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Karlstadt
Mehr als 600 Stunden pro Jahr im Einsatz: Wie ein Rudertrainer und Feuerwehrvorstand seine Ehrenämter wieder in Balance bringt
Franz-Louis Rüger übernimmt im Ehrenamt gleich doppelt Verantwortung, will mit voller Kraft die Jugendarbeit vorantreiben – nun musste er Grenzen ziehen. Trotzdem wirbt er für diese Arbeit.
Franz-Louis Rüger trainiert beim Ruderclub in Karlstadt die Jugend, ist aktiver Feuerwehrmann und im Vorstand beider Vereine.
Foto: Daniel Peter | Franz-Louis Rüger trainiert beim Ruderclub in Karlstadt die Jugend, ist aktiver Feuerwehrmann und im Vorstand beider Vereine.
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 15.09.2024 02:27 Uhr

Viele kleine Hände tragen die "Karlsburg" aus dem Bootshaus des Karlstadter Ruderclubs. Die Jugendgruppe muss vor dem Training das Boot "aufriggern", also die Halterungen für die Ruder wieder anbringen, erklärt Trainer Franz-Louis Rüger. Er selbst trägt Böcke auf den Hof und kommentiert in Trainermanier seine Arbeitsschritte. Rüger startet ohne Hektik in die Trainingseinheit, obwohl seine Zeit knapp ist. Neben seinem Job, Familie und Freunden, bringt er derzeit noch zwei Vorstandsposten im Ehrenamt unter einen Hut. So sehr der 33-Jährige andere gern im Ehrenamt sehen würde, ist für ihn nun der Moment gekommen, sein Engagement neu einzuteilen. 

Im Studium aus der Ferne unterstützt

Dass er so groß eingestiegen ist ins Ehrenamt, begann mit einem mehrtägiges Schnupperruder-Programm für Jugendliche in den Sommerferien. Die Idee stammte von ihm selbst: Als er während Corona einen jungen Ruderer bei einem virtuellen Athletik-Test unterstützte, fragte ein Sportler aus Nürnberg, wo Karlstadt sei. Das wollte Rüger so nicht auf sich sitzen lassen und nahm sich vor, der Kreisstadt in der Ruder-Community wieder einen Namen zu verschaffen und die Jugendarbeit nicht einschlafen zu lassen. Das Ergebnis des Schnuppertrainings war überwältigend, 26 Jugendliche traten dem Club bei.

"Meine Mutter hat mich als Kind hergeschickt, dass ich nicht auf die schiefe Bahn komme", erinnert sich Rüger an den eigenen Start im Jugendtraining. Bald durfte er Erfolge bei Regatten feiern und sogar an den Deutschen Meisterschaften teilnehmen. Für das Studium in Coburg musste er seinen sportlichen Ehrgeiz etwas zurückschrauben, doch auch aus der Ferne unterstützte er die Jugendarbeit im Heimatverein. Als es ihn beruflich wieder näher nach Karlstadt zog, übernahm Rüger schrittweise mehr Verantwortung. Seit 2018 ist er fest als Trainer eingeteilt und zudem Zweiter Vorsitzender. 

Mit zwölf Stunden pro Woche wird das Ehrenamt quasi zum Nebenjob

Drei Jahre nach dem Schnupperrudern, wieder an einem Sommerferientag, tragen die ersten Jugendlichen ihre Einer-Boote bereits selbstständig ins Wasser. Die Größeren helfen den Kleineren, Rüger muss nur noch Hilfestellung geben – und behält vom Steg aus im Blick, wie die Jugendlichen in ihren Booten den Main auf und ab fahren. "Die kriegen schon vom Boot Rückmeldung, was geht und was nicht", sagt er über seine zwei Neuzugänge, die erst seit wenigen Wochen dabei sind.

Trainer Rüger freut sich über die Gemeinschaft, die bei den Jugendlichen entstanden ist.
Foto: Daniel Peter | Trainer Rüger freut sich über die Gemeinschaft, die bei den Jugendlichen entstanden ist.

"Das war ein riesiger Kraftakt, allen das Rudern erst einmal beizubringen", sagt Rüger im Rückblick. Als Trainer rechnet er pro Einheit mit rund drei Stunden – Aufbau, Abbau, zwei Stunden auf dem Wasser. Obwohl er noch so oft am Steg des Karlstadter Ruderclubs steht, hat er seine Trainerstunden bereits reduziert. "In der Anfangszeit war es drei- bis viermal in der Woche", sagt Rüger, seit diesem Jahr trainiert er die Jugendlichen nur noch zweimal pro Woche. Für seinen eigentlichen Job als Konstrukteur in Marktheidenfeld steht er morgens möglichst früh auf, um an den Abenden das Training halten zu können.

Dazu kommt die Planung. Während der Saison müssen die Fahrten zu Regatten organisiert werden, einmal im Jahr ein Trainingslager und eine Wanderfahrt. "In den letzten Jahren war die Rechnung: Die Zeit, die ich hier bin, kann ich mal zwei nehmen", sagt der 33-Jährige. Auf durchschnittlich etwa zwölf Stunden die Woche kommt man so nach einer kurzen Rechnung, quasi ein Nebenjob. Rund 600 Stunden in einem Jahr hat er sich selbst einmal ausgerechnet, allein für den Ruderclub. Für Regatten und Ausflüge mussten auch Urlaubstage herhalten – aber bei weitem nicht der ganze Jahresurlaub, betont Rüger. Die Freunde mussten ebenfalls zurückstecken: Acht Hochzeiten ließ er kürzlich für das Rudern sausen. "Ich bin mit den Brautpaaren jetzt nicht verkracht", sagt er trotz der Absagen. 

