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Landkreis Kitzingen
Warum der Biber das Volksbegehren längst unterschrieben hat
Dem Biber gefällt's offensichtlich im Landkreis Kitzingen: Rund 300 Tiere leben mittlerweile hier: Was Naturschützern daran gefällt und warum Bauern sich veräppelt fühlen.
Fleißiger Biber: Hinter der Kleinlangheimer Wutschenmühle hat eine Biberfamilie eine mächtige Burg gebaut. Laut Biberberater Klaus Petter dürfte sie wohl die größte im Landkreis sein.
Foto: Barbara Herrmann | Fleißiger Biber: Hinter der Kleinlangheimer Wutschenmühle hat eine Biberfamilie eine mächtige Burg gebaut. Laut Biberberater Klaus Petter dürfte sie wohl die größte im Landkreis sein.
Barbara Herrmann
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:02 Uhr

Von oben, durch die Schilfreihe hindurch, wirkt die Biberburg gar nicht so mächtig. Aber geht man den Hang hinunter und durch die überschwemmte Wiese, zeigt sich die ganze Baukunst des besonders und streng geschützten Tieres. Biberberater Klaus Petter stellt sich auf den mannshohen Hügel aus Stämmen, Ästen, Erde  und Lehm und hüpft auf und ab. "Bombenfest", versichert der Fachmann. Ein klassisches Biberrevier habe der fleißige Nager hier in Kleinlangheim  hinter der Wutschenmühle geschaffen. Die tiefste Stelle des Gründleinsbachs hat der Biber ausgewählt, um sich ein prächtiges Heim zu bauen. "Es dürfte die mächtigste Biberburg im ganzen Landkreis sein", vermutet Petter.

Ein großer Biber schwimmt durch den Großlangheimer Weihersbach. Dort an der Quelle Siebenbrünn hat er ganze Arbeit geleistet und den Bach zu einem kleinen See aufgestaut.
Foto: Winfried Worschech | Ein großer Biber schwimmt durch den Großlangheimer Weihersbach. Dort an der Quelle Siebenbrünn hat er ganze Arbeit geleistet und den Bach zu einem kleinen See aufgestaut.

Es ist ein guter Ort, um eine Entwicklung im Landkreis zu zeigen, die das Herz von Naturschützern höher schlagen lässt und manchem Landwirt Sorgenfalten auf die Stirn treibt: Der Biber fühlt sich wohl hier und hat sich mittlerweile fast überall angesiedelt zwischen Volkach und Martinsheim. 2005 hatte die Regierung von Unterfranken die zwei ersten Biberreviere im Landkreis verzeichnet, 2014 war von 70 bis 80 Bibern in 20 Revieren die Rede, auf 120 Tiere war die Zahl im Juni 2016 angewachsen. Und heute? Hanne Schoppelrey von der Unteren Naturschutzbehörde schätzt die Zahl aktuell auf 80 Reviere mit knapp 300 Bibern im Landkreis. Innerhalb von fünf Jahren hat sich der Bestand also vervierfacht.

"Es wird mehr Biber geben, da ist noch Luft nach oben."
Klaus Petter, Biberberater

Der Kleinlangheimer Biber ist seit rund vier Jahren hinter der Wutschenmühle zuhause. Es sei dort "fest etabliert", sagt Petter. "Erst Häusle bauen, dann Familie gründen" laute nämlich die Devise des Nagers. Von dort aus haben sich sicherlich schon Jungtiere auf den Weg gemacht, um sich ein eigenes Revier zu suchen. Nach und nach werde so der Gründleinsbach, der von Castell bis Atzhausen verläuft, komplett besiedelt. Die Prognose des Mainstockheimers: "Es wird mehr Biber geben, da ist noch Luft nach oben." 

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Das bedeutet in seinen Augen in erster Linie eine "unbezahlbare Leistung" für unser Ökosystem, da das Tier  mit seiner Arbeit gewissermaßen Biotope schafft und so die Artenvielfalt wesentlich erhöht. Der Biber sei praktisch "ein Freund und Helfer des Volksbegehrens Artenschutz". Doch Petter weiß auch, dass das Wie dieses Erfolgs nicht allen gefällt. "Die Konflikte nehmen zu", sagt der 71-Jährige. Seit sechs Jahren ist er als Biberberater für die Untere Naturschutzbehörde im Landkreis unterwegs, zehn bis 15 Stunden ehrenamtliche Arbeit bringt er dafür auf – pro Woche. Doch den Job macht er gerne. Vor allem weiß er als Landwirtschaftsingenieur genau, wovon er er spricht, wenn es um überflutete Felder und durchnässte Wiesen geht.

