Umgeben von einer Handvoll Kollegen führt ein Bahn-Techniker am Bahnsteig 2 in Obersinn am Mittwochnachmittag letzte Messungen durch. Noch stehen dort ein paar rot-weiß gemusterte Absperrzäune, aber der Techniker zeigt sich zuversichtlich: "Wir wollen diesen Monat fertig werden." Lediglich die Elektriker hätten noch zu tun und die Geländer am Bahnsteig und vor den Lichtmasten würden später nachgeliefert, "sonst sind wir eigentlich durch".
Freudige Nachrichten für Obersinns Bürgermeisterin Lioba Zieres (Freie Wählergemeinschaft), die den 2,8 Millionen Euro teuren barrierefreien Ausbau der beiden Obersinner Bahnsteige genau mitverfolgt und sich dabei stets gut informiert gefühlt hat: "Ich war die ganze Zeit gut eingebunden und bin zufrieden mit dem Ablauf – zufrieden für Obersinn." Blickt Zieres jedoch auf die nächsten beiden Bahnhaltestellen in Mittelsinn und Burgsinn, warten dort 25 beziehungsweise 44 Stufen auf die Bahnreisenden.
Besonders die Situation in Burgsinn empfindet die Bürgermeisterin als problematisch. "Nach Burgsinn müssen ja viele zum Arzt oder zur VG. Wir kriegen jetzt ausgebaut und dann steht der Rollatorfahrer in Burgsinn vor der Treppe. Das macht keinen Sinn", ärgert sie sich.
Kein priorisierter Umbau trotz geplanter Streckensperrung
Ein Ärger, der nicht neu ist. Bereits seit Jahren bemühen sich die Sinngrundgemeinden mit politischer Unterstützung darum, für die den Bahnhof von Burgsinn, dem Sitz der Verwaltungsgemeinschaft, eine barrierefreie Lösung zu finden. Besonders für den SPD-Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel ist dies eine Herzensangelegenheit. Elf Runde Tische habe er zu dem Thema bereits veranstaltet und beigewohnt, regelmäßig darüber mit hohen Bahnfunktionären und selbst dem damaligen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gesprochen – "Aber keine Chance".
Grund dafür ist eine Zahl: 330. Das ist der Mittelwert der täglichen Ein- und Ausstiege am Burgsinner Bahnhof. Ein Wert, der die vonseiten der Bahn festgesetzte Grenze von 1000 stark unterschreitet, durch die das Projekt zur Priorität würde. Was jedoch für das Vorziehen derartiger Baumaßnahmen spricht, ist die geplante Streckenerneuerung zwischen Fliedern und Gemünden, inklusive 18-monatiger Totalsperrung.
"Das ist eine einmalige Chance", betont Rützel, denn: "Billiger kann man nicht bauen, wenn dabei komplett die Sperrzeiten wegfallen." So sind während der Totalsperrung auch bereits Arbeiten am Burgsinner Bahnsteig vorgesehen. Wie in Obersinn wird der Bahnsteig für einen ebenen Einstieg auf 76 Zentimeter erhöht, bekommt ein Blindenleitsystem und neue Wartehäuschen. Die elektrische Anlage sowie das Fahrgastinformationssystem werden modernisiert.
"Alles wird komplett neu gemacht - und die 44 Stufen, die bleiben bestehen." Für Rützel ein Schildbürgerstreich. Anstelle des benötigten Aufzugs, mit dem der Bahnsteig barrierefrei verlassen werden könnte, will die Bahn im Zuge der geplanten Arbeiten lediglich die baulichen Voraussetzungen schaffen, diesen zu einem späteren Zeitpunkt zu ergänzen. Nach Rützels Einschätzungen wird dies frühestens in zehn Jahren der Fall sein und für die zehnfachen Kosten einer Maßnahme im Rahmen der Streckensperrung.
Eine Prognose, die angesichts der Planungen für die Streckenerneuerung plausibel klingt. Laut offizieller Ankündigung auf der Bahnseite ist von einem voraussichtlichen Beginn der Arbeiten ab 2026 die Rede – ein Zeitplan, den eine Sprecherin der Bahn auf Anfrage dieser Redaktion nicht bestätigen kann. Für den barrierefreien Ausbau des Bahnhofs Burgsinn liefen aktuell die Planungen, "eine Zeitschiene für die Baumaßnahme kann aber leider noch nicht genannt werden", so die Sprecherin.
Burgsinns Bürgermeister sieht geringe Auslastung des ÖPNV im Sinngrund
Ein Umstand, mit dem sich Burgsinns Bürgermeister Robert Herold (Bürgerliste Burgsinn) abgefunden zu haben scheint. Er verweist auf die geringen Zustiegszahlen und dass diese wahrscheinlich auch mit einem Aufzug nicht besser würden. Auch sei der Sinngrund per Bus bereits barrierefrei erschlossen – den aber ebenfalls kaum jemand nutzen würde. Die Millionenbeträge, die der Landkreis hierfür investiere, stünden für ihn daher in keinem Verhältnis.
Gleiches gilt für Herold für den barrierefreien Ausbau des Bahnnetzes – inklusive der geplanten 3,5 Millionen teuren Investition in Burgsinn: "Man will natürlich niemanden benachteiligen, aber wir geben dafür unheimlich viel Steuergelder aus." Für ihn müsse man sich daher fragen, "ob wir dafür Verhältnismäßigkeit herstellen wollen oder es egal ist, was es kostet."
Ja..ich bin schon am neuen Bahnsteig in Obersinn eingestiegen und ich fahre regelmäßig mit dem Zug mehrmals in der Woche nach Karlstadt ..
Ist eine Stufe von zirka 20-25 cm nach unten dann eine Barrierefreiheit? Bitte mal nachfragen Herr Hörnig..Vielen Dank!
Sollte Burgsinn barrierefrei werden dann ist für mich die Aufzuglösung die schlechteste ,da diese doch sehr anfällig sind und durch die Abgeschiedenheit des Bahnhofs auch dem Vandalismus usw. Tür und Tor geöffnet sind. .eine Lösung wie in Rieneck erscheint mir da dann sinnvoller..
Würde die DB nicht alle ihre Bahnhöfe veräußern hätten Sie auch Grundstück und Platz für eine Unterführung mit Rampe..barrierefrei..:-)
Ich finde, man sollte die Chance der Sperrung für einen barrierefreien Umbau nutzen; der Platz - ob für Aufzug oder Rampe, so wie schon beim Zuweg zum Gleis nach oben, wäre ja da.
Man verpasst hier, ähnlich wie in Gemünden wo man zwar auf barrierefrei umbaut, aber die Unterführung nicht zum Radweg weiterbaut, mal wieder eine Chance. Schade.