Wenn man die aktuellen Probleme auf deutschen Baustellen kennt, ist man geneigt zu sagen: Die Kitzinger Baugesellschaft hat bei der Fertigstellung der 59 Sozialwohnungen in der Breslauer Straße eine Punktlandung hingelegt. Für 1. Juli war der Einzug der ersten Mieter geplant. Trotz Corona, trotz Materialnot, trotz Fachkräftemangel allerorten wird es nun der 1. Oktober werden. Am Freitagvormittag hat Oberbürgermeister Stefan Güntner die Wohnanlage in der Siedlung offiziell eröffnet. "Wahnsinnig lang, wahnsinnig umstritten" sei der Weg bis zur Fertigstellung gewesen. Anwohner beschwerten sich über Lärm, und im Stadtrat wurde heftig über die energetische Ausrichtung der Gebäude gestritten.
14 Millionen Euro waren für das Projekt veranschlagt, das am 11. März 2020 mit dem ersten Spatenstich begonnen hatte. Letztlich wurde der Rahmen um rund 15 Prozent überzogen, wie Rebecca Hick, die Geschäftsführerin der städtischen Bau GmbH auf Nachfrage sagte. Der Freistaat förderte den Bau zu etwa zwei Dritteln. Entstanden sind auf diese Weise 59 moderne und helle Zwei- bis Vierzimmerwohnungen mit Größen von 55 bis 104 Quadratmetern. Von einem "großen Gewinn für die Siedlung" sprach Landrätin Tamara Bischof. Pfarrer Michael Bausenwein spendete den kirchlichen Segen und wünschte den künftigen Bewohnern, dass sie hier nicht nur ein Zuhause, sondern eine Heimat fänden.
Wenig erbaut waren die Mieterinnen und Mieter in den Gebäuden Breslauer Straße 2 bis 32, als sie 2012 von der Kitzinger Bau GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt, erfuhren, dass sie innerhalb der nächsten drei Jahre aus ihren Wohnungen ausziehen müssten. Ihre Häuser entlang der B 8, so hieß es, würden abgerissen, was Ende 2018 geschah. Für manche, die hier ihr ganzes Leben verbracht hatten, ein Schock. Doch die zwischen 1932 und 1937, den Anfangsjahren der Kitzinger Siedlung, errichteten Gebäude, waren zu marode, als dass sich eine Sanierung gelohnt hätte.
Ein Wettbewerb für das 2,25 Hektar große Areal wurde ausgerufen. Rasch war klar: Der Neubau würde sich am Bestand orientieren. Und: Der Bau der Sozialwohnungen würde nur dann gefördert, wenn eine vom Staat gesetzte Kostengrenze nicht überschritten wird. So stellte es im Sommer 2019 der vormalige OB Siegfried Müller gegenüber dem Stadtrat dar. Der Einbau von Photovoltaik, wie er von einigen im Gremium gefordert worden war, würde diesen Rahmen sprengen. Trotzdem sind auf den Flachdächern jetzt Solarmodule verbaut: Der städtische Energieversorger LKW hat die Flächen gemietet und wird dort Strom aus regenerativen Quellen produzieren, der auch den Mietern zugutekommt.
Die Innenhöfe der drei Häuser sind nach den Plänen des Kitzinger Architekturbüros Roth und Partner begrünt und mit Spielflächen ausgestattet. Jede Wohnung verfügt über einen Balkon oder eine Terrasse. Um Verkehrslärm zu mindern, sind alle Wohn- und Schlafräume zu den Innenhöfen hin ausgerichtet. Zudem gibt es Lärmschutzwälle bei den 83 Parkplätzen. Tim Gagel von der Regierung von Unterfranken lobte den Mut der Stadt, ein so großes Projekt zu stemmen, das sonst nur von großen kreisfreien Städten wie Würzburg, Schweinfurt oder Aschaffenburg angepackt werde.
Zehn Dreizimmerwohnungen hat die Stadt noch im Angebot. Die (Kalt-)Miete für ein 75-Quadratmeter-Appartement etwa liegt bei 595 Euro, hinzu kommen je 150 Euro Betriebskosten und Heizkosten sowie Stromgebühren, unterm Strich also etwa 950 Euro. Einkommensschwache Familien oder Personen erhalten auf Antrag Mietzuschüsse. Im angrenzenden Ärztehaus wollen ab 1. November Mediziner, Physiotherapeuten und eine Tagespflege ihre Praxen beziehen. Noch gehen dort die Handwerker ein und aus, um den ambitionierten Zeitplan einzuhalten.