Es ist ein Geisterhaus, das die Lage auf dem Kitzinger Wohnungsmarkt trefflich illustriert. Alte Poststraße 30, ein schmales Gebäude am Rande der Altstadt, Nähe Nordtangente, umrankt von alten Bäumen. Idylle pur, könnte man meinen. Seit Jahren steht es leer und verfällt, Menschen hat dieses Haus schon lange nicht mehr gesehen. Der Stadt fehlt als Eigentümerin das Geld, um es zu herzurichten. Für Andreas Moser ein Paradebeispiel. „Soll es weitere zehn Jahre brachliegen?“, fragt er. Der Stadtrat hat sich am Dienstagabend zu einer Sondersitzung getroffen. Einziges Thema: Wohnen in Kitzingen. Der städtische Wohnungsmarkt ist zum Stillstand gekommen, nicht nur Moser sieht das so. Als CSU-Fraktionsvorsitzender hat er den Wohngipfel beantragt. Fast wäre sein Antrag gescheitert.
Es ist nicht leicht, im Geflecht der städtischen Immobilien die Übersicht zu behalten. Es gibt zwei Player: Der kleinere ist die Stadt selbst mit einem Bestand von 198 Wohnungen, der deutlich größere ist die Kitzinger Baugesellschaft, eine 100-prozentige Tochter der Stadt. Sie verwaltet aktuell 514 Wohnungen, gehört nach eigenem Selbstverständnis zu den „mittelgroßen Wohnungsbaugesellschaften“ hierzulande; sie arbeitet mit eigenem Geld und auf eigenes Risiko. 1927 gegründet, soll sie die Kitzinger Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum versorgen, so steht es im Gesellschaftervertrag. Wie sie das tut, bleibt ihr selbst überlassen. Aber Fakt ist aus Sicht von Geschäftsführerin Rebecca Hick, dass sich im Laufe der vergangenen fünf Jahrzehnte eine Schieflage entwickelt hat, die schwer zu beheben ist.
Seit 1980 ergibt sich eine Schieflage auf dem Wohnungsmarkt
Von 1950 bis 1972 ließ die Bau-GmbH öffentlich geförderte und frei finanzierte Wohnungen im Wechsel errichten. Aus dieser Zeit stammt der größte Bestand der 35 Liegenschaften. Doch seit 1980 baut die Gesellschaft laut Hick nur noch öffentlich geförderten Wohnraum. Diese Wohnungen für Mieter mit geringem oder mittlerem Einkommen müssen vorfinanziert werden und unterliegen einer Mietpreisbindung, Geld vom Staat fließt in der Bauphase immer erst dann, wenn ein gewisser Fortschritt sichtbar ist. Für ein Unternehmen mit überschaubarer Liquidität ist das ein Problem.
Die Stadt nimmt für diese Objekte anfangs Verluste in Kauf, die sie durch die Erlöse aus frei finanziertem Wohnraum in der Regel ausgleicht. Verschiebt sich das Verhältnis aber zu sehr in Richtung Sozialbauten, wird die Lage kritisch. Auch die 59 Sozialwohnungen, die gerade in der Breslauer Straße am Rande der B8 gebaut werden, sind öffentlich gefördert. „Ein Neubau in dieser Größe“, sagt Rebecca Hick, „stellt die Kitzinger Baugesellschaft vor Liquiditätsprobleme.“
Aufgrund des begrenzten Eigenkapitals ist die Bau-GmbH nur noch dann in der Lage zu bauen, wenn sie zumindest die Grundstücke besitzt, auf denen die Gebäude stehen. Dass es im Stadtgebiet kaum noch freie städtische Grundstücke gibt, macht die Lage nicht einfacher. Die Beteiligten wollen deshalb zu einem Trick greifen, die auch Andreas Moser in seinem Antrag formuliert hat: „Das Thema Wohnen soll in eine starke Hand gelegt und die Doppelstruktur beseitigt werden.“ Das bedeutet konkret: Die Bau-GmbH übernimmt einen Teil der städtischen Wohnungen und ist damit künftig allein für den Bereich Wohnen verantwortlich. Die Stadt kümmert sich nur noch um die Obdachlosenunterkunft.
