim Verbraucher gefragt sind heute Weine mit weniger Alkohol, die trotzdem Harmonie und Finesse besitzen.
Eichelmann: Es gibt in Franken einige großartige Spätburgunder, die mit den besten in Frankreich mithalten können. Aber nicht jeder mag Spätburgunder, wer dunkle und kräftige Rotweine sucht bevorzugt andere Rebsorten, in Franken beliebt ist die Domina, in anderen deutschen Weinregionen kristallisiert sich eher der Blaufränkisch als Alternative zum Spätburgunder heraus.
Eichelmann: Franken und speziell der Silvaner profitieren derzeit noch vom Klimawandel. Anders als in früheren Jahrzehnten werden heute die Trauben jedes Jahr reif. Dafür stellt die Trockenheit, die mit dem Klimawandel einhergeht, Winzer vor immer größere Probleme. Junge Reben müssen bei extremer Hitze und Trockenheit bewässert werden, bei älteren Reben sollte dies nicht nötig sein, wenn Weinberge so bewirtschaftet werden, dass die Reben tief wurzeln. Bei Neuanlagen kann es sinnvoll seine, eine Tröpfchen-Bewässerung zu installieren, um junge Reben gezielt mit möglichst wenig Wasser zu versorgen.

Eichelmann: Es gibt die Top-Winzer, denen wird der Wein aus der Hand gerissen. Inzwischen wurde auch deutscher Wein als Geldanlage, als Investment entdeckt. Das finde ich schade, denn immer mehr Weine werden nicht mehr getrunken – aber das ist eben der Markt. Jahr für Jahr gibt es mehr deutsche Weine, die immer teurer werden und praktisch vom Markt verschwinden. Aber dafür gibt es auch neue Winzer, die tolle Weine erzeugen, und zu einem Preis, den man sich noch leisten kann und mag.
Eichelmann: Das hat man früher so gesagt, aber das ist Unsinn. Ein schlechter Wein wird nicht besser dadurch, dass er alt wird. Und ein guter Wein ist auch jung schon gut. Jeder Weinliebhaber muss für sich selbst entscheiden, in welchem Alter er welche Weine am liebsten trinkt.
Eichelmann: Sieht man einmal von den gehypten Spitzenweinen ab, so ist die Situation für viele Winzer derzeit nicht einfach. Haben sich manche Verbraucher während Covid auch mal bessere Weine gegönnt, so scheinen nun viele aufgrund des Ukrainekriegs und des ständigen Krisengeredes verunsichert, sparen nicht an Urlaub und Auto, aber am Essen und Trinken, so ist mein Eindruck.
Eichelmann: Ja, warum nicht.
Eichelmann: Meine Frau trinkt am liebsten Weißwein, ich trinke sehr gerne auch Rotwein, schlussendlich trinken wir aber meistens Weißwein – oder eben Sekt oder Champagner. Wir trinken nicht nur Spitzenweine, sondern gerne die richtig guten 'einfachen' Weine.