"Wenn man mit den Leuten redet und ihnen entgegenkommt, gelingt meist ein Kompromiss."
Klaus Petter, Biberberater
Ein großes Tier, sagt Biberberater Klaus Petter angesichts dieser Nagespuren, lebt in Kleinlangheim am Gründleinsbach. 
Foto: Barbara Herrmann | Ein großes Tier, sagt Biberberater Klaus Petter angesichts dieser Nagespuren, lebt in Kleinlangheim am Gründleinsbach. 

Zusammen mit zwei weiteren Biberberatern soll er vermitteln zwischen den Bedürfnissen des Naturschutzes und der Landwirtschaft. Und Petter ist überzeugt: "Wenn man mit den Leuten redet und ihnen entgegenkommt, gelingt meist ein Kompromiss." Allerdings sei es für den Landwirt schwer nachvollziehbar, warum der bayerische Biberfonds die gemeldeten Schäden nicht komplett abdecke. Das erwecke den Eindruck, dass die Bauern alleine für die Biber-Schäden aufkommen sollen.

Allerdings, betont der 71-Jährige, entstünden ohnehin 90 Prozent der Konflikte innerhalb der Uferrandstreifen fünf Meter links und rechts eines Gewässers. Diese Flächen nicht zu bearbeiten, zu düngen, zu spritzen, sei im Rest Deutschlands ohnehin schon Gesetz. "Aber in Bayern gehen die Uhren anders", bedauert Petter. Diese Flächen der Natur zu überlassen, sei übrigens auch ein Ziel des Volksbegehrens Artenschutz. Der Biber wäre auf jeden Fall dafür.

Vier Sichtweisen auf den Biber:

Hanne Schoppelrey, Gruppenleiterin in der Unteren Naturschutzbehörde:
"Wer Land- und Forstwirtschaft oder Fischerei betreibt und größere Schäden durch den Biber hat, kann diese bei uns melden und bekommt dann Geld aus dem freiwilligen Ausgleichsfonds des Freistaates. 450 000 Euro waren zuletzt in diesem Topf, die Entschädigungsrate lag 2017 bei 67 Prozent. 2018 haben wir acht Fälle aus dem Landkreis Kitzingen weitergemeldet.  Aber alle Gemeinden und deren Bauhöfe sind an ihren Bächen sowieso bemüht, mögliche Schäden durch den Biber zu verhindern, bevor sie entstehen."

Gerlinde Stier Bürgermeisterin Kleinlangheim
Foto: Daniela Röllinger | Gerlinde Stier Bürgermeisterin Kleinlangheim

Gerlinde Stier, Bürgermeisterin Kleinlangheim:
"Ich befürworte die Renaturierung von Bächen, auch wenn der Biber uns Arbeit macht und immer wieder Bachpflege nötig ist. Wichtig wäre allerdings eine zufriedenstellende Regelung für Eigentümer und Pächter, nicht dass sie denken, sie zahlen die Rechnung für die Allgemeinheit. Zuletzt lag die Entschädigung nämlich nur bei gut 60 Prozent. Ich halte es aber für wichtig, dass die Gemeinde zum Erhalt der Natur beiträgt. Darum würden wir – auch für den Hochwasserschutz – gerne Flächen kaufen, aber wir können diese nicht um jeden Preis erwerben. Die Preisvorstellungen sollten realistisch sein"

Landwirt und Gemeinderat Norbert Heß aus Kleinlangheim, dessen gepachtete Felder von Biberschäden betroffen sind.
Foto: Alois Klebes | Landwirt und Gemeinderat Norbert Heß aus Kleinlangheim, dessen gepachtete Felder von Biberschäden betroffen sind.