Keine einzige städtische Wohnung in den vergangenen zehn Jahren
Aus Sicht der Beteiligten könnte mit diesem Kniff der ins Koma gefallene Kitzinger Wohnungsmarkt wiederbelebt werden. Moser beklagt derzeit einen „Lähmungszustand“, der nicht neu sei. Schon seit Längerem falle die Stadt als Investor für neue Wohnungen aus. In den vergangenen zehn Jahren sei von dieser Seite keine einzige neue Wohnung entstanden. Spitz fragt Moser die Kollegen im Stadtrat: „Wollen Sie weiter Mangelverwaltung betreiben oder befürworten Sie wie ich eine Neuausrichtung?“ Im vergangenen Sommer hat er zu diesem Thema eine Sondersitzung beantragt, der Antrag kam nur mit einer Stimme Mehrheit zustande. Für Moser ein Zeichen, dass sich nicht alle der Problematik bewusst sind.
Was hat der Abend im Stadtrat nun gebracht? Immerhin ist man sich weitgehend einig, die Bau-GmbH zu stärken, indem man ihr Gebäude und womöglich auch Grundstücke überträgt. Klar ist aber auch geworden: Die Baugesellschaft will nur einen kleinen Teil der städtischen Objekte übernehmen: Hindenburgring Nord 10, Innere Sulzfelder Straße 15c, Rosenstraße 24 und Wörthstraße 38, alles Immobilien mit entsprechend groß geschnittenen Wohnungen, die sich wirtschaftlich betreiben lassen.
Rosinenpickerei wirft mancher im Rat der GmbH-Chefin deshalb vor. Thomas Rank (CSU) umtreibt die Sorge, „dass sich die Bau-GmbH etwas übernimmt“ und an dem großen Happen verschluckt. Er gibt der Chefin den „Rat“, man solle sich erst einmal um das Großprojekt in der Breslauer Straße und dann um die stillgelegte Tiefgarage in der Herrnstraße kümmern. „Danach können wir uns über andere Dinge unterhalten.“
Andere Räte fürchten um die Einflussmöglichkeit der Stadt, wenn sie sich von Objekten trennt. Klaus Heisel (SPD) sagt: „Wir geben einen großen Teil unserer Mitbestimmung ab.“ Andrea Schmidt (Grüne) erklärt: „Jetzt hat die Stadt noch Zugriff auf die Mieten. Ich habe Bedenken, dass die Bau-GmbH auf höhere Renditen abzielt.“ SPD-Fraktionschef Manfred Paul verweist auf das große Ganze: „Sind wir künftig noch Gestalter oder nur noch Verwalter? Wenn die Stadt meint, wir brauchen Wohnraum, dann muss sie die Bau-GmbH mit Mitteln ausstatten.“
Für Rebecca Hick ist klar: Wenn die Baugesellschaft neu bauen soll, braucht sie auf Dauer mehr Eigenkapital. Das könnte durch die Übertragung von Grundstücken, etwa in der Egerländer Straße und in der Tannenbergstraße, passieren. Die darauf stehenden städtischen Objekte sind in schlechtem Zustand und bedürfen neuer Überlegungen. Hick sagt: „Grundsätzlich muss das Interesse der Kitzinger Baugesellschaft sein, künftig mehr günstigen freifinanzierten Wohnraum zu bauen.“
Es fehlt an Fantasie, an Grundstücken – und an Geld
Wie geht es weiter? Auch wenn das Ziel definiert ist, so ganz klar ist die Richtung am Dienstag nicht geworden und vor allem nicht, ob die vorgeschlagene Richtung die drängenden Probleme löst. Stadt und Bau-GmbH wollen jetzt die Übergabe der ausgesuchten Wohnungen vorbereiten. Mehr können beide Parteien gerade nicht tun. OB Stefan Güntner stellt klar: Mehr als die 59 Sozialwohnungen in der Breslauer Straße sind derzeit nicht möglich, weil nicht bezahlbar. Klar wird in dieser Sitzung: Die Wohnungsbaupolitik war in den vergangenen Jahren in Kitzingen eher Nischenpolitik. Das Versäumte ist nicht an einem Abend nachzuholen. Es fehlt nicht am Willen, aber es fehlt an Fantasie, es fehlt an freien Grundstücken, und letztlich fehlt es auch an Geld. Diesen Konflikt zu lösen wird Aufgabe der nächsten Jahre sein.