Seit vor 50 Jahren die ersten Schülerinnen und Schüler an der Fach- und Berufsoberschule in Marktheidenfeld ihr Abitur gemacht haben, hat sich vieles verändert. Unter anderem wurde das Schulhaus renoviert und erweitert, die Ausstattung modernisiert und es gibt neue Fächer und Berufszweige. Auch die Erwartungen an die Zeit nach der Schule haben sich verändert. Das sagen vier Absolventinnen und Absolventen.
1. Lars Kerber (19 Jahre) aus Altfeld
Der 19-jährige Lars Kerber aus Altfeld freut sich, dass seine Schulzeit jetzt abgeschlossen ist. "Ich habe 13 Jahre lang darauf gewartet. Ich kann noch gar nicht fassen, dass es jetzt so weit ist", sagt er. Bis zur zehnten Klasse besuchte Kerber eine Mittelschule, von dort ging es weiter im Ausbildungszweig Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen an der Fachoberschule (FOS). Er geht davon aus, dass er alle Prüfungen bestanden und die allgemeine Hochschulreife erreicht hat.
Anfangs war es schwer für Kerber, sich Buchhaltungskenntnisse anzueignen und mit Gesetzestexten umzugehen. Doch er glaubt, wer ein Ziel hat, kann es auch erreichen. Sein Berufswunsch war es lange Zeit, Ingenieur zu werden. "Ich wusste, dass ich mich dafür in der Schule anstrengen muss, um Abitur zu machen und studieren zu können." Er habe jetzt sehr viel Zeit mit Lernen verbracht, dass es ihm noch schwer fällt zu entspannen. Doch das soll sich die nächsten Wochen legen. In seiner freien Zeit möchte er mit einem Freund eine Sprachreise nach Barcelona oder Madrid machen. "Spanisch war in der Oberstufe mein bestes Fach, ich möchte die Sprache weiter lernen."
Kerber hat sich gegen ein Ingenieur-Studium entschieden und wird sich stattdessen für Jura an der Universität in Wiesbaden einschreiben. Er glaubt, das liege ihm, weil er gerne vor Menschen spricht, sich gut ausdrücken kann und ihm das Arbeiten mit Texten liege. "Die Uni hat einen sehr guten Ruf. Und in dem Job ist es wichtig, sich ein gutes Netzwerk aufzubauen", so Kerber.
Nach dem Studium sieht sich Kerber in zehn Jahren in einer großen Kanzlei als Wirtschaftsjurist arbeiten. "Ich glaube nicht, dass ich schon eine Familie habe. Erstmal möchte ich mir einen gewissen Lebensstandard erarbeiten", sagt er und nennt seinen Vater als Vorbild. Er glaubt, dass er in 50 Jahren noch arbeiten wird, vorausgesetzt er ist gesund. "Meine Arbeit soll mich erfüllen. Und ich möchte das Leben nach einer erfolgreichen Karriere genießen."
2. Emilia Senger (17 Jahre) aus Wüstenzell
Emilia Senger aus Wüstenzell hat Mitte Mai ihre Abschlussprüfungen an der FOS geschrieben. Wenn alles geklappt hat, hat die 17-Jährige damit ihr Fachabitur in der Tasche. Doch das reicht ihr nicht, sie will noch ein 13. Schuljahr dranhängen, um im kommenden Sommer mit dem Abitur abzuschließen.
Sie kommt damit ihrem Berufswunsch näher, Grundschullehrerin zu werden. Schon früh habe sie gemerkt, dass sie gerne mit Kindern zu tun hat, ihr aber Fremdsprachen nicht sonderlich liegen. Deshalb habe sie lieber die Realschule statt ein Gymnasium besucht. Für die allgemeine Hochschulreife braucht man aber eine zweite Fremdsprache, weshalb sie seit einem Jahr Spanischunterricht hat. Sie sagt: "Damit komme ich ganz gut zurecht."
