Reichen Zettelwirtschaft und Excel-Tabellen im Kampf gegen die Corona-Pandemie? Bayerns Grüne und der unterfränkische Hygieneexperte Oskar Weinig haben die veraltete Software-Ausstattung und den "Wildwuchs an Software-Lösungen" in den Gesundheitsämtern im Freistaat dieser Redaktion gegenüber scharf kritisiert. Das Gesundheitsministerium in München unterdessen betont, man habe bereits im Mai eine neue Behörden-Software zur Verfügung gestellt: Das "Bayerische System für Infektionskettenmanagement", kurz BaySIM, soll die Erfassung und Nachverfolgung von Corona-Infizierten und ihrer Kontaktpersonen vereinfachen. Nur: Noch wird BaySIM in Unterfranken kaum genutzt. Warum?
Insgesamt gibt es in Bayern 76 Gesundheitsämter, in etwa jedem dritten kommt die neue Software nach Angaben eines Ministeriumssprechers mittlerweile zum Einsatz. In Unterfranken seien die Gesundheitsämter Haßberge und Miltenberg "produktiv geschaltet und können mit BaySIM arbeiten", so der Sprecher. Fünf weitere Ämter – in Würzburg, Schweinfurt, Rhön-Grabfeld, Kitzingen und Bad Kissingen – hätten an einer Schulung für die neue Software teilgenommen.
Kaum Auskünfte zu BaySIM seitens der Gesundheitsämter
Woran liegt es, dass vier Monate nach dem Start die Software erst in zwei von neun unterfränkischen Gesundheitsämtern verwendet wird? Auf Nachfragen verweisen fünf Ämter direkt nach München: "Bitte wenden Sie sich zur Beantwortung dieser Presseanfrage direkt an das Bayerische Gesundheitsministerium, das auf Anfragen zu BaySIM zentral antworten möchte", schreibt etwa das Landratsamt Würzburg. Fast wortgleiche Antworten erhält die Redaktion aus den Landratsämtern Bad Kissingen, Miltenberg, Aschaffenburg und Main-Spessart.
Aus dem Landratsamt Kitzingen heißt es: "Wir nutzen aktuell eine selbst programmierte Datenbank unseres EDV-Chefs." Ob und wann man auf BaySIM umsteige, werde geprüft. Auch das Landratsamt Rhön-Grabfeld arbeitet nach eigenen Angaben weiter mit einem eigenen Programm, "das von dem Software-Dienstleister treeIT aus Waldberg entwickelt wurde". Diese Software sei auf die "Gegebenheiten perfekt abgestimmt und sehr flexibel". Das Gesundheitsamt Schweinfurt teilt nur mit, man arbeite derzeit nicht mit BaySIM.
Ministerium: Software-Lösungen der Ämter führten zu Schwierigkeiten
Einzig das Landratsamt Haßberge gibt an, BaySIM zu nutzen, "parallel zu unserer bisherigen selbst programmierten Datenbank", so Sprecherin Monika Göhr. Die Software sei "eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zur Arbeit mit Excel-Tabellen bei der Ermittlung von Kontaktpersonen". Von Vorteil sei auch die mögliche Vernetzung aller bayerischen Gesundheitsämter und das Selbstauskunftsportal für Bürger in Quarantäne. Man nutze derzeit trotzdem auch die bisherige Datenbank weiter, die konkret auf die örtlichen Bedürfnisse in den Haßbergen abgestimmt sei, so Göhr. Mit "weiteren Anpassungen" könne BaySIM irgendwann die alte Datenbank ersetzen.
Aus dem Ministerium heißt es auf die Nachfrage, warum jedes Gesundheitsamt sein eigenes Software-Süppchen kocht: "Nach unseren Informationen haben sich in der Anfangszeit einige Gesundheitsämter zum Teil bei der Kontaktpersonen-Nachverfolgung mit eigenen Software-Lösungen beholfen, was teilweise zu Kompatibilitäts-Schwierigkeiten führte."Deshalb habe der Freistaat mit BaySIM eine gemeinsam nutzbare, kostenlose Online-Plattform für alle Ämter geschaffen. Die Entscheidung, sie zu nutzen, liege weiter bei den Kreis- beziehungsweise Stadtverwaltungsbehörden.
Für Kerstin Celina, sozialpolitische Sprecherin der Grünen und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landtags, ist das "ein Trauerspiel". Jetzt gebe es endlich eine sinnvolle Software - doch die Verwendung sei freiwillig und die Auslieferung viel zu langsam.
Man könnte auch sagen, viel Schein um nichts. Bayern ist, das zeigt sich gerade in der Coronapandemie keineswegs besser als andere Bundesländer.
Ausgenommen natürlich bei den Coronafallzahle und den Coronatoten. Da nimmt Bayern eine Negative Spitzenstellung ein. Zumindest gemessen an der Einwohnerzahl. Vielleicht liegt’s daran, dass andere MPs weniger auf ihre Selbstdarstellung Wert legen und dafür härter an Verbesserungen arbeiten.