
Nours Diab sitzt am Esstisch der Familie Lehnleidner, vor ihm steht eine Tasse Tee. Das Gespräch mit Elisabeth Patzelt und Paula und Bruno Lehnleidner ist herzlich, es wird viel gelacht. Seit 2015 kümmern sich die beiden Frauen in ihrem Heimatort Roden um Geflüchtete, seit Dezember 2021 auch um Diab und seine Familie.
Vor allem bei der Wohnungssuche haben sie die syrische Familie stark unterstützt. Und waren am Ende auch erfolgreich: Diab hat eine Wohnung in dem sozialen Wohnungsbau "An den Birken" in Marktheidenfeld gefunden. Doch angesichts der langen Suche sagt Paula Lehnleidner: "Ohne die Hilfe von Deutschen ist es für Flüchtlinge fast unmöglich, eine eigene Wohnung zu finden."
Sechs Monate war Nours Diab nach der Flucht aus seiner Heimatstadt im Osten von Syrien unterwegs. Im Januar 2020 ist er nach Deutschland eingereist. Eineinhalb Jahre später konnten seine Frau und seine zwei Söhne nachkommen, um sich vor dem Bürgerkrieg in Syrien in Sicherheit zu bringen. Seit Dezember 2021 wohnt die Familie in einem 30-Quadratmeter-Zimmer in einer dezentralen Unterkunft in Roden. Seit drei Monaten sind sie sogar zu fünft, da sie noch einmal Nachwuchs bekommen haben.
Fünfköpfige Familie lebt in Roden auf 30 Quadratmetern
Vier Nationen leben in der Unterkunft des Landratsamtes unter einem Dach: Neben der syrischen Familie wohnen dort Geflüchtete aus der Elfenbeinküste, der Ukraine und Somalia. 13 Menschen teilen sich die Gemeinschaftsräume, ein Bad, eine Küche. Diab ist der einzige, der morgens früh rausmuss, da er bei der Firma Fenster-Paul in Marktheidenfeld arbeitet. Damit er nachts einigermaßen gut schlafen kann, hat die Familie seit einiger Zeit zusätzlich ein kleines Zimmer bekommen. "Es sind trotzdem Zustände, bei denen man Abhilfe schaffen muss", sagt Bruno Lehnleidner. Das Haus sei alt, das Klo immer wieder verstopft, das Zimmer zu klein.

Dass sich Patzelt und Lehnleidner überhaupt noch um die Bewohner der Unterkunft in Roden kümmern, war eigentlich gar nicht geplant. Als 2015/16 die ersten Flüchtlinge in den Ort kamen, haben sie sich sehr engagiert und viele Hilfsaktionen auf die Beine gestellt. "Dann wollten wir eigentlich nichts mehr machen, man wird ja auch nicht jünger", sagt Paula Lehnleider.
Doch dann habe sie Diabs Sohn kennengelernt. "Ich habe noch nie so ein trauriges Kind gesehen, das hat mir das Herz gebrochen", erinnert sich die ehemalige Erzieherin. Deshalb hat sie sich entschlossen, sich speziell um die Kinder in der Unterkunft zu kümmern. So habe sich nach und nach die Beziehung zu Diabs Familie entwickelt.
Erst die Zusage, dann der Wasserschaden
Anfang Dezember 2022 haben die beiden Frauen begonnen, für Diabs Familie eine Wohnung zu suchen und vor allem in Roden viele Leute angesprochen, die freien Wohnraum hatten. Doch die Antwort sei immer gleich gewesen: "Wir vermieten nicht." Alle möglichen Kontakte haben sie angezapft, ohne Erfolg. Auch beim Heimstättenwerk in Marktheidenfeld haben sie es probiert, doch dort lag die Wartezeit bei mindestens zwei Jahren.
Schließlich haben sie im Marktheidenfelder Mitteilungsblatt eine Anzeige gesehen, in der die neuen städtischen Sozialwohnungen "An den Birken" beworben wurden. "Ich habe mich dann auf diese Wohnung eingeschossen und gesagt: 'Das muss klappen'", erinnert sich Elisabeth Patzelt. Im April dieses Jahres haben Diab und seine Frau die Wohnung besichtigt, seine Chefin hat ihm für die Bewerbung sogar ein Empfehlungsschreiben ausgestellt. "Nours und seine Familie sind sehr geduldig", sagt Paula Lehnleidner. Doch die Unsicherheit in der Zeit bis zur Zusage sei für alle schwer zu ertragen gewesen.
Mitte Mai kam dann sie dann, die Zusage für die Wohnung, und die Freude darüber war groß. Doch schon einige Tage später musste die Stadt zurückrudern. "Es kam ein Schreiben, dass wir unsere alte Wohnung nicht kündigen sollen, da in der neuen Wohnung ein Wasserschaden aufgetreten ist", erzählt Diab. In der Zwischenzeit hatte er aber schon eine Küche gekauft – die lagert jetzt in der Scheune von Familie Lehnleidner.
"Fehlbeleger" müssen für die staatlichen Unterkünften zahlen
Die Wartezeit ist für die Familie nicht nur deshalb ein Problem, weil sie in der Unterkunft in Roden so wenig Platz hat. Da Diab und seine Familie als Geflüchtete offiziell anerkannt sind, werden sie vom Landratsamt als "Fehlbeleger" in der Unterkunft eingestuft. Denn sind Geflüchtete anerkannt, sollen sie so schnell wie möglich eine eigene Wohnung finden und nicht mehr in den staatlichen Unterkünften leben.
Um den Druck zu erhöhen, müssen "Fehlbeleger" Unterbringungskosten zahlen. Und das ist in dem Fall nicht wenig: Rund 500 Euro hätte Diab für das kleine 30-Quadratmeter-Zimmer zahlen sollen. Schließlich habe man sich mit dem Landratsamt aber auf eine etwas geringere Summe geeinigt, erzählen die Betreuerinnen.
Dass es jetzt mit der Wohnung überhaupt geklappt habe, sei vor allem Glück gewesen. "Wir waren zwar früh dran mit der Bewerbung", sagt Patzelt. Aber letztlich habe es bei vielen anderen, die auch dringend eine Wohnung bräuchten, nicht geklappt. Wann genau die Familie von Roden nach Marktheidenfeld umziehen kann, ist noch unklar – wenn es gut läuft, Anfang des neuen Jahres. Doch dass die Diabs bald in Marktheidenfeld wohnen, ist für alle eine große Erleichterung und soll gefeiert werden: "Wenn wir eingezogen sind, machen wir auf jeden Fall eine Einweihungsparty für Paula und Elisabeth", sagt Diab.