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Schonderfeld
27-Jährige übernimmt die Brotzeitstube im kleinen Schonderfeld und hat noch einiges vor
Wie kann eine Wirtschaft im 120-Einwohner-Dorf Schonderfeld überleben? Neuwirtin Franziska Reusch blickt optimistisch in die Zukunft und erzählt von einem Boom während Corona.
Franziska Reusch hat die Schonderfelder Brotzeitstube von ihren Eltern übernommen.
Foto: Björn Kohlhepp | Franziska Reusch hat die Schonderfelder Brotzeitstube von ihren Eltern übernommen.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:50 Uhr

Von klein auf hat Franziska Reusch in der kleinen elterlichen Gaststätte mitgeholfen. Die "Schonderfelder Brotzeitstube" bestand bis vor Kurzem nur aus einer Mini-Gaststube und drei Biertischen im Hof. Bis sie 60 sind, wollten ihre Eltern die Stube weiterführen, erzählt sie. Jetzt sind ihre Eltern 60 und 61 – hätte die Tochter nicht Anfang des Jahres das Ruder übernommen, wäre höchstwahrscheinlich bald Schluss gewesen. Warum die 27-Jährige eine Gaststätte im beschaulichen Schonderfeld weiterführt, wo doch etwa im Hauptort Gräfendorf schon keine mehr existiert und ansonsten Gasthäuser allerorten schließen? "Weil's mir Spaß macht."

Das Gasthaus im Hof eines landwirtschaftlichen Anwesens hat den Charme einer Heckenwirtschaft, Schwalben haben gegenüber ihre Nester unter dem Dach. Im Sommer soll das 30-jährige Bestehen gefeiert werden. Während Corona und der erzwungenen zeitweisen Schließung habe im Raum gestanden, ob es ein guter Zeitpunkt wäre, die Brotzeitstube ganz zuzumachen, erzählt Franziska Reusch unter einem sich durch den Hof rankenden Weinstock. Aber dann seien sie noch in der Pandemie "teilweise überrannt" worden, die Leute hätten nicht in den Urlaub gekonnt und das Radfahren für sich entdeckt und damit auch das kleine Gasthaus am Saaletalradweg. Und offenbar sind Radfahrer hungrig und durstig. Manchmal sei das Bier ausgegangen, das Essen sowieso.

Bodenständig soll es auch künftig bleiben

Zu den drei Biertischen im Hof wurden aus Abstandsgründen etliche weitere gestellt, dazu weitere Tische mit Biergartenstühlen. Das erweiterte Sitzplatzangebot hat sich bewährt. Die Gartenstühle um einen anderen Tisch hätte sie ja schon weggetan, sagt sie, "aber da sitzen die Leute richtig gern drauf". Als fixe Idee schwebt der 27-Jährigen vor, einmal die Scheune zur Eventscheune auszubauen. Einen Gewölbekeller für Feiern gibt es schon.

Ansonsten sei es ihr wichtig, dass der bodenständige Charme des Gasthauses erhalten bleibt, sowohl was die Einrichtung – in der Gaststube hängen Geweihe und eine Kuckucksuhr an der Wand – als auch was Essen und Trinken anbelangt. Die Hausmacher Wurst und Bratwurst würden extra für das Gasthaus nach eigenem Rezept hergestellt, Most und Schnaps macht die Familie selber, Kuchen fürs Wochenende backt sie, Honig steuert Bruder Engelbert bei. Stammgäste kämen etwa aus Gemünden und Gräfendorf, jeden Dienstag komme eine Gruppe aus Wernfeld.

Die Schonderfelder Brotzeitstube existiert seit 30 Jahren.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Schonderfelder Brotzeitstube existiert seit 30 Jahren.

