
Vor 100 Jahren wurde die gemeinnützige Baugenossenschaft Heimstättenwerk in Marktheidenfeld gegründet. Wie damals hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, günstigen Wohnraum anzubieten. Wie das Prinzip des genossenschaftlichen Wohnens funktioniert, welche Vorteile das für Mieterinnen und Mieter hat und wie man dem steigenden Bedarf nach Wohnungen entgegenwirken will, erläutern Geschäftsführer Bernd Koch und Mitarbeiterin Nadine Hock im Gespräch. Sie beantworten die wichtigsten Fragen zum Heimstättenwerk.
Welche Vorteile hat das Wohnen bei einer Baugenossenschaft für Mieterinnen und Mieter?
Solange es keine Kündigungsgründe gibt, können Mietverhältnisse auf Lebzeit abgeschlossen werden, erklärt Hock. Mieterinnen und Mieter müssten sich keine Gedanken wegen Eigenbedarfskündigung machen, da es solche in Baugenossenschaften nicht gibt. Kündigungsgründe sind – wie auch bei anderen Mietverhältnissen – beispielsweise mehrere Monate Mietrückstand, Randale oder Gewalt gegenüber anderen Mietern.
Welche Pflichten haben die Mieterinnen und Mieter?
Die Pflichten ergeben sich wie bei jedem Mietverhältnis aus dem Mietvertrag. Dazu gehörte es zum Beispiel, die Miete pünktlich zu zahlen und die Hausordnung einzuhalten.
Wie komme ich an eine Wohnung des Heimstättenwerks Marktheidenfeld?
Wohnungssuchende müssen zunächst ein Formular ausfüllen. Darin müssen sie zum Beispiel angeben, wie viele Zimmer sie brauchen und wie hoch die Miete sein darf. "Es gibt leider keine Garantie, auch tatsächlich eine Wohnung bei uns zu erhalten", sagt Hock. Das Interesse sei sehr hoch. Es gebe Minimum 30 Mal so viele Bewerbungen wie Wohnungen.

Muss ich Voraussetzungen erfüllen, um eine Wohnung vom Heimstättenwerk mieten zu können?
Wer eine Wohnung des Heimstättenwerks mietet, muss Mitglied werden und zehn Anteile zu je 55 Euro an der Genossenschaft erwerben. Eine zusätzliche Mietkaution fällt nicht an. Die Genossenschaftsanteile können gekündigt werden, wenn man aus einer Heimstättenwerk-Wohnung wieder auszieht. Sie werden zurückgezahlt. Man könne auch Mitglied werden, ohne eine Wohnung zu mieten, erklärt Koch. Finanzielle Vorteile habe man davon jedoch nicht.
Was ist zu beachten, wenn ein Genossenschaftsmitglied kündigen möchte?
Eine Kündigung muss immer schriftlich erfolgen. Der Vorstand beschließt das Ausscheiden eines Genossenschaftsmitglieds. Dieses muss den Beschluss gegenzeichnen.
Was passiert, wenn ein Genossenschaftsmitglied stirbt?
Stirbt jemand, scheidet er automatisch zum Jahresende aus der Genossenschaft aus. Die Anteile können von den Erben zurückgegeben werden oder die Erben werden als neues Mitglied aufgenommen. Sie haben jedoch keinen Anspruch darauf, die Wohnung zu übernehmen.
Für wen sind die Wohnungen eher weniger geeignet? Wem raten Sie von einer Bewerbung ab?
Der Großteil der Wohnungen ist nicht barrierefrei, weil das bei deren Bau kein Standard war, sagt Koch. In den Häusern, die jetzt gebaut werden, werden in der Regel auch immer Aufzüge installiert.

Darf man Haustiere mitbringen?
Kleintiere, darunter auch Katzen, die ausschließlich in der Wohnung leben, sind erlaubt. Hunde sind jedoch nicht gestattet.
Wie groß sind die Wohnung des Heimstättenwerks?
Überwiegend gehören dem Heimstättenwerk Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen. Die meisten sind zwischen 35 und 120 Quadratmeter groß.
Wie ist der Stand Ihrer Mietwohnungen, was die energetische Sanierung angeht?
"Das kann man nicht pauschal sagen", so Koch. Ein Teil der Häuser, zum Beispiel die in der Gradlstraße, seien komplett energetisch saniert. "Wir können jedes Jahr leider nur ein bis zwei Häuser sanieren", so Koch. Derzeit seien noch etwa 30 Häuser im ursprünglichen Zustand. "Häufig stellt sich die Frage, ob eine Sanierung überhaupt sinnvoll ist oder es besser ist, ein neues Haus zu bauen."

Wie hat sich das Heimstättenwerk Marktheidenfeld seit der Gründung 1924 an die sich wandelnden Bedürfnisse der Mieter angepasst?
An einige der Wohnungen wurden Balkonen angebaut. Die in der Schlesienstraße 1 und 1a haben zum Beispiel im Zuge der Sanierung 2019 alle Balkone erhalten. Es werden Stellplätze für Fahrräder geschaffen und statt mit Holzkohleöfen zu heizen, wurde auf Gaszentralheizungen oder Gasthermen umgerüstet.
Wer entscheidet, ob saniert oder neu gekauft wird?
Diese Entscheidungen trifft der Vorstand und wird dabei vom Aufsichtsrat beraten. Finanziert werden Investitionen über Bankdarlehen und Mieteinnahmen.
Wie setzt sich der Aufsichtsrat zusammen?
Dem Aufsichtsrat des Heimstättenwerks gehören politische Vertreter ebenso an wie solche von Banken und der Immobilienbranche. Den Vorsitz führt Stefanie Schwab von der Raiffeisenbank Main-Spessart. Weitere Mitglieder sind die Bürgermeister von Marktheidenfeld und Kreuzwertheim, Thomas Stamm und Klaus Thoma, sowie Andreas Burk (Bauamtsleiter bei der Stadt Marktheidenfeld), Michael Streitenberger (Firmenkundenberater bei der Sparkasse Mainfranken Würzburg) und Werner Thamm (Immobilienvermittler Bausparkasse LBS).
Das Heimstättenwerk wurde 1924 in einer Zeit mit großer Wohnungsnot gegründet. War die Situation vergleichbar mit der heute?
"Das ist schwer zu sagen", so Hock, "seinerzeit mussten erst einmal Wohnungen geschaffen werden". Heute sei sowohl das Heimstättenwerk als auch die Stadt bestandsmäßig besser aufgestellt. Wohnungen würden dennoch fehlen.

Wie gelingt es Ihnen, auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum anzubieten?
Hock erklärt: "Unsere Wohnungen sind im städtischen Durchschnitt günstiger." Das solle beibehalten werden. Mithilfe des sozialen Wohnungsbaus soll Wohnraum für Geringverdiener geschaffen werden. "Wir bauen selbst und vermieten die Wohnungen. Häuser oder Eigentumswohnugen bauen und verkaufen wir nicht mehr", sagt Hock.
Prominentes Beispiel Ihres Bestands sind die Gebäude am Adenauerplatz. Das Ladenlokal, in dem zuletzt das Hotvolee war, steht leer. Wie geht es dort weiter?
Gerade hat eine neue Mieterin einen Vertrag mit dem Heimstättenwerk unterzeichnet, sagt Hock. Diese mietet das Ladenlokal ab März und will dort einen "Balkangrill" betreiben.