Baldwin Knauf legt den Arm um den Globus wie um die Schulter eines guten Freundes. Draußen, am Horizont, verschwimmt die Silhouette der unterfränkischen Kleinstadt Iphofen. Drinnen, in der verglasten Konzernzentrale, steht Knauf am Fenster und dreht mit spitzbübischem Lächeln an der Weltkugel, und das ist ein Bild, das nicht besser zu diesem großgewachsenen Mann und diesem großen Leben passen könnte.
Ein halbes Jahrhundert hat Baldwin Knauf ein Unternehmen geführt und geprägt, das frei nach dem Motto agiert: Die Welt ist nicht genug. Mit dem Naturstoff Gips ist der Familienbetrieb zu einem Global Player gewachsen, und gäbe es im Universum einen Markt für das weiße Gold, Knauf hätte längst auch dorthin seine Vertriebsleute entsandt. Die Gruppe betreibt mehr als 300 Werke in 90 Ländern, sie beschäftigt 41.000 Menschen, und der Jahresumsatz lag zuletzt bei mehr als 15 Milliarden Euro. Wenn man Baldwin Knauf fragt, wie er das gemacht hat, sagt er: "Es gab keinen Masterplan."
Die Zeitungen nannten ihn und seinen Vetter "Gipskönige"
Baldwin Knauf, ehemaliger Chef des gleichnamigen Baustoffkonzerns, ist ein schweigsamer, sehr vorsichtiger Mensch. Er denkt lange nach, bevor er einem Aussagesatz traut und ihn ins Freie lässt. "Gipskönige" haben Zeitungen ihn und seinen Vetter Nikolaus (88) genannt. Solch griffige Bezeichnungen sollen Nähe vortäuschen. In Wahrheit hat Baldwin Knauf sich meist diskret zurückgezogen, wenn ihm ein Fremder nahe kommen wollte.
Das Unternehmen wirkt auch im 92. Jahr seines Bestehens eher verschlossen, und nicht oft hat man die Gelegenheit und das Glück, Baldwin Knauf zu einem derart offenen Austausch zu treffen, wie ein paar Tage vor seinem 85. Geburtstag an diesem Montag, 23. September. Da sitzt ein Mann in aufgeräumter Stimmung, klar im Denken und Handeln. Auch wenn er sich vor mehr als 16 Jahren aus dem operativen Geschäft verabschiedet hat – die Rolle des Kaufmanns und des Managers wird er nie abstreifen.
Noch immer verkörpert Knauf die Weitsicht und den Vorwärtsgeist, mit denen er gezeigt hat, dass Vetternwirtschaft nicht zwangsläufig etwas Anstößiges sein muss. Die beiden Cousins haben es in fünf Jahrzehnten ihres Wirkens geschafft, den größten Gipskonzern der Welt zu formen, und wenn man Baldwin Knauf am Konferenztisch zuhört, bekommt man eine Ahnung davon, wie. Verlässlichkeit und Berechenbarkeit waren das eine, Fleiß und harte Arbeit das andere. Deshalb erteilt er Forderungen wie denen nach einer Viertagewoche eine klare Absage. "Wir müssen mehr leisten, damit wir uns mehr leisten können", sagt er.
So ist er aufgewachsen und erzogen worden. "Das da drüben", sagt Knauf und deutet durch das Fenster nach draußen, "war mein Elternhaus". Es stand direkt im Schatten jenes Gipswerks, mit dem sein Vater Karl und sein Onkel Alfons im Jahr 1949 in Iphofen den Grundstein für den Aufstieg legten. Und wenn Baldwin mittags aus der Schule kam, ging er oft runter zur Bandstraße und überlegte, wie sich Prozesse optimieren ließen. Später nahm der Vater ihn mit im Auto auf Geschäftsreisen. Früh war somit klar, dass aus dem Sohn ein "Knaufianer" werden würde. "Arzt oder Musiker wollte ich jedenfalls nie werden", sagt Knauf.
1969 holten die Väter ihre Söhne in die Chefetage des Unternehmens. Sie saßen von da an als "Lernende" mit am Tisch, wie Baldwin Knauf es heute nennt. Von Anfang an teilten er und Nikolaus sich ein Büro: die Wege so kurz wie die Entscheidungsprozesse. "Wenn er da war, konnte ich ihn ansprechen und musste nicht erst lange an seiner Tür klopfen", sagt Baldwin über Nikolaus Knauf. Anders als heute, wo eine Reihe von Gesellschaftern mitreden, habe man Vieles noch "ad hoc" beschließen können.
Von größerem Zwist der beiden ist nichts überliefert, obwohl die Temperamente sehr unterschiedlich waren. Baldwin Knauf hat dafür einmal ein schönes Bild gefunden: "Ein gutes Auto braucht Bremse und Gaspedal. Gemeinsam haben wir dann gesteuert."
Zwei- bis dreimal pro Woche ist Knauf noch im Haus
Im Sommer 2008 räumten die beiden ihre Posten als Geschäftsführer. "Am 30. August habe ich noch die Steuererklärung der Firma unterschrieben. Zwei Tage später waren andere zuständig", erinnert sich Baldwin Knauf. Er blieb noch eine Weile an verschiedenen Schaltstellen der Macht. Inzwischen sieht er sich nur noch als "neugieriger Begleiter". Zwei- bis dreimal pro Woche ist er noch im Haus. Vor ihm liegt auch an diesem Tag eine Kladde mit den wichtigsten monatlichen Kennzahlen. Sein Sohn Alexander (50) ist als Geschäftsführender Gesellschafter in das Büro gezogen, in dem einst der Vater den Wandel zum Weltkonzern vorantrieb.
Wie ein Tag heute bei ihm abläuft? "Gut ausschlafen, Zeitung lesen, Sport treiben." Knauf spielt Golf, geht Radfahren oder Wandern, gerne in Österreich, seiner zweiten Heimat, wo die Familie eine Berghütte besitzt. Fragt man ihn, wo er zu Hause sei, sagt er: "Ich bin in Iphofen zur Schule gegangen, in Scheinfeld aufs Gymnasium, habe in Würzburg Betriebswirtschaft studiert und wohne in Iphofen."
Auch wenn er noch immer gerne reist, sagt er: "Am schönsten ist es zu Hause, in den eigenen vier Wänden." Dort wird er nun auch seinen Geburtstag verbringen: im Kreise der Familie, zu der neben Ehefrau Inge, Sohn Alexander und Tochter Tina inzwischen auch acht Enkelkinder gehören.
Hoffentlich bleiben die wichtigen Verbindungen zu Rußland und Putin bestehen.
Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag und weiterhin beste Gesundheit!
"Wein, Gips und Holz sind Iphofens Stolz".
Gibt es auch soziale Engagements und Mäzenatentum der Familien Knauf?