
Hinter den Kulissen der Montessori Schule Main-Spessart (Momas) im Lohrer Stadtteil Wombach hallt das zu Ende gegangene Schuljahr weiter nach. Vor wenigen Wochen war publik geworden, dass es an der 2021 gestarteten Privatschule phasenweise größere Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung eines geordneten Schulbetriebs gegeben hatte.
Nicole Scherg hatte dies als Vertreterin des Trägervereins gegenüber der Redaktion im Kern bestätigt. Sie sagte jedoch auch, dass die aus größeren Personalausfällen resultierenden Probleme überwunden seien. Mit neuer Personalausstattung und zusätzlichen Schülern wolle die bislang das Grundschulalter abdeckende Schule durchstarten und perspektivisch eine Sekundarstufe für die Klassen fünf bis zehn aufbauen, so die Aussage.
Die Redaktion erhielt etliche Rückmeldungen aus dem Kreis der Schulfamilie. Tenor: Die Abläufe an der Schule würden von den Verantwortlichen beschönigt, Missstände unter den Teppich gekehrt. Die Liste teils drastischer Schilderungen von spürbar enttäuschten und verärgerten Eltern ist lang. Ihre Vorwürfe richten sich gegen den Vorstand des Trägervereins. Dieser habe sich eine Schule nach eigener Vorstellung gebastelt, die mit Montessori kaum etwas zu tun habe. "Diese Schule ist eine Falle", sagt ein Elternteil.
Vorstand spricht von "Hetze"
Der Vereinsvorstand weist in Person von Monika Rosenkranz auf Anfrage der Redaktion alle Vorwürfe pauschal zurück. Rosenkranz spricht von "Hetze". Nachfragen zu Details und konkreten Abläufen lässt der Vorstand des Trägervereins jedoch unbeantwortet.
Andere Mitglieder der Schulfamilie hingegen suchten von sich aus das Gespräch mit der Redaktion. Dass sie namentlich nicht genannt werden wollen, hat einen Grund: Der Trägerverein hat nach Erscheinen des ersten Artikels über die Turbulenzen an der Schule Briefe verschickt. Darin wurden Eltern und wohl auch ehemaligen Mitarbeitenden rechtliche Schritte für den Fall angedroht, dass sie gegen ihre in Arbeits- beziehungsweise Schulvertrag definierte Verschwiegenheitspflicht verstoßen und Internas zum Schulbetrieb ausplaudern.
Doch noch ein anderer Aspekt treibt manche Eltern um: Es geht um Bürgschaften. Diese hatten manche vor der Schulgründung abgegeben, um dem Trägerverein die Kreditaufnahme für den Schulstart zu ermöglichen. Die Bürgschaften könnten fällig werden, wenn der Kredit nicht mehr bedient werden könnte, beispielsweise, weil der Schule die Schüler davonlaufen. "Eigentlich müssen wir aus finanziellen Gründen der Schule nur das Beste wünschen", sagt ein Elternteil. Auf der anderen Seite sehe man sich in der Pflicht, Eltern, die ihr Kind an der Schule anmelden wollen, dazu zu bewegen, sich genau zu informieren.
Vorwürfe der Eltern: Chaos und Strukturlosigkeit hätten geherrscht
An der Schule habe "totales Chaos" und Strukturlosigkeit geherrscht, so die Schilderungen. Die Rede ist von Mobbing unter Schülern, einer "brutalen Lautstärke", von Gewaltausbrüchen und teils fehlender Aufsicht. An einem Tag im März, die Rede ist vom "Chaostag", sei die Lage in der Schule derart aus dem Ruder gelaufen, dass die Eltern eilends aufgefordert wurden, ihre teils in Tränen aufgelösten Kinder schnellstmöglich abzuholen. "Wir hatten Angst um unser Kind. So stelle ich mir eine Problemschule vor", fasst ein Elternteil zusammen.
Wegen der Zustände seien im Laufe des vergangenen Schuljahres deutlich mehr Schüler von der Schule abgemeldet worden als vom Vorstand des Trägervereins genannt, schildern mehrere Quellen. Während Vorstandssprecherin Nicole Scherg gegenüber der Redaktion vor einigen Wochen von drei Abmeldungen gesprochen hatte, nannten mehrere Mitglieder der Schulfamilie die Zahl zehn. Das wäre fast ein Drittel der zuletzt gut 30 Schüler an der Momas.