Die Brotzeitstube sei die Idee von Mutter Sigrid gewesen, die damals mit ihrem älteren Bruder alleine daheim saß und sich überlegte, ob man den immer mehr werdenden Radausflüglern nicht etwas bieten könnte. "Der Papa hat nicht so dran geglaubt", erzählt Tochter Franziska. Deswegen habe die Gaststube auch einen Torbogen, damit man sie im Zweifelsfall einfach als Garage hätte nutzen können. Das Gasthaus sei schon eine zusätzliche Belastung zur elterlichen Landwirtschaft und der Berufstätigkeit ihres Vaters Engelbert gewesen. "Es war immer was zu tun", erzählt sie, auch für sie und ihre beiden Brüder. Sie sei es gewohnt, viel zu arbeiten.

Das Gasthaus war Franziska Reusch wichtiger als ein Studium

Die Arbeit in der Wirtschaft habe sie "immer produktiver und nützlicher gefunden" als die Lernerei. Lange habe die junge Frau nicht gewusst, was sie einmal machen möchte. Sie habe erst ein Lehramtsstudium angefangen, weil sie den Zwang gespürt habe, etwas mit ihrem Abitur zu machen. Nebenher gab sie Sportkurse in Bad Kissingen und Bad Brückenau. Aber das Studium habe sie genauso wie ein Studium der Technomathematik und eine Ausbildung zur Kauffrau für Versicherung und Finanzanlagen abgebrochen. Sie habe damals immer daheim gewohnt und sei gependelt. Erst bei ihrer Ausbildung zur Diätassistentin, die sie schließlich durchzog, wohnte sie eineinhalb Jahre in Würzburg.

Während der Ausbildung in Würzburg sei sie dienstags und am Wochenende meist heimgefahren, um in der Wirtschaft mitzuhelfen. "Ich habe gemerkt, dass ich gern heimfahre." Überhaupt lebe sie gern hier, wenn auch momentan nicht in Schonderfeld, sondern bei ihrem Freund. Seit dem Ende der Ausbildung vor zwei Jahren arbeitet sie 30 Stunden in der Woche in Bad Kissingen, macht Ernährungsberatung und kocht Mahlzeiten für spezielle Bedürfnisse wie Zöliakie oder Laktoseintoleranz. Das Gasthaus schmeißt sie nebenher, aber sie würde gern ganz von der Wirtschaft leben. Zwei Arbeitsstellen, das schlauche ganz schön, wobei ihr Job ihr auch eine gewisse Sicherheit biete.

"Willst du dir das wirklich antun?"

Es sei ein sehr emotionales Thema gewesen, wie es mit der Wirtschaft, in der so viel Herzblut stecke, weitergehe. "Willst du dir das wirklich antun?", habe ihr Vater sie gefragt, als sie überlegte, sie weiterzuführen. Klar bedeute ein Job von sieben bis drei wohl ein entspannteres Leben, und klar müsse sie viele Einladungen zu Geburtstagen und Hochzeiten ausschlagen, aber sie habe es sich ausgesucht. Und in der Familie hätten sie immer gewusst, warum sie sich so abrackerten: "Weil es für uns ist."

Die Wirtschaft betreibt sie weiterhin mit ihren Eltern, wobei Mama Sigrid meist die Küche mache und sie mit Papa Engelbert Ausschank/Theke. Festes Personal gibt es nicht, aber hin und wieder Aushilfen und Bekannte, die einspringen. Auch ihre zwei Brüder helfen noch mit. Während Franziska Reusch die Wirtschaft weiterführt, hat Zwillingsbruder Maximilian die Landwirtschaft übernommen.

Geöffnet hat die Brotzeitstube ganzjährig dienstags ab 16 Uhr sowie von Mai bis Oktober freitags ab 17 Uhr, samstags ab 15 Uhr und sonn- und feiertags ab 13 Uhr. Am 23. Juli will die Familie das 30-jährige Bestehen des Gasthauses feiern.

 
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  • friedrich-rau@freenet.de
    In der Aufzählung der Gäste wurde die Rhönklub- Fahrradgruppe aus Hammelburg vergessen. Immer gerne Dienstag. Es ist immer eine Freude die Herzlichkeit und Provesionelle Bedienung von Franziska zu erleben. Mach noch lange weiter so. Wir danken dir.
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