Für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, die nach der zwölften Klasse abgehen, ist längst unterrichtsfreie Zeit. Senger wird bis zu den Sommerferien weiter die Schulbank drücken, um ihr Spanisch zu verbessern und sich auf die im Herbst abzugebende Seminararbeit vorzubereiten. Mit den zusätzlichen Lerneinheiten hat sie kein Problem: "An die FOS kommt man aus einer eigenen Entscheidung heraus", sagt sie. Alle hätten dasselbe Ziel und würden von den Lehrkräften wie Erwachsene behandelt. Das sei ein enormer Unterschied beispielsweise zur Realschule.
In zehn Jahren, so hofft sie, hat sie ihr Studium abgeschlossen, arbeitet sie als Lehrerin und hat vielleicht schon ihre eigene kleine Familie. Sie wünscht sich, dass ihr der Beruf so gut gefällt, dass sie bis zur Pensionierung arbeitet und sie sich in 50 Jahren um eigene Kinder und Enkel kümmern kann.
3. Monika Diehm (69 Jahre) stammt aus Kreuzwertheim
Monika Diehm war 1973 das einzige Mädchen in ihrer Schulklasse, Ausbildungsrichtung Technik. Nach dem Fachabitur in Marktheidenfeld studierte sie, die aus Kreuzwertheim stammt, in Aalen (Baden-Württemberg) Werkstofftechnik. Danach arbeitete sie in verschiedenen Unternehmen vor allem im Bereich Werkstoffprüfung.
Beim heutigen Triebwerkshersteller MTU in München beschäftigte sie sich mit Prüfnormen internationaler Unternehmen; die des Deutschen Instituts für Normung (DIN) habe es noch nicht gegeben, erinnert sich Diehm. "Als Ende der 1990er Jahre der Begriff des Qualitätsmanagements aufkam, habe ich bei einem Automobilzulieferer den Bereich aufgebaut", erzählt sie.
Nach 16 Arbeitsjahren in dem Unternehmen machte sie sich 2016 als Unternehmensberaterin für Qualitätssicherung selbstständig. Häufig ist sie bei Kunden vor Ort, etwa 60 Prozent der Arbeitszeit verbringt sie im Home Office im schwäbischen Nördlingen. Ans Aufhören denkt sie jetzt als 69-Jährige nicht, genießt aber die Flexibilität, die die Selbstständigkeit mit sich bringt. "Ich kann nachmittags meine Laufkleidung anziehen oder gehe ins nahegelegene Freibad."
Derzeit überlegt sie, ob sie nach Kreuzwertheim zurückkommen solle. Sie sagte, sie mag die Gegend. "Mein Vater ist vor kurzem gestorben. Wenn meine Geschwister einverstanden sind, würde ich gerne unser Elternhaus übernehmen und dort meine letzten Jahrzehnte verbringen."
4. Dieter Wagner (72 Jahre) stammt aus Trennfeld
Der 72-jährige Dieter Wagner ist in Trennfeld aufgewachsen. Heute lebt er mit seiner Frau in Bergrheinfeld (Landkreis Schweinfurt). Er hat als Jugendlicher eine Ausbildung zum Elektriker gemacht. "Ich wollte mich weiterentwickeln, auch um mehr Geld zu verdienen", erzählt er. Deshalb besuchte er für ein Jahr lang die sogenannte Berufsaufbauschule – das, was heute als Berufsoberschule (BOS) bezeichnet wird.
Im Anschluss begann er Elektrotechnik zu studieren, zusammen mit drei früheren Freunden aus der Marktheidenfelder Schulzeit. Doch das Studium hat er abgebrochen, als er feststellte, dass er statt in einem technischen Beruf lieber im sozialen Bereich arbeiten möchte. Schon zuvor war er ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätig, leitete im Jugendverband "Christliche Arbeiterjugend" (CAJ) der katholischen Kirche eine Gruppe. Bei einem Zeltlager hat er seine heutige Ehefrau kennengelernt.
Bei einem kirchlichen Sozialinstitut in Freising bei München schulte er um in den Bereich Erwachsenenbildung und war 40 Jahre lang bei der Diözese Würzburg beschäftigt: als Diözesansekretär, Referent, in der Seniorenarbeit und von 2002 bis 2015 Leiter der Benediktushöhe in Reztbach.