Abläufe werden dem Montessori-Konzept nicht gerecht
Struktur und Abläufe an der Schule würden dem Titel "Montessori" nicht gerecht, lautet der Kern-Vorwurf. Montessori bedeute, dass die Kinder strukturiert angeleitet würden, selbstbestimmt zu lernen. Es gehe auch um Themen wie Achtsamkeit oder gewaltfreie Kommunikation. All das spiegle sich durchaus im niedergeschriebenen Konzept der Wombacher Schule wieder – aber nicht in deren Alltag, so die Aussage.
Stattdessen habe der Vorstand des Trägervereins nach eigenem Gusto durch regelmäßiges Eingreifen in die Arbeit des pädagogischen Teams eine Schule weitgehend ohne Regeln und Ordnung geschaffen. Immer dann, wenn durchaus bemühtes und qualifiziertes Lehrpersonal versucht habe, Regeln durchzusetzen, sei von oben herunter dazwischen gegrätscht worden, so die mehrfache Schilderung. Von der im Konzept propagierten Soziokratie, also der Mitbestimmung aller, könne keine Rede sein.
Burnouts bei Mitarbeitern
Als Folge der Spannungen im Schulteam hätten mehrere Mitarbeitende Burnouts erlitten. Diese seien auch Ursache für die Personalnot gewesen. Dass die Schule in drei Jahren drei Schulleiterinnen gehabt habe, belege die Probleme. Von den ehemals sieben bis acht Mitarbeitenden sei heute nur noch eine an Bord, etliche hätten gekündigt, so die Aussagen.
Die größten Leidtragenden seien jedoch die Schülerinnen und Schüler. Eltern sprechen davon, dass ihr Kind Schulangst entwickelt habe oder "aggressiv" geworden sei. Auch der Lernfortschritt sei bescheiden gewesen. Die Rede ist von Kindern, die noch nach zwei Jahren weder lesen noch schreiben konnten. Die meisten derjenigen, die von der Momas an eine andere Schulen wechselten, müssten dort eine Klasse wiederholen, sagen Eltern.
Schulamt in der Pflicht?
Mehrere von ihnen erheben auch Vorwürfe gegen das Staatliche Schulamt. Dieses sei seiner Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden. Trotz deutlicher Hinweise aus der Elternschaft und auch in Kenntnis etwa der Eskalation am "Chaostag" sei kein ernsthaftes Eingreifen erkennbar gewesen. Stattdessen, so der Vorwurf, habe sich Schulamtsleiterin Karin Auth auf Nachfrage im jüngsten Presseartikel zu dem Thema recht positiv über die Schule geäußert.
Eine neuerliche Anfrage beim Schulamt beantwortete nun gebündelt die nächsthöhere Instanz: die Regierung von Unterfranken. Auch an diese Behörde, die den Schulbetrieb der Momas einst genehmigt hatte und nun mit staatlichen Mitteln unterstützt, hatte sich die Redaktion mit verschiedenen Fragen gewandt.

Aus Würzburg heißt es jetzt, dass das Schulamt der Montessori-Schule Unterrichtsbesuche abgestattet habe. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Elternbeschwerden im März 2024 habe das Schulamt die Schule "mehrfach beratend und in Abstimmung mit der Regierung von Unterfranken besucht".
Es habe einen engen Austausch mit dem Vorstand des Trägervereins und dem Personal gegeben. "Im Fokus dieses Austausches standen Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Schulleitung und Eltern sowie Coaching-Maßnahmen für Lehrkräfte", so Alexander Warkotsch, Pressesprecher der Regierung, in seiner schriftlichen Stellungnahme. Inhaltlich sei es beispielsweise um das "Erstellen von Notfallplänen zur Abfederung von Personalmangelsituationen" gegangen.
Vier Beschwerden
Die von Eltern kritisierten Aussagen der Schulamtsleiterin hätten sich ausschließlich auf die Phase der großen Personalnot bezogen, die zur Zeit einer Grippewelle auch an anderen Schulen geherrscht habe. Über die Zustände an der Schule habe es drei Beschwerden beim Schulamt und eine bei der Regierung gegeben, so Warkotsch. Dabei sei es beispielsweise um die Eskalation an jenem Chaostag gegangen, aber auch um "unterschiedliche Auffassungen und Fragen der Montessori-Pädagogik".
