Zu wenig Personal, Nachwuchssorgen und veraltete Software? In Bayerns Gesundheitsämtern brauche es dringend Verbesserungen, sagt Andreas Kaunzner, Vorsitzender des Ärzteverbandes Öffentlicher Gesundheitsdienst ÖGD Bayern. Mit Blick auf eine mögliche zweite Corona-Welle sehe er sonst schwarz. Auf konkrete Maßnahmen wollen die Ärzte des ÖGD am kommenden Dienstag, 8. September, anlässlich einer Web-Konferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringen.
Die größte Baustelle gebe es beim Personal, sagt Kaunzner. In der Corona-Pandemie seien auf die Gesundheitsämter eine Vielzahl neuer Aufgaben zugekommen. Aktuell zeige sich das etwa bei der Betreuung der Reiserückkehrer. Das Problem: Auf dem Höhepunkt der Krise habe man die Gesundheitsämter zwar mit Mitarbeitern aus den Landratsämtern und mit Studenten personell verstärkt. Doch die meisten dieser Helfer sind inzwischen wieder weg, nur wenige seien dauerhaft hinzugekommen.
Andreas Kaunzner, der seit 27 Jahren im Aschaffenburger Gesundheitsamt tätig ist, sagt: "Sosehr wir die Unterstützung auch begrüßt haben: Nur mit Hilfspersonal werden wir, wenn die Zahlen wieder deutlich steigen, sicherlich Schwierigkeiten bekommen. Wir brauchen mehr Fachpersonal, angefangen bei den Ärzten bis hin zu Kinderkrankenschwestern für Schuleingangsuntersuchungen und Gesundheitsfachkräften in der Hygieneüberwachung."
Noch würde die Zahl der Neuinfektionen zum Glück nur leicht steigen, noch sei kein bedrohliches Ausmaß erreicht, sagt Kaunzner, der auch im Vorstand des ÖGD-Bundesverbandes ist. Doch "wenn tatsächlich eine zweite Welle kommen sollte, reicht das nicht aus – da mache ich mir schon größere Sorgen".
Ärztevertreter fordert bessere Bezahlung im öffentlichen Gesundheitsdienst
In den vergangenen Monaten hat die Pandemie aus Kaunzners Sicht strukturelle Probleme des öffentlichen Gesundheitsdienstes offenbart. Zum Beispiel die Nachwuchssorgen. Ein Grund dafür sei die vergleichsweise schlechte Bezahlung im öffentlichen Gesundheitsdienst, man sei nicht in den Ärztetarif, sondern in die Verwaltung eingegliedert. Das mache für Einsteiger im Monat 1200 bis 1500 Euro weniger aus, so Kaunzner. "Das ist nicht unbedingt motivierend, ins Gesundheitsamt zu kommen." Der Verbandsvorsitzende fordert deshalb, die Tarife der ÖGD-Ärzte an die Gehälter der Ärzte in Krankenhäusern anzugleichen.
Auch bei der Technik gebe es Luft nach oben. "Ideal wäre eine einheitliche Lösung, die nicht nur die Überwachung bei Corona abdeckt, sondern alle Tätigkeitsfelder in einem Gesundheitsamt", sagt Kaunzner und spricht von "Wunschvorstellung". Noch gibt es eine solche Software nämlich nicht. Die bayerischen Grünen und der unterfränkische Hygieneexperte Oskar Weinig hatten das zuletzt stark kritisiert.
Ministerium weist Vorwürfe zurück
Gegenüber der Redaktion weist das bayerische Gesundheitsministerium die Vorwürfe zurück. In den Gesundheitsämtern würden bereits einheitliche Programme, etwa für das Meldewesen von Krankheiten, eingesetzt. Diese leisteten "seit Jahren gute Dienste", so eine Sprecherin. Eine spezielle Software zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen sei bisher bei lokalen Ausbruchsgeschehen wie etwa den Masern nicht nötig gewesen. Die Gesundheitsämter seien mit ihren Lösungen "gut zurecht" gekommen. Erst mit Corona, heißt es aus dem Ministerium, "kamen diese Lösungen an ihre Grenzen".
Deshalb habe man bereits im Mai die neue Software "BaySIM" zur Verfügung gestellt, die die regionale Erfassung und Nachverfolgung von Kontaktpersonen vereinfachen soll. Ende August arbeiteten nach Angaben des Ministeriums bayernweit 25 Gesundheitsämter mit der Software. Nur: Alles kann auch dieses Programm nicht – und soll es auch gar nicht können, so die Sprecherin. Denn in absehbarer Zeit soll ein vom Bund entwickeltes einheitliches Melde- und Informationssystem namens "Demis" deutschlandweit genutzt werden.
Auf Nachfrage dieser Redaktion wird deutlich: Laut Bundesgesundheitsministerium steht die Infrastruktur dafür zwar seit Mitte Juni zur Verfügung. Allerdings steckt das Programm offenbar noch in den Kinderschuhen. Nicht alle geplanten Funktionen seien bereits nutzbar, so das Ministerium.