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Zellingen
Helden-Nachwuchs: Der 14-jährige Aiden aus Zellingen engagiert sich weit über die Übungen hinaus bei der Jugendfeuerwehr
Weit über 100 Stunden investierte der Jugendliche allein im vergangenen Schuljahr in sein Ehrenamt. Was ihn motiviert – und wie er sich seine Zukunft bei der Feuerwehr vorstellt.
Bei der Feuerwehr ist der 14-jährige Aiden, seit er sechs Jahre alt ist. Obwohl er noch nicht auf Einsätze darf, kommt er auf eine beachtliche Zahl an geleisteten Stunden.
Foto: Thomas Obermeier | Bei der Feuerwehr ist der 14-jährige Aiden, seit er sechs Jahre alt ist. Obwohl er noch nicht auf Einsätze darf, kommt er auf eine beachtliche Zahl an geleisteten Stunden.
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 19.11.2024 02:42 Uhr

Die Sirene schrillt durch den Ort und innerhalb weniger Minuten versammeln sich die ersten Einsatzkräfte im Feuerwehrhaus Zellingen. Wie kommen sie schnell zum Einsatzort? Welche Fahrzeuge sind nötig? Bei der Beantwortung der Fragen hilft ihnen ein Kürzel aus Buchstaben und Zahlen, das auf den Handys erscheint.

Fast immer steht auch der 14-jährige Aiden Nordhause am Feuerwehrhaus und rätselt, welche Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Noch ist er zu jung, um selbst zur Gefahrenstelle mitzukommen und zu helfen. Trotzdem geht sein Engagement weit über die Übungen der Jugendwehr hinaus. Keine Selbstverständlichkeit, gerade mit Blick auf die Nachwuchsprobleme, mit denen Freiwillige Feuerwehren teils zu kämpfen haben.

Der Verein investiert viel Arbeit in den Nachwuchs

"Egal zu welcher Tages- und Nachtzeit der Piepser geht: Wenn wir da vorne zu dem Hallentor hinausfahren, steht der Aiden vor der Tür. Finde ich total klasse, würde ich mir von anderen auch wünschen", zeigt sich Jugendwart Marco Schall begeistert. Für Aiden ist es eine Möglichkeit, um schon ein Gefühl für echte Einsätze zu bekommen: "Es ist ähnlich wie die Jugendübung", findet er. Dort probt die Gruppe aus rund 15 Jugendlichen alle ein bis zwei Wochen verschiedene Ernstfall-Szenarien. Mit 16 Jahren dürfen sie außerhalb des Gefahrenbereichs mithelfen, etwa bei Absperrungen, und mit 18 Jahren dann zu allen Einsätzen mitfahren.

Nicht nur das Üben, auch das Herrichten und das anschließende Aufräumen gehören zur Arbeit der Feuerwehr.
Foto: Thomas Obermeier | Nicht nur das Üben, auch das Herrichten und das anschließende Aufräumen gehören zur Arbeit der Feuerwehr.

Aidens Feuerwehr-Karriere begann bereits mit sechs Jahren: "Die Feuerwehrautos, die haben es ihm angetan und dann ist er in die Kinderfeuerwehr. Ab da war er eigentlich immer fleißig dabei", sagt seine Mutter, Desiree Nordhause. Vorbilder in der Familie hatte er für seinen Einstieg auch, Oma und Opa waren schon bei der Freiwilligen Feuerwehr. "Man findet neue Freunde. Man kann sich austesten, wo die eigenen Grenzen sind, zum Beispiel. Es macht Spaß", sagt Aiden über seine Motivation.

Warteliste für die Kinderfeuerwehr

Für die Kinderfeuerwehr haben die Zellinger eine Warteliste – mehr als 20 Kinder können die fünf Ehrenamtlichen nicht betreuen. Davon sind zuletzt wieder welche in die Jugendwehr gewechselt, zwei aus der Jugendgruppe vor kurzem wiederum in die "große Feuerwehr".  "Die haben wir alle großgezogen", sagt Vereinsvorsitzender Ulrich Endrich stolz. Er hört von Feuerwehren ringsherum, dass es anderswo durchaus Nachwuchsprobleme gibt. "Es war schon anders", sagt er im Rückblick über die derzeit gute Lage. "Da können wir froh sein, aber es steckt auch harte Arbeit dahinter."

Er selbst macht Werbung für die Jugendlichen, und sorgt dafür, dass Geld für die Ausrüstung, einen Kegelabend oder einen Ausflug da ist. Vergangenes Jahr etwa besuchten sie die Feuerwehrschule in Würzburg. Auch Aiden hilft beim Anwerben von Nachwuchs: Für Veranstaltungen hat die Zellinger Wehr einen Trainingsanhänger, ausgestattet mit einer Gasflamme und kleinen Feuerlöschern. Den betreut der 14-Jährige mittlerweile selbst: "Aiden kann man ruhig schon hinstellen, um den Leuten zu zeigen, wie etwas geht", sagt Endrich.

