In Hamburg soll künftig ein Teil der neu errichteten Sozialwohnungen mit einer hundertjährigen Mietpreisbindung ausgestattet werden. In Berlin hat sich eine Expertenkommission gerade dafür ausgesprochen, Wohnraum zu vergesellschaften – und eine hessische Kleinstadt mietet seit Jahren Häuser und Wohnungen an, um sie dann an Bedürftige weiterzuvermieten. Das sogenannte Viernheimer Modell hat es in einschlägigen Kreisen zu bundesweiter Aufmerksamkeit gebracht. Manche Kommunen haben es aufgegriffen.
Auch die Grünen in Kitzingen können sich vorstellen, dass es einen "wesentlichen Beitrag" leisten könnte, die Wohnungsnot in der Stadt zu lindern. So steht es im Antrag, den die Partei gerade im Stadtrat eingebracht hat. Das Problem ist: Die Mehrheit des Gremiums sieht es anders.
Jeder Mensch habe ein "Grundrecht auf Wohnraum", sagte Grünen-Fraktionschefin Andrea Schmidt. Aber bezahlbares Wohnen wird nach Einschätzung des Immobilienverbands GdW immer schwieriger. Es drohe eine nie dagewesene Krise, teilte der Verband kürzlich in Berlin mit und verwies auf neue Prognosen. Die Gründe seien vielfältig: höhere Zinsen, die Inflation, langfristige Effekte der Corona-Pandemie sowie strenge politische Vorgaben für mehr Klimaschutz. "Unter den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen können die sozial orientierten Wohnungsunternehmen nicht mehr in bezahlbaren Wohnungsbau investieren", wurde GdW-Präsident Axel Gedaschko zitiert.
In Würzburg gibt es längst eine Quote für sozialen Wohnungsbau
Die Grünen sehen auch in Kitzingen seit Jahren "ein erhebliches Defizit" an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen. Doch weder der Vorstoß der Partei zur Einführung einer Sozialwohnungsquote bei Neubauten, wie sie 2018 etwa der Würzburger Stadtrat beschlossen hat, noch die Idee der SPD zur Einrichtung eines Wohnungsfonds hatten im Stadtrat Aussicht auf Erfolg. Von „unzähligen Diskussionen“ berichtete Andrea Schmidt, sie alle hätten zu keinem Ergebnis geführt. Deshalb versuchten es die Grünen jetzt erneut und warben intensiv für das Viernheimer Modell.
Die hessische 35.000-Einwohner-Kommune rief 2016 das Projekt "Vermiete doch an die Stadt!" ins Leben. Mit der Flüchtlingskrise waren damals viele Migranten in die Stadt gekommen, die zunächst in Sammelunterkünften oder in Hotels untergebracht wurden. Der Versuch, sie später in normale Wohnungen einzuquartieren, war vielfach zum Scheitern verurteilt. So entwickelten der Leiter des Bauamts und sein Kollege aus dem Sozialamt die Idee, dass die Stadt Viernheim selbst Wohnungen anmietet und sie an Bedürftige weitervermietet.
Der Gedanke dabei: Die Stadt überweist als Vertragspartnerin die (ortsübliche) Miete an die Wohnungseigentümer und gibt die Mietkosten dann an die Untermieter weiter. Seit Beginn des Projekts wendet sich Bürgermeister Matthias Baaß (SPD) an die Viernheimer Bürger, Wohnungseigentümer und Hausbesitzer mit der Bitte, leerstehenden Wohnraum an die Stadt zu vermieten.
Die Kitzinger Grünen haben sich in Viernheim umgehört und sprechen von einem Erfolgsmodell. Rund 100 Wohnungen sind laut Stadträtin Gisela Kramer-Grünwald auf diese Weise bislang vermittelt worden. An Ausländer, Großfamilien, Alleinerziehende oder Geringverdiener, die sonst nur geringe Aussichten gehabt hätten, eine Mietwohnung zu finden. Doch im Kitzinger Stadtrat gab es jetzt von Beginn an Gegenwind.
Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) sagte, die Stadt sei "keine Sozialbehörde". Für diesen Zweck gebe es die städtische Bau GmbH – oder den Landkreis. "Wir zahlen als Stadt Kreisumlage dafür, dass wir sozial Schwächere und deren Nöte abdecken." Würde die Stadt in das Modell einsteigen, sei das wie "Vollkasko für Vermieter", so Güntner, denn säumigen Mietern müsste im Zweifel die Stadt hinterherlaufen.
Auch Bürgermeisterin Astrid Glos, sonst stets auf der Seite der Armen und Schwachen, sprach sich vehement gegen das Modell aus. Der städtische Haushalt würde "immer weiter aufgebläht" – und überhaupt: "Wir können es uns als Stadt nicht permanent leisten, dem Vermieter alles abzunehmen, was er sich bisher scheute zu machen." Die Weichen müssten bei der Baugesellschaft gestellt werden. Doch Klaus Christof (KIK) verwies darauf, dass die Bau GmbH zuletzt "grundsätzlich mit dem Versuch gescheitert" sei, neuen Wohnraum zu schaffen.
Die 59 Sozialwohnungen sind nur ein Ersatz für die vorherigen
Das sah auch Manfred Paul (SPD) so. Außer beim Ersatzneubau von 59 Sozialwohnungen in der Breslauer Straße sei es der Kommune in den vergangenen 20 Jahren nicht gelungen, zusätzliche Wohnungen zu errichten. Und da die Stadt auch keine Bauflächen anbieten könne, müsse sie zusehen, den vorhandenen Wohnraum optimal zu nutzen, um zu wachsen. Viele Familien seien schon aus Kitzingen weggezogen, weil sie an der Wohnungssuche verzweifelt waren.
Dass auch die Stadt Viernheim eine eigene Baugesellschaft habe und dennoch parallel dazu Wohnungen vermittle, gab Gisela Kramer-Grünwald noch zu bedenken. Doch um den Stadtrat zu überzeugen, half das ebenso wenig wie der Hinweis, dass sich die Höhe der Miete an der Vorgabe des Jobcenters orientiere. Eine deutliche Mehrheit von 16 Mitgliedern lehnte auch diesen neuerlichen Vorstoß ab, für mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu sorgen. Es gab nur acht Stimmen für den Antrag der Grünen.
Leider scheint man bis heute nicht daraus gelernt zu haben.
Kein Mut, keine Ideen, keine Veränderung.
Aber an die armen Vermieter soll man doch denken, na klar!