
Der 1. Januar 2025 könnte als Tag der Steuerreformen im Gedächtnis bleiben. Neben der Umsatzsteuer für Kommunen wird ab diesem Tag auch die Neuregelung der Grundsteuer greifen. Die bisherigen Steuerbescheide verlieren ihre Gültigkeit. Alle Steuerpflichtigen müssen auf Basis ihrer Steuererklärung neue Bescheide vom Finanzamt erhalten. Stadtkämmerer Ralf Liebl erklärte dem Finanzausschuss am Dienstag sowie dem Stadtrat am Donnerstag, was die Gesetzesnovelle für die Verwaltung bedeutet.
Die Grundsteuer wird durch einen Hebesatz geregelt, der mit dem jeweiligen Steuermessbetrag multipliziert, die Steuerschuld eines Grundstückseigentümers ergibt. Jede Gemeinde ist nun gefragt, ihre eigenen Hebesätze festzulegen, also beizubehalten oder gegebenenfalls anzupassen, schilderte Liebl. Die Hebesätze blieben seit 2003 unverändert und liegen für die Grundsteuer A (land- und forstwirtschaftliche Flächen) bei 380 Hebesatzpunkten, also 380 Prozent und für die Grundsteuer B (bebaute oder bebaubare Flächen) bei 400 Punkten, also 400 Prozent.
Neue Grundsteuer nach Flächenmodell berechnet
Konkret hat die neue Regelung der Grundsteuer zur Folge, dass das jeweilige Grundvermögen nicht mehr auf Basis des Mietwerts berechnet wird, sondern auf einem Flächenmodell basiert, erklärt Liebl. "Verlierer der Reform sind die mit einem großen, ländlich geprägten Grundstück. Hier wird sich der Grundsteuermessbetrag gegenüber dem alten deutlich anheben. Gewonnen haben vor allem Wohneigentümer in der Stadt mit wenig Fläche drumherum" so der Kämmerer.
Die Reform wird somit zur Folge haben, dass manche mehr und andere weniger zahlen als bisher. Die von der Bundes- und Landespolitik versprochene Aufkommensneutralität bedeute nicht, dass jeder Grundstückseigentümer weiterhin dieselbe Grundsteuer zahlt, sondern dass die Summe der Grundsteuer über die Kommune gesehen gleich bleibt. Eine Absenkung der Hebesätze bedeutet je nach Größenordnung auch nicht, dass die Kommune nach neuem Gesetz nicht trotzdem mehr einnehmen kann als bisher, macht Liebl deutlich.
Kämmerer kann nicht den Job vom Finanzamt machen
2023 machte die Grundsteuer mit etwa zwei Millionen immerhin acht Prozent und somit einen großen Anteil der gesamten kommunalen Einnahmen in Karlstadt aus. Um die Datenlage einschätzen zu können, bedarf es ordentlich ausgefüllter Grundsteuererklärungen. Und da liegt das Problem für Liebl und sein Team. "Ein extrem hoher Anteil der übermittelten Datensätze ist fehlerhaft, teilweise sind sie gar nicht verarbeitbar", sagt er und bezeichnet die Datenlage derzeit als "nicht akzeptabel".
Die Fehler in den Erklärungen sind verschiedener Natur. Es gebe jede Menge falsch ausgefüllter Bescheide, Widersprüche und bei manchen Angaben würden grobe Schätzungen gemacht. Beispielsweise würden Flurnummern falsch angegeben oder Grundsteuer A mit Grundsteuer B verwechselt, so der Kämmerer.
Steuersoftwares wie Elster führen keine sachliche Prüfung durch. Den Kommunen bliebe nichts Anderes übrig als die Steuerbescheide auf Basis der vorhandenen Datenlage, also der Messbescheide vom Finanzamt, zu erstellen – ob fehlerhaft oder nicht. "Wir haben erst 280 Sachverhalte in zwei Wochen klären können, aber dann beschlossen, dass das nicht funktioniert. Wir bräuchten ein ganzes Heer an Sachbearbeitern, um den Job vom Finanzamt zu machen", beschreibt Liebl die Situation.
