Von oben, durch die Schilfreihe hindurch, wirkt die Biberburg gar nicht so mächtig. Aber geht man den Hang hinunter und durch die überschwemmte Wiese, zeigt sich die ganze Baukunst des besonders und streng geschützten Tieres. Biberberater Klaus Petter stellt sich auf den mannshohen Hügel aus Stämmen, Ästen, Erde und Lehm und hüpft auf und ab. "Bombenfest", versichert der Fachmann. Ein klassisches Biberrevier habe der fleißige Nager hier in Kleinlangheim hinter der Wutschenmühle geschaffen. Die tiefste Stelle des Gründleinsbachs hat der Biber ausgewählt, um sich ein prächtiges Heim zu bauen. "Es dürfte die mächtigste Biberburg im ganzen Landkreis sein", vermutet Petter.
Es ist ein guter Ort, um eine Entwicklung im Landkreis zu zeigen, die das Herz von Naturschützern höher schlagen lässt und manchem Landwirt Sorgenfalten auf die Stirn treibt: Der Biber fühlt sich wohl hier und hat sich mittlerweile fast überall angesiedelt zwischen Volkach und Martinsheim. 2005 hatte die Regierung von Unterfranken die zwei ersten Biberreviere im Landkreis verzeichnet, 2014 war von 70 bis 80 Bibern in 20 Revieren die Rede, auf 120 Tiere war die Zahl im Juni 2016 angewachsen. Und heute? Hanne Schoppelrey von der Unteren Naturschutzbehörde schätzt die Zahl aktuell auf 80 Reviere mit knapp 300 Bibern im Landkreis. Innerhalb von fünf Jahren hat sich der Bestand also vervierfacht.
Der Kleinlangheimer Biber ist seit rund vier Jahren hinter der Wutschenmühle zuhause. Es sei dort "fest etabliert", sagt Petter. "Erst Häusle bauen, dann Familie gründen" laute nämlich die Devise des Nagers. Von dort aus haben sich sicherlich schon Jungtiere auf den Weg gemacht, um sich ein eigenes Revier zu suchen. Nach und nach werde so der Gründleinsbach, der von Castell bis Atzhausen verläuft, komplett besiedelt. Die Prognose des Mainstockheimers: "Es wird mehr Biber geben, da ist noch Luft nach oben."
Das bedeutet in seinen Augen in erster Linie eine "unbezahlbare Leistung" für unser Ökosystem, da das Tier mit seiner Arbeit gewissermaßen Biotope schafft und so die Artenvielfalt wesentlich erhöht. Der Biber sei praktisch "ein Freund und Helfer des Volksbegehrens Artenschutz". Doch Petter weiß auch, dass das Wie dieses Erfolgs nicht allen gefällt. "Die Konflikte nehmen zu", sagt der 71-Jährige. Seit sechs Jahren ist er als Biberberater für die Untere Naturschutzbehörde im Landkreis unterwegs, zehn bis 15 Stunden ehrenamtliche Arbeit bringt er dafür auf – pro Woche. Doch den Job macht er gerne. Vor allem weiß er als Landwirtschaftsingenieur genau, wovon er er spricht, wenn es um überflutete Felder und durchnässte Wiesen geht.
Zusammen mit zwei weiteren Biberberatern soll er vermitteln zwischen den Bedürfnissen des Naturschutzes und der Landwirtschaft. Und Petter ist überzeugt: "Wenn man mit den Leuten redet und ihnen entgegenkommt, gelingt meist ein Kompromiss." Allerdings sei es für den Landwirt schwer nachvollziehbar, warum der bayerische Biberfonds die gemeldeten Schäden nicht komplett abdecke. Das erwecke den Eindruck, dass die Bauern alleine für die Biber-Schäden aufkommen sollen.
Allerdings, betont der 71-Jährige, entstünden ohnehin 90 Prozent der Konflikte innerhalb der Uferrandstreifen fünf Meter links und rechts eines Gewässers. Diese Flächen nicht zu bearbeiten, zu düngen, zu spritzen, sei im Rest Deutschlands ohnehin schon Gesetz. "Aber in Bayern gehen die Uhren anders", bedauert Petter. Diese Flächen der Natur zu überlassen, sei übrigens auch ein Ziel des Volksbegehrens Artenschutz. Der Biber wäre auf jeden Fall dafür.
Vier Sichtweisen auf den Biber:
Hanne Schoppelrey, Gruppenleiterin in der Unteren Naturschutzbehörde:
"Wer Land- und Forstwirtschaft oder Fischerei betreibt und größere Schäden durch den Biber hat, kann diese bei uns melden und bekommt dann Geld aus dem freiwilligen Ausgleichsfonds des Freistaates. 450 000 Euro waren zuletzt in diesem Topf, die Entschädigungsrate lag 2017 bei 67 Prozent. 2018 haben wir acht Fälle aus dem Landkreis Kitzingen weitergemeldet. Aber alle Gemeinden und deren Bauhöfe sind an ihren Bächen sowieso bemüht, mögliche Schäden durch den Biber zu verhindern, bevor sie entstehen."
Gerlinde Stier, Bürgermeisterin Kleinlangheim:
"Ich befürworte die Renaturierung von Bächen, auch wenn der Biber uns Arbeit macht und immer wieder Bachpflege nötig ist. Wichtig wäre allerdings eine zufriedenstellende Regelung für Eigentümer und Pächter, nicht dass sie denken, sie zahlen die Rechnung für die Allgemeinheit. Zuletzt lag die Entschädigung nämlich nur bei gut 60 Prozent. Ich halte es aber für wichtig, dass die Gemeinde zum Erhalt der Natur beiträgt. Darum würden wir – auch für den Hochwasserschutz – gerne Flächen kaufen, aber wir können diese nicht um jeden Preis erwerben. Die Preisvorstellungen sollten realistisch sein"
Norbert Heß, Landwirt und Gemeinderat aus Kleinlangheim:
"Meine komplette Wiese war wegen des Bibers total vernässt. Dieser Schaden wird akkurat geschätzt, dann aber nur zu 67 Prozent aus dem Biberfonds erstattet. Ich will kein Geld daran verdienen, aber den Schaden hätte ich gerne ersetzt. Der Biber ist ja politisch gewollt, dann müsste die Allgemeinheit auch bereit sein, dafür aufzukommen. Mehr Arbeit habe ich wegen des Bibers schon, zum Beispiel laufe ich vorm Dreschen nochmal durchs Feld, damit nichts passiert, nicht irgendwo was unterhöhlt ist. Aber das mache ich gern. Ich hätte nichts dagegen, wenn der Besitzer diese Flächen entlang des Bachs an die Gemeinde verkaufen würde, ich werde meinen Pachtvertrag aber einhalten."
Klaus Petter, Biberberater aus Mainstockheim:
"Die Anwesenheit des Bibers hat drei wesentliche Vorteile, die uns Menschen zugute kommen. Erstens wird durch den Dammbau Wasser angestaut, steht im Weiher und kann von dort langsam versickern. So kommt es zu einer Trinkwasser-Reproduktion. Zweitens wird durch den Dammbau das Wasser bei schweren Niederschlägen dort zurückgehalten, wo es anfällt: in der Fläche. So wird Hochwasser verhindert. Drittens erhöht sich durch den Dammbau und das angestaute Wasser die Artenvielfalt in Flora und Fauna um ein Vielfaches – und zwar gravierend und nachweislich. Und je höher die Artenvielfalt, desto mehr wird der Klimawandel abgepuffert. All das liefert der Biber kostenlos. Für unser Ökosystem ist seine Leistung unbezahlbar."