'Weißt du, wo am Boot Position 1 ist?', fragt der Trainer. Dort gehört die Halterung für das Ruder hin, die einer der Jungs in der Hand hält.
Foto: Daniel Peter | "Weißt du, wo am Boot Position 1 ist?", fragt der Trainer. Dort gehört die Halterung für das Ruder hin, die einer der Jungs in der Hand hält.

Warum der Verein viel mehr bietet als ein Fitnessstudio

Neben seinem ehrenamtlichen Engagement im Ruderclub stehen bei Rüger auch regelmäßige Übungen der Feuerwehr Gössenheim im Terminkalender. Dort ist er nicht nur aktiver Feuerwehrmann, sondern auch Kassenwart. Als solcher kümmert er sich um Büroarbeit und an Festen um die Kasse. Der Posten wurde ihm quasi in die Wiege gelegt, er hat ihn von seinem Vater übernommen.

Wie beim Rudertraining will Rüger hier nun ebenfalls eine Grenze setzen und zumindest die Aufgaben des Kassenwarts abgeben. Sollte sich bei den nächsten Vorstandswahlen niemand finden, werde zwischenzeitlich wohl wieder der Vater einspringen. Bisher habe sich für jeden Posten immer jemand gefunden, zeigt Rüger sich zuversichtlich.

Die wichtigste Regel: Beide Hände an den Griffen, erinnert Franz-Louis Rüger.
Foto: Daniel Peter | Die wichtigste Regel: Beide Hände an den Griffen, erinnert Franz-Louis Rüger.

"Das Problem ist, dass viele in der heutigen Zeit sagen, ich habe keine Zeit – da fragt man sich eigentlich, was machen die den ganzen Tag? Der Tag hat für alle Menschen 24 Stunden", sagt Rüger. Bei manchen kämen Verpflichtungen dazu, wie Kinderbetreuung oder Pflege. Bei anderen frage er sich, wieso sie das Ehrenamt nicht ausprobieren.

Gerade im Sportbereich macht er eine Verlagerung hin zu Fitnessstudios verantwortlich. Für ihn persönlich bietet ein Sportverein aber viel mehr, ein Nehmen und Zurückgeben: "Als ich so alt war wie die Sportler hier, habe ich ganz viel vom Ruderverein bekommen und gelernt. Das kann ich jetzt zurückgeben."

Im Hintergrund helfen die Größeren bereits den Kleineren, während Trainer Rüger sich um ein Boot kümmert.
Foto: Daniel Peter | Im Hintergrund helfen die Größeren bereits den Kleineren, während Trainer Rüger sich um ein Boot kümmert.

Aus seiner Jugendgruppe haben die 19-jährigen Zwillingsbrüder Thomas und Tobias vor kurzem den Trainerschein gemacht und nehmen ihm mittlerweile Trainingsstunden ab. "Ich hoffe, dass noch welche nachkommen und dass es in Zukunft auf mehrere Schultern verteilt wird", sagt Rüger. Manche Sportler habe der Club vielleicht nicht ganz so betreuen können, wie er es sich vorgestellt hätte. Dass es im Ruderclub derzeit so viel Nachwuchs gibt und er beobachten kann, wie die Jugendlichen wachsen, sich weiterentwickeln und sich gegenseitig unterstützen, erfülle ihn aber auch mit Stolz.

Nicht jeder im Ehrenamt muss Trainer oder Vorstand sein

Rüger zufolge kann man auch beim Rudern noch "spät" ins Ehrenamt einsteigen: Eine Frau im mittleren Alter habe vor zehn Jahren im Verein angefangen und vor kurzem den Trainerschein gemacht. Nun trainiert sie eine Erwachsenengruppe. Er wünscht sich aber auch Leute, die bei kleinen Arbeiten unterstützen. So brauche etwa das Bootshaus Instandhaltung, am Ufer müsse immer wieder gemäht werden.

Während die Jüngeren noch ein wenig mehr Unterstützung beim Einstieg ins Boot brauchen, ziehen die Älteren bereits davon.
Foto: Daniel Peter | Während die Jüngeren noch ein wenig mehr Unterstützung beim Einstieg ins Boot brauchen, ziehen die Älteren bereits davon.

"Letztes Jahr gab es ein schönes Beispiel: Da hat ein Vater gesehen, dass die Kinder, wenn sie vom Wasser kommen, die Boote putzen", erzählt Rüger. Dabei habe es Stau gegeben und die Boote mussten zwischengelagert werden, weil nicht genug Böcke zum Ablegen vorhanden waren. "Dann hat er die Böcke geschweißt, sich um das Holz gekümmert und die Fundamente betoniert", freut sich der Trainer.

Das Putzen der Boote steht auch an diesem Tag an, als sich das Ende der Trainingseinheit gegen 18.30 Uhr nähert. Ein paar der älteren Ruderer kommen gerade von einer größeren Runde zurück. "Ihr wollt überziehen?", ruft Rüger ihnen vom Steg aus zu und wirft einen kritischen Blick auf seine Armbanduhr. "Ja, fahrt noch ein bisschen", sagt er schließlich, ohne lang zu zögern.

 
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