
Bernd Rützel hat Spaß an seinem Beruf. Das ist nicht nur ein Eindruck, der beim persönlichen Gespräch mit dem Gemündener (Lkr. Main-Spessart) in seinem Wahlkreisbüro am Fuße der Scherenburg entsteht – der Abgeordnete gibt dies in seiner direkten Art auch unumwunden zu. Besonders soziale Themen sind es, die den SPD-Mann umtreiben und für die er sich auch die nächsten vier Jahre im Bund "wahnsinnig intensiv und mit Herzblut" einsetzen möchte, wie er betont.
Auch in seiner dritten Legislaturperiode als Abgeordneter hatte der 56-Jährige besonders in Sachen Rente noch einiges vor, was nach dem Ausscheiden der FDP aus der Regierungskoalition nun warten muss. "Das grämt mich schon, aber ich bleibe dran", sagt Rützel mit Blick auf die ursprünglich geplante Rentenreform. Bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens möchte die SPD die Rente stabilisieren und damit ein Absinken des Rentenniveaus verhindern – ein Knackpunkt beim Bruch der Ampelkoalition.
Mitverantwortlich für 180 Milliarden Euro Bundesbudget

"Das hat die FDP uns jetzt vor den Latz geknallt", kommentiert Rützel trocken das vorläufige Aus für die Gesetzesinitiative, an deren Erarbeitung er als Vorsitzender des Ausschusses Arbeit und Soziales federführend beteiligt war. Ein Amt, das er seit dieser Legislaturperiode innehat und für das sich der gelernte Maschinenschlosser nach acht Jahren in Berlin deutlich umstellen musste. "Das ist nochmal viel, viel intensiver von der Arbeitsbelastung. Ich bin oft um sieben Uhr im Büro und gehe um 22 Uhr raus."
Ein Arbeitspensum, die für einen ehemaligen Betriebsrat paradox anmutet, Rützel aber erfüllt. "Das macht mir Spaß, weil ich was managen, was bewirken kann." Etwa 180 Milliarden Euro und damit 38 Prozent des gesamten Bundeshaushalts hat der Ausschuss in der Verantwortung. Die Arbeit darin beschreibt Rützel als die Grundlage für das, was in den öffentlichen Parlamentssitzungen passiert. "Was nicht im Ausschuss diskutiert wurde, kommt auch nicht ins Parlament und was dort 30 Minuten besprochen wird, haben wir vorher vielleicht 30 Stunden besprochen."
Ohne die Unterstützung der Familie geht nichts
Dass im 15-Stunden-Arbeitsalltag sein Hobby Schwimmen auf der Strecke bleibt – geschenkt. Als Ausgleich für das viele Sitzen müssen zwischen den Arbeitswegen in der Hauptstadt Treppen und Fahrrad herhalten. Wichtiger ist Rützel, der alleine für die regulären Sitzungswochen 22 Wochen im Jahr in Berlin verbringt, dass unter seiner Tätigkeit nicht die familiären Bande leiden. "Ohne einen starken Familienzusammenhalt könnte ich das gar nicht machen. Ich werde einfach getragen durch meine Familie und die Unterstützung meiner Frau."
Seit 31 Jahren sind der gebürtige Rienecker und seine Frau Edith mittlerweile verheiratet, die beiden Kinder im Laufe seiner elf Jahre als Abgeordneter erwachsen geworden. Dass der Ehemann und Vater beruflich viel unterwegs ist, kennt die Familie aus seiner Zeit als Eisenbahner. Stationen in Karlsruhe, München und Köln, aber auch näher gelegene Dienstorte wie Frankfurt und Nürnberg verschlangen pro Woche alleine 25 Stunden reiner Pendelzeit. "Wenn es damals Homeoffice gegeben hätte, was wäre das für ein Segen gewesen für die Familie und einen selber", betont Rützel.
Politische Erfolge: Erhöhung des Mindestlohns und Einwanderungsgesetz

Arbeitnehmerfreundlich präsentiert sich auch eine Gesetzesänderung, die Rützel als einen der größten Erfolge seiner Arbeit der letzten drei Jahre bezeichnet: die außerplanmäßige Erhöhung des Mindestlohns von 10,45 auf 12 Euro. "Das hilft sechs Millionen Menschen, die einen wichtigen Job machen."
Besonders stolz sei Rützel auf das Einwanderungsgesetz. Ein für ihn wichtiger Schritt zu besserer Integration, denn die sei nur möglich, wenn man Zuwanderer auch in den Arbeitsmarkt integriere. Der sei wiederum auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, um wachsen zu können, betont Rützel. Der Knackpunkt des neuen Gesetzes: Den Menschen werde die Perspektive aufgezeigt, dass sie nach fünf Jahren Arbeit auch den deutschen Pass beantragen können.
Rützel meint, die Ampel hat geliefert
Zwei von zahlreichen Plänen, die die Regierungskoalition vor ihrem Bruch Anfang November umgesetzt hat. Die landläufig sehr negative Einschätzung vieler Bürgerinnen und Bürger, dass in der Ampel außer Streit nicht viel gelaufen ist, hält Rützel deshalb für falsch. Er verweist auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die der Ampel-Regierung bereits zur Halbzeit der Legislaturperiode eine hohe Quote an umgesetzten oder zumindest angepackten Koalitionsvorhaben bescheinigte.
Um die Bundespolitik auch künftig aktiv mitgestalten zu können, hofft Rützel, der neben seiner Direktkandidatur für den Wahlkreis Main-Spessart auf Platz neun der bayerischen SPD-Landesliste antritt, auf einen erneuten Einzug in den Bundestag. Dass die SPD auch Teil der kommenden Regierung sein wird, steht für den Genossen außer Frage.