zurück
Kitzingen
Einzelhandelskonzept: Eine Anleitung, wie Handel und Kundschaft in Kitzingen besser zusammenfinden
Das umfangreiche Papier bestätigte manche Erwartungen im Stadtrat, brachte aber auch neue Erkenntnisse. Und es befeuerte den Streit um ein Einkaufszentrum in den Marshall Heights.
Wie kann man den Einzelhandel in Kitzingen stärken und zugleich dafür sorgen, dass die Bevölkerung mit den nötigen Waren in zumutbarer Entfernung zum Einkauf versorgt wird? Ein neues Einzelhandelskonzept soll dafür Empfehlungen liefern. 
Foto: Andreas Brachs | Wie kann man den Einzelhandel in Kitzingen stärken und zugleich dafür sorgen, dass die Bevölkerung mit den nötigen Waren in zumutbarer Entfernung zum Einkauf versorgt wird?
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:40 Uhr

Die Stadt Kitzingen hat ihr Stadtgebiet darauf analysieren lassen, welche Einkaufsmöglichkeiten es an welcher Stelle gibt, wo noch Bedarf herrscht und wie die Wechselwirkungen von Märkten auf der grünen Wiese und Einzelhandelsgeschäften in der Innenstadt ausfallen. Die Analysen und Erkenntnisse daraus sollen das aus dem Jahr 2012 stammende Einzelhandelskonzept der Stadt fortschreiben. Das Stadtplaner-Büro Stadt + Handel, Niederlassung Karlsruhe, ist damit beauftragt. 

Am Donnerstag präsentierte Niederlassungsleiter Andreas Schuder den Entwurf im Stadtrat. Er stellte klar: "Das ist nicht das Konzept zur Rettung der Innenstadt!" Vielmehr gingen die Erhebungen und Analysen deutlich darüber hinaus. Sie betrachten den gesamten Einkaufsstandort Kitzingen. Folglich geht es auch darum zu erkennen, in welchen Stadtbereichen welche Sortimente fehlen und wo noch etwas angesiedelt werden könnte.

Schuder sagte, man habe alle Betriebe im Einzelhandel erfasst, ihre Sortimente, Verkaufsflächen und Umsätze. Zudem habe man sich angeschaut, wie viel Kaufkraft die Kitzingerinnen und Kitzinger besitzen und welche von außen zufließt. Dabei erfuhr der Stadtrat auch, dass die Kaufkraft der Kitzinger Bevölkerung langsamer wächst als im Durchschnitt Deutschlands. Sprich: Über alle Köpfe verdienen die Menschen hier weniger als anderswo.

Eine weitere Erkenntnis: Die Abflüsse an Kaufkraft, die sich auf den Online-Handel verlagert, sind – befeuert durch die Pandemie – nochmals gewachsen. In manchen Sortimenten bezieht die Kundschaft inzwischen die Hälfte der Artikel aus dem Online-Versand. Dabei steht der Einzelhandel laut Schuder sowieso schon unter Druck durch Corona-Lockdowns, steigende Inflation, Auswirkungen des Ukraine-Kriegs wie steigende Energiepreise und die zurückgehende Kauflaune angesichts der finanziellen Belastung der Bevölkerung.

Kitzinger Einzelhandel hat ein Drittel seiner Betriebe verloren

Noch ist der Einzelhandel in Kitzingen bunt. Der Stadtrat diskutiert zurzeit, wie das so bleiben kann.
Foto: Andreas Brachs | Noch ist der Einzelhandel in Kitzingen bunt. Der Stadtrat diskutiert zurzeit, wie das so bleiben kann.

Stadt + Handel hat festgestellt, dass in Kitzingen noch 88 Einzelhändler ansässig sind, ein Drittel weniger als 2012. Daher sei es sinnvoll zu überlegen, in welchen Stadtgebieten man welche Sortimente neu ansiedeln möchte. In manchen werde es keine Entwicklung mehr geben, prophezeite Schuder. Auch müsse man die Frequenz der Innenstadtbesucher erhöhen, damit sie auf den Handel aufmerksam würden.

Dazu gehört, sich auch die Gastronomie-Szene der Stadt anzuschauen und das Erscheinungsbild der Plätze und Gassen zu betrachten. Konkret sagte Schuder, es sei nötig die Verbindungsachse Obere Kirchgasse – Schwalbenhof zu stärken und besonders den "Hinterhof-Charakter" von Kirchgasse und Kirchplatz zu verbessern.

