Es war wie beim großen Schlussverkauf: Viele gaben sich in wohliger Konsumlaune, bekannten sich wortreich zum innerstädtischen Einzelhandel, und so gab es – zur allgemeinen Verblüffung – doch noch eine große Mehrheit für das vieldiskutierte Einzelhandelskonzept. Mit 24 zu 3 Stimmen brachte der Kitzinger Stadtrat am Donnerstagabend das umstrittene 120-Seiten-Paket auf den Weg und überraschte sich damit wieder einmal selbst.
Nach den vorangegangenen Kontroversen war allenfalls mit einer knappen Mehrheit gerechnet worden. Dann aber stimmten die Zweifler und Zauderer – aus Sorge, der Stadt könnten Fördermittel in Millionenhöhe verloren gehen – doch zähneknirschend zu.
Vor allem der CSU-Mann Andreas Moser, ein überzeugter Kämpfer für die Innenstadt, hatte zuvor akribisch Lobbyarbeit geleistet und den Kritikern die möglichen Konsequenzen aufgezeigt, sollte das Konzept tatsächlich scheitern. In einem internen Papier an alle Stadträte ging es ihm einerseits um die auf dem Spiel stehenden Zuschüsse der Regierung für städtebauliche Projekte, andererseits aber auch um ein wichtiges Steuerungselement bei künftigen Gewerbeansiedlungen auf der grünen Wiese.
"Wenn keine Sortimentsliste beschlossen wird, kann jeder Handels- oder Gewerbetreibende in seinem bestehenden Betrieb oder einem Neubau auch Mode oder Schuhe anbieten und somit die Innenstadt schwächen." Mosers Folgerung: "Alle Stadträte, die das Konzept ablehnen, befürworten eine künftig unkontrollierte Ansiedlung von Märkten."
Eine Warnung, die Wirkung zeigte. Denn selbst die vom Konzept nicht überzeugte "überfraktionelle Gemeinschaft" aus FW/FBW, UsW, ProKT, Bayernpartei und der fraktionslosen Bürgermeisterin Astrid Glos vollzog binnen kurzer Zeit eine erstaunliche Wendung. In einem zuvor veröffentlichten Papier war noch die Rede davon, das Einzelhandelskonzept verhindere eine "zukunftsweisende Entwicklung" der Stadt und sei "nicht in der Lage, unsere Einzelhändler in der Innenstadt zu schützen, geschweige denn zu retten".
Die Skeptiker stimmen für das Konzept, stellen aber eine Bedingung
In der Sitzung signalisierte dann Zweiter Bürgermeister Manfred Freitag (FW/FBW) überraschend die Zustimmung der Gruppe zu dem Konzept. Einzige Bedingung: Der Stadtrat solle über jede Bauvoranfrage eines Gewerbebetriebs informiert werden und so die Entscheidungshoheit behalten.
Nach den Verwerfungen der jüngsten Zeit – der OB sprach zuletzt von "vogelwilden Diskussionen" – war es schon als Erfolg zu werten, dass es an diesem Abend überhaupt eine Entscheidung zu dem Konzept gab. Den Praxistest muss die 120 Seiten starke Expertise allerdings erst noch bestehen, denn auch in der Vergangenheit gab es – trotz eines existierenden Papiers von 2012 – Entwicklungen auf der grünen Wiese, die den Zielen von Stadt und Einzelhandel zuwiderliefen. Berühmtestes Beispiel dafür war sicherlich 2009 die Ansiedlung des Drogeriemarkts Müller am Stadtrand, der sehr wohl zentrenrelevante Sortimente führte. Schon damals sollte das durch das Konzept verhindert werden.
Ziel ist ein wirksamer Schutz für den Einzelhandel
Jetzt wird das Papier von 2012 aktualisiert, unter anderem mit einer an die Innenstadt angepassten Sortimentsliste. Manfred Paul (SPD), auch er ein engagierter Streiter für eine lebendige Innenstadt, erhofft sich durch die Regulierung einen wirksamen "Schutz für den Einzelhandel".
Der Stadtmarketingverein begrüßt das Konzept als "rechtliche Grundlage für Verhandlungen" und drängte im Vorfeld sehr auf eine Fortschreibung. Für Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) werden damit – weit über das Thema Lebensmittel hinaus – die Leitlinien der Stadtentwicklung verankert.
So blieben am Ende wenige Skeptiker wie Lars Goldbach (fraktionslos). "Ich verstehe immer noch nicht, was wir schützen wollen. Wir haben jahrelang versäumt, die Innenstadt zu schützen." Wolfgang Popp (KIK) sprach mit Blick auf die Aktualisierung des Papiers von einer "Fortschreibung der Ohnmacht", die seit Jahrzehnten in der Innenstadt um sich greife.
Jens Pauluhn (ÖDP) verwahrte sich gegen dieses "Untergangsszenario" und mahnte: "Wir sollten nicht immer alles schlechtreden." Auch der OB widersprach dem Eindruck Popps und sagte: "Wenn ich durch die Kitzinger Innenstadt gehe, habe ich immer noch sehr gute Fachgeschäfte, etwa für Herren- oder Damenmode oder für Spielwaren."
Der Stadtmarketingverein sieht schwierigen Generationswechsel
Der Stadtmarketingverein hatte in seiner Stellungnahme angemerkt, es brauche gemeinsame Anstrengungen, "um aus Kitzingen einen attraktiven Standort für jüngere Einzelhändler zu machen". Bei einer Vielzahl von Geschäften stehe ein schwieriger Generationswechsel bevor. Hier hakte auch Pauluhn ein. "Wenn wir junge Leute animieren wollen, müssen wir ihnen eine Perspektive bieten."
Von der ÖDP war auch der Antrag gekommen, an der Dagmar-Voßkühler-Straße einen kleinen Nahversorgungsstandort zu erhalten, wenn Aldi und Rewe – vermutlich 2026 – in die neue Einkaufsgalerie Marshall Heights ziehen werden. Die Stadt, so der Tenor des Antrags, solle alles Nötige dafür tun. Doch der OB warf die Frage auf, ob man im Rathaus überhaupt Einfluss auf die Entscheidung von Unternehmen nehmen könne oder ob dies nicht der Markt regele.
Bei allen Treueschwüren und Bekenntnissen zum innerstädtischen Einzelhandel wird entscheidend sein, was Alt-OB Siegfried Müller (UsW) sagte: "Ich hoffe, dass viele nach all den Schaufensterreden auch in Kitzingen einkaufen gehen."