Norbert Heß, Landwirt und Gemeinderat aus Kleinlangheim:
"Meine komplette Wiese war wegen des Bibers total vernässt. Dieser Schaden wird akkurat geschätzt, dann aber nur zu 67 Prozent aus dem Biberfonds erstattet. Ich will kein Geld daran verdienen, aber den Schaden hätte ich gerne ersetzt. Der Biber ist ja politisch gewollt, dann müsste die Allgemeinheit auch bereit sein, dafür aufzukommen. Mehr Arbeit habe ich wegen des Bibers schon, zum Beispiel laufe ich vorm Dreschen nochmal durchs Feld, damit nichts passiert, nicht irgendwo was unterhöhlt ist. Aber das mache ich gern. Ich hätte nichts dagegen, wenn der Besitzer diese Flächen entlang des Bachs an die Gemeinde verkaufen würde, ich werde meinen Pachtvertrag aber einhalten."

Klaus Petter, der zehn bis 15 Stunden pro Woche ehrenamtlich als Biberberater des Landkreises Kitzingen im Einsatz ist.
Foto: Barbara Herrmann | Klaus Petter, der zehn bis 15 Stunden pro Woche ehrenamtlich als Biberberater des Landkreises Kitzingen im Einsatz ist.

Klaus Petter, Biberberater aus Mainstockheim:
"Die Anwesenheit des Bibers hat drei wesentliche Vorteile, die uns Menschen zugute kommen. Erstens wird durch den Dammbau Wasser angestaut, steht im Weiher und kann von dort langsam versickern. So kommt es zu einer Trinkwasser-Reproduktion. Zweitens wird durch den Dammbau das Wasser bei schweren Niederschlägen dort zurückgehalten, wo es anfällt: in der Fläche. So wird Hochwasser verhindert. Drittens erhöht sich durch den Dammbau und das angestaute Wasser die Artenvielfalt in Flora und Fauna um ein Vielfaches – und zwar gravierend und nachweislich. Und je höher die Artenvielfalt, desto mehr wird der Klimawandel abgepuffert. All das liefert der Biber kostenlos. Für unser Ökosystem ist seine Leistung unbezahlbar."

Der Biber: Lebensart eines bayerischen Ureinwohners
Lebensweise: Der Biber kann bis zu 1,3 Meter lang werden, schwere Biber bringen über 30 Kilo auf die Waage, normal sind für einen erwachsenen Nager jedoch knapp 20 Kilo. Biber können 12 bis 14 Jahre alt werden, heißt es auf der Internetseite des Landesamtes für Umweltschutz. Aktiv sind sie vor allem in der Dämmerung oder nachts, den Tag verbringen sie in ihren Bauen oder Burgen, deren Eingänge stets unter Wasser liegen. Biber halten keinen Winterschlaf, sind aber bei sehr kalten Temperaturen weniger unterwegs.
Lebensraum: Das größte Nagetier Europas lebt laut Internetseite des Bund Naturschutz (BN)extrem territorial. Eine Familie benötige als Revier ein Gebiet mit einem bis drei Kilometern Uferlänge. Bei ausreichendem Nahrungsangebot reicht laut Biberberater Klaus Petter aber auch ein kleineres Gebiet. Eine Familie besteht maximal aus dem Elternpaar, den Jungen vom Vorjahr und dem aktuellen Nachwuchs. Rivalen werden vertrieben.
Verbreitung: 506 Biberreviere hat die Naturschutzbehörde der Regierung 2017 in Unterfranken gezählt, geschätzt leben dort 1700 Exemplare. Im Landkreis Kitzingen sind es aktuell rund 300 Tiere in 80 Revieren.
Biberberater: Im Landkreis Kitzingen sind neben Klaus Petter (Mainstockheim) Henning Wiedenroth (Willanzheim) und Frank Stierhof (Dornheim) ehrenamtlich als Biberberater im Einsatz. Sie sollen bei Konflikten rund um den Biber und dessen Bauten vermitteln und über das besonders und streng geschützte Tier informieren. Der Biber darf weder gestört, noch verletzt oder getötet werden, seine Baue und Dämme dürfen nicht beschädigt oder zerstört werden.
Ureinwohner: Der Biber war Millionen Jahre auf dem Gebiet des heutigen Bayern zuhause, dort im 19. Jahrhundert aber vollständig ausgerottet. In den 1960er-Jahren begann der BN zusammen mit dem Bayerischen Landwirtschaftsministerium, Biber aus anderen Ländern hauptsächlich an der Donau auszusetzen. Die Tiere vermehrten sich besser und schneller als gedacht und eroberten relativ schnell viele alte Lebensräume zurück.
 
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