Der "Nahkauf" in der Siedlung könnte bald erweitert werden

Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung lag auf der Nahversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Die Stadt insgesamt sei qualitativ und quantitativ gut aufgestellt, sagte der Experte. Das erkenne man auch am Zustrom von Auswärtigen. Wichtig sei allerdings, sich einzelne Gebiete genauer anzusehen. Schuder attestierte zum Beispiel dem "Nahkauf" in der Siedlung, er könne "locker doppelt so groß sein". Der Bedarf dafür sei vorhanden. Tatsächlich bestätigte Oberbürgermeister Stefan Güntner auf Nachfrage, dass es bereits Gespräche über eine Erweiterung gebe. Auch dem Edeka-Markt in der Wörthstraße traut Schuder einen Ausbau zu, gerade nachdem die Innenstadt-Norma geschlossen hat.

Für die Altstadt brachte der Fachmann neue Konzepte ins Spiel. So gebe es Tante-M-Läden, die ohne Personal mit Selbstbedienung funktionieren. Bezahlt wird elektronisch. Das spart Geld, und gleichzeitig können die Läden nahezu rund um die Uhr offen sein. Auch Tegut hat mit seinen Teo-Läden die Nahversorgung kleiner Bereiche im Blick. Solche Modelle könnten für die Kitzinger Altstadt attraktiv sein. Zumal die Stadt überlegen könnte, hierfür Flächen zur Verfügung zu stellen. Auch ein inklusiver Cap-Markt oder ein Dorfladen wurden diskutiert.

Streit um Einkaufszentrum in den Marshall Heights flammt wieder auf

In den Marshall Heights, an der B 8 (im Bild rechts im oberen Drittel), soll ein neues Einkaufszentrum entstehen.
Foto: Johannes Kiefer | In den Marshall Heights, an der B 8 (im Bild rechts im oberen Drittel), soll ein neues Einkaufszentrum entstehen.

Eine zwiespältige Debatte löste Schuder aus, als er sich zur geplanten Ansiedlung von Märkten in den Marshall Heights, entlang der B 8, äußerte. Der Stadtrat hatte im Sommer 2021 mit 18:10 Stimmen grundsätzlich dem Vorhaben zugestimmt. Nach neuesten Informationen sollen dort ein Vollsortimenter-Lebensmittelmarkt, ein Bio-Fachmarkt, ein Getränkemarkt und eine Drogerie entstehen. Besitzer Georg Wittmann will dazu die Fläche an der B 8 verkaufen und sie durch einen Investor entwickeln lassen.

Schuder erklärte, dass mit der Ansiedlung der Märkte an der B 8 zugleich eine Verlagerung der Geschäfte an der Dagmar-Voßkühler-Straße zu erwarten sei. Sie würden sonst am jetzigen Standort unwirtschaftlich. Damit einher gehe, dass rund 3500 Einwohner der Stadt sich umorientieren müssten. Ein Teil werde wohl bei Edeka in der Wörthstraße einkaufen, ein anderer im neuen Einkaufszentrum in den Marshall Heights. 

Die Analyse prognostizierte aus diesem Grund deutlich mehr Verkehr auf der B 8. Daher müsse man die Anbindung der neuen Märkte über einen Kreisverkehr oder ähnliches regeln. Auch sei die Hanglage dort nicht einfach zu bebauen, was letztlich hohe Kosten und Pachten bedeuten werde. Während in der Dagmar-Voßkühler-Straße heute 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung stünden, würden es in den Marshall Heights etwa 4500 sein. 

Schuder räumte auch mit dem Begriff "Nahversorgung" für diesen Bereich auf. Dafür sei das Zentrum "überdimensioniert". Bräuchten nur die 3500 Einwohner – künftig maximal 4500 – des neuen Stadtteils für sich eine Einkaufsmöglichkeit, so würden 1350 Quadratmeter genügen. Allerdings war den Räten klar, dass das geplante Zentrum an der B 8 Kundschaft aus der Innenstadt, aus Repperndorf und Biebelried sowie eine Vielzahl von Pendlern anziehen werde. 

Befürworter und Gegner des Einkaufszentrums nahmen die Aussagen zum Anlass, nochmals grundsätzlich darüber zu diskutieren. Immobilienbesitzer Georg Wittmann beendete den Disput mit der Aussage: Das Zentrum in den Marshall Heights "ist in trockenen Tüchern".

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Andreas Brachs
Edeka-Gruppe
Einkaufszentren
Einzelhändler
Internet-Versandhäuser
Stadt Kitzingen
Stadträte und Gemeinderäte
Stefan Güntner
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top