Aidens Einsatz ist überdurchschnittlich, sagt der Vereinsvorsitzende. In einem Berichtsheft für das Freiwillige Soziale Schuljahr der Freiwilligenagentur Emil notiert er Aidens geleistete Stunden. Nach 110 Stunden war kein Platz mehr, um weiter aufzuschreiben: "Er hat das Doppelte an Stunden, die man haben muss, und noch mehr", sagt Endrich. Auf etwa 200 Stunden schätzt er den Einsatz des Jugendlichen im vergangenen Schuljahr. Im laufenden Schuljahr macht Aiden wieder bei dem Projekt mit. Normalerweise soll das Projekt die Jugendlichen zu einem Ehrenamt anreizen. In seinem Fall ist es nur Beiwerk zum Einsatz, den er sowieso schon vorher gezeigt hat.

Jugendwart Marco Schall (von links), Vereinsvorsitzender Ulrich Endrich und Maschinist Marco Dittmaier (rechts) sind froh über die große Jugendgruppe der Feuerwehr Zellingen und Aidens Einsatz.
Foto: Thomas Obermeier | Jugendwart Marco Schall (von links), Vereinsvorsitzender Ulrich Endrich und Maschinist Marco Dittmaier (rechts) sind froh über die große Jugendgruppe der Feuerwehr Zellingen und Aidens Einsatz.

Er hilft nicht nur bei den angenehmen Aufgaben, etwa beim Vorbereiten von Festen, sondern auch beim "technischen Dienst" an Samstagen: Halle putzen, Reifen sauber machen oder etwa ein Regal aufstellen. "Wenn wir so einen öfter hätten, das wäre super", ist Endrich voll des Lobes. "Mir macht eigentlich alles Spaß bei uns", sagt Aiden. Und dieses "bei uns" drückt gleich noch einen motivierenden Aspekt seines Ehrenamts aus: Die Gemeinschaft und Kameradschaft, die er hier erleben kann. Das betonen auch seine Mutter und Jugendwart Marco Schall.

Die Übung funktioniert nur im Zusammenspiel, das beweist Aiden im Anschluss an das Interview noch "live". Die Jugendlichen müssen ein imaginäres Auto stabilisieren, indem sie einen Biertisch mithilfe von Hebekissen hochdrücken und nach und nach an beiden Enden mit Holzklötzen unterlegen. Aiden übernimmt das Kommando und gibt seinen Kameradinnen und Kameraden Anweisungen. Maschinist Marco Dittmaier setzt sich am Ende der Übung zögerlich auf den hochgebockten Tisch – wackelt nicht, Test bestanden.

Der Biertisch soll ein Auto simulieren, das die Jugendlichen der Feuerwehr nach und nach hochbocken und stabilisieren. Aiden (Mitte) hat das Kommando übertragen bekommen.
Foto: Thomas Obermeier | Der Biertisch soll ein Auto simulieren, das die Jugendlichen der Feuerwehr nach und nach hochbocken und stabilisieren. Aiden (Mitte) hat das Kommando übertragen bekommen.

"Wie man eine Person aus dem Graben rettet, mit einer Schaufeltrage, das habe ich hier gelernt", berichtet Aiden von den ganz praktischen Erfahrungen. Erste-Hilfe-Kurse hat er ebenfalls mehrere bei der Feuerwehr absolviert. Im privaten Umfeld musste er das Wissen daraus aber noch nicht anwenden.

Das Ehrenamt verhilft zu mehr Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein

"Hilfsbereit war der Aiden schon immer, egal in welchem Bereich", sagt Mutter Desiree Nordhause. Selbstbewusster sei er durch das Engagement aber geworden, beobachtet sie. Und er organisiert sich verstärkt selbstständig. Am Anfang des Jahres gibt Jugendwart Schall etwa einen Kalender mit den Übungsterminen heraus: "Ob sie da sind oder nicht, können sie dann selber entscheiden. Ich telefonier' keinem hinterher und es wird auch nicht ständig erinnert", sagt er.

Im Ehrenamt zählt nicht nur der Start der Karriere. Auch das Dranbleiben ist für die Vereine wichtig. "Ich will in die große Feuerwehr und vielleicht in die Berufsfeuerwehr", sagt Aiden über seine Zukunftspläne. Sicher ist er noch nicht ganz – eine Ausbildung als Landbaumaschinenmechaniker komme auch infrage. Das eine schließt das andere aber nicht aus: "Für die Berufsfeuerwehr braucht man erst eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung", weiß Jugendwart Schall.

Sein Ehrenamt müsste Aiden deshalb nicht aufgeben, auch wenn sich Arbeit und Freizeit sehr ähneln würden: "Wir haben ein Berufsfeuerwehrmann bei uns und der ist von der Anlage her wie der Aiden", sagt Endrich. Für die Freiwillige Feuerwehr schwebt dem 14-Jährigen ebenfalls ein konkreter Plan vor: "Maschinist ist schon cool. Der bedient die Fahrzeuge und kümmert sich um die Pflege", klingt seine Begeisterung für die Feuerwehrautos wieder durch. 

 
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