Bei Grundsteuer A fehlen über 20 Prozent der Messbeträge
Dieses Problem besteht nicht nur in Karlstadt. Liebl weiß aus Gesprächen mit anderen Finanzverwaltungen, dass es allen Kommunen vor den nächsten Wochen graut. "Wir werden den Ärger abkriegen, der Steuerzahler kann das nicht differenzieren. Wir können nur daran appellieren, sich bei inhaltlichen oder sachlichen Beschwerden nicht an uns, sondern an das Finanzamt zu wenden" bittet Liebl.
Wie aber nun mit den Hebesätzen verfahren? Abgesehen von den vielen fehlerhaften Datensätzen gebe es auch noch etliche, die bislang fehlen und von denen unklar ist, ob sie bis Ende des Jahres noch eingehen. Die aktuelle Rücklaufquote in Karlstadt liegt bei der Grundsteuer A aktuell bei 78 Prozent und bei der für die Gemeinde deutlich lukrativeren Grundsteuer B bei 88 Prozent.
400.000 Euro mehr wären das Ziel
Liebl veranschaulichte dem Ausschuss sowie dem Stadtrat mehrere Szenarien, die zeigten, mit welchem Hebesatz man unter der Bedingung verschiedener Datenlagen vergleichbare Einnahmen erzielen könnte wie im Vorjahr. Gewiss ist bei diesen Berechnungen also nichts. Der Kämmerer warnte aufgrund der unsicheren Datenlage und dem Wunsch nach einem stabilen Haushalt davor, den neuen Hebesatz zu niedrig anzusetzen. "Wenn wir bei der Grundsteuer B die 400 Hebesatzpunkte beibehalten, kommen wir bei 2,25 Millionen raus, das sind etwa 400.000 Euro mehr als 2023",
"Den Leuten mehr Geld abzuknöpfen ist natürlich unpopulär, aber auf der anderen Seite reichen die 400.000 Euro mehr gerade einmal aus, um unser Straßenausbaubeitragsdefizit auszugleichen", meinte Eugen Köhler (CSU) und plädierte gegen eine Senkung der Hebesätze. Auch Gunter Müller von den Freien Wählern tendierte dazu, sie so zu belassen und meint, dass die "Kohle" ja irgendwo herkommen müsse. Horst Wittstadt (Grüne) war derselben Meinung. Liebl wies zudem darauf hin, dass man mit den Hebesätzen in den Folgejahren wieder zurückgehen könne, sobald die Daten mehr Klarheit versprechen.
Grundsteuer B wird jetzt doch abgesenkt
Am Dienstag im Finanzausschuss lautete der Tenor somit, beide Hebesätze unverändert beizubehalten. Bis zur Stadtratssitzung am Donnerstag wurden die Karten dann neu gemischt. Dort wurde plötzlich wie selbstverständlich und ohne Rückfragen aus dem Gremium beschlossen, den Hebesatz der Grundsteuer A, wie im Ausschuss angedeutet, bei 380 Punkten zu halten, den der Grundsteuer B jedoch von 400 auf 350 Punkte zu senken.
"Wir stochern alle im Nebel", sagte Uli Heck, der geschäftsleitende Beamte der Stadt Karlstadt, auf telefonische Nachfrage dieser Redaktion. Tatsächlich habe der Städtetag zwischen den Sitzungen am Dienstag und Donnerstag nochmal neue Informationen zur Datenlage bei der Grundsteuer B geliefert, verrät Heck. Daher wurde kurzfristig entschieden, den zweiten Hebesatz nun doch um 50 Punkte zu senken. Die 350 Punkte sollen ausreichen, das im Idealfall errechnete Plus von 400.000 Euro gegenüber 2023 zusammenzubekommen.
Diese Grundsteuermessbescheide vom Finanzamt sind Grundlagenbescheide im Sinne der Abgabenordnung und können somit von der Stadt Karlstadt nicht mehr geändert werden.
Auch hat man/frau als Grundstückseigentümer keine Einspruchsmöglichkeit gegen den Grundsteuerbescheid der Stadt Karlstadt als Folgebescheid.
Nur gegen den den Grundsteuermeßbetragsbescheid vom Finanzamt waren Rechtsmittel möglich.
Oder habe ich da in meiner Ausbildung was falsches gelernt?