Mit Blick auf Aussagen einiger der pro Monat gut 250 Euro Schulgeld zahlenden Eltern, wonach ihre Kinder an der Schule kaum etwas gelernt hätten, erklärt die Regierung: "Regelmäßige Kontrollen des Lernfortschritts würden der Besonderheiten der Montessori-Pädagogik und der ihr eigenen großen Spannbreite individueller Lernfortschritte nicht gerecht." Maßgeblich für eine Beurteilung sei der Bildungserfolg am Ende der Grundschulzeit. Bis dahin müssten auch an einer Montessori-Schule die im Lehrplan definierten Lehrziele in allen Fächern erfüllt werden, um einen Übertritt an öffentliche Schulen zu ermöglichen.
Zu Kindern, die bislang von der Montessori-Schule an Regelschulen gewechselt seien, lägen der Regierung keine Kenntnisse zu "nennenswerten Schwierigkeiten" vor, heißt es weiter. Oftmals benötigten solche Kinder Zeit, um sich an den anders strukturierten Unterricht zu gewöhnen. "Nach dieser Phase kommen sie in der Regel gut zurecht", so Warkotsch. Tatsächlich gibt es aus Elternkreisen Aussagen, wonach bei ehemaligen Montessori-Schülern nach dem Wechsel an eine Regelschule binnen kurzer Zeit ein enormer Lernschub zu beobachten gewesen sei.
Turbulenzen bekannt
Dass Eltern mit ihren Kindern einer Montessori-Schule in der Gründungsphase den Rücken kehren, bezeichnet Monika Ullman als nicht ungewöhnlich. Sie ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des bayerischen Montessori-Landesverbandes und sagt, über die Probleme an der Lohrer Schule im Bilde zu sein. "Starke Turbulenzen" gebe es an neu gegründeten Schulen häufig. Sie sei mehrfach vor Ort gewesen, so Ullmann, habe Coachings durchgeführt, jedoch nicht mit Kritik übenden Eltern gesprochen.
Zu den Aussagen, wonach an der Lohrer Schule gar keine Montessori-Pädagogik praktiziert werde, sondern ein ziemlich wilder freier Betrieb, sagt Ullmann, dass der Begriff Montessori in Deutschland nicht geschützt sei und verschieden interpretiert werde. Es gebe jedoch einen bundesweit definierten Qualitätsrahmen der Montessori-Verbände. "Da möchte Lohr so schnell wie möglich rein", so Ullmann über die Momas.
Die Verantwortlichen des Momas-Trägervereins habe sie als "sehr verantwortungsbewusst" erlebt, schildert Ullmann. Von Beginn der Schulgründung an habe es immer wieder Austausch mit dem Landesverband gegeben. Wenn es nun an der Schule zu Eskalationen gekommen sei, handele es sich um Ausnahmen. Dass es solche Probleme geben könne, liege daran, dass dort Menschen arbeiteten, "die sich erst noch eingrooven müssen", ebenso wie die Schule insgesamt.
Neue Leiterin hat schon "große Stürme durchlebt"
Seit wenigen Wochen hat die Montessori-Schule eine neue Leiterin, Brigitte Wagner. Über sie sagt Ullmann, dass sie schon "große Stürme durchlebt" habe und nun im Wombach das Ruder in der Hand halte. Eine der ersten Amtshandlungen Wagners war ein Schreiben an die Eltern.
Darin wird unter anderem darauf hingewiesen, dass Stille eine wichtige Grundlage für vertieftes Arbeiten sei. Es folgen Appelle wie die, daheim auf die Lautstärke des Kindes zu achten, sich von diesem nicht unterbrechen zu lassen und dem Kind zu helfen, Ordnung zu halten.
Auswirken könnten sich solche Appelle dann im neuen Schuljahr. In das startet die Momas laut Vorstandsmitglied Monika Rosenkranz mit 46 Kindern. Noch vor einigen Wochen hieß es, dass es eine Warteliste gebe. Zuletzt jedoch warb die Schule auf ihrer Internetseite um Erstklässler und "Quereinsteiger" für noch freie Plätze.
Mit Blick nach vorne sagt Rosenkranz, dass man hoffnungsfroh auf das kommende Schuljahr blicke und sich auf die neuen Kinder freue.