Dieser Moment, wenn man im Internet etwas entdeckt, wonach man lange gesucht hat. Es könnte ein echtes Schnäppchen sein. Doch dem Freudenmoment folgt die Frage: Ist es zu gut, um wahr zu sein? Umso mehr, wenn es nicht um eine Handtasche geht, sondern um etwas Größeres. Viel Größeres. Denn es war eine Drehleiter, die an einem Samstagmorgen im März auf Moritz Hornungs Bildschirm erschien.
Der Feuerwehrmann aus Volkach war nämlich – mal wieder – auf der Internetseite zoll-auktion.de unterwegs. Diese nennt sich selbst das "Auktionshaus von Bund, Ländern und Gemeinden". Dort zu finden ist eine wilde Mischung an neuen und gebrauchten Dingen vom Single Malt Whiskey über Goldmünzen bis zum Traktor.
Günstige Ausrüstung für die Feuerwehr im Online-Auktionshaus
Mitbieten darf jeder, der schon lange von einem Perlencollier oder Müllauto geträumt hat. Feuerwehr-Verrückte wie Moritz Hornung und seine Kameradinnen und Kameraden suchen dort gerne nach günstiger Ausrüstung beziehungsweise solcher mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Und genau das schien das Drehleiterfahrzeug zu sein, sagt Hornung: "super Aktenlage, 17 Jahre alt, mängelfrei, Erstgebot 95.000 Euro". Abzuholen in Bad Oeynhausen im Norden von Nordrhein-Westfalen.
Da war es schon, das erste Aber. Vier Stunden Fahrt in Kauf nehmen, um das Fahrzeug unter die Lupe zu nehmen? Das Zeitfenster war verdammt eng: Am Dienstag war bereits die Versteigerung; bis dahin mussten die Würfel gefallen sein. Denn der Stadtrat musste vorher über den Kauf entscheiden, der so nicht im eng gestrickten Volkacher Haushalt vorgesehen gewesen war.
Drei Kameraden fuhren Montagfrüh zur Drehleiter statt zur Arbeit
Doch bis Sonntagabend hatte Volkachs Kommandant Fred Mahler bereits eine Taskforce organisiert. Er selbst, sein Stellvertreter Frank Thurn und ein Nutzfahrzeug-Meister nahmen den Montag frei und fuhren um 6 Uhr los, 400 Kilometer gen Norden. Und was die drei Kameraden dort in Bad Oeynhausen sahen, gefiel ihnen richtig gut.
Fehlte also nur noch die Zustimmung des Stadtrats. Dazu sollte man zwei Dinge wissen: Zum einen waren im Volkacher Haushalt bereits gut 1,1 Millionen Euro für das Feuerwehrwesen vorgesehen, zum anderen war es in der Vergangenheit um das Verhältnis der Führungskräfte von Stadt und Feuerwehr nicht zum Besten bestellt. Vorsichtig ausgedrückt.
Feuerwehr-Referent Moritz Hornung hat sich einen Ruf erarbeitet
Doch das bewies die gemeinsame Hauruck-Aktion von Feuerwehr und Stadtrat deutlich: Die Misstöne wie der Ärger um die 2018 zwischenzeitlich außer Betrieb gestellte Teleskoprettungsbühne sind Schnee von gestern. Stattdessen hat sich Moritz Hornung (Grüne) in den vier Jahren als Feuerwehr-Referent nicht nur den Ruf einer Fleißbiene erarbeitet, sondern offensichtlich auch den Respekt seiner Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat. Sonst wäre es ihm vermutlich nicht gelungen, diese in der Sitzung am Montagabend vom Kauf zu überzeugen.
Sicherheitshalber hatte er dort trotzdem die Playmobil-Variante der Drehleiter dabei, um genau zu erläutern, welche Vorteile die Drehleiter gegenüber der Teleskoprettungsbühne (TRB) habe. Ein wichtiges Argument dabei war, dass es in Volkach Häuser gibt, die baurechtlich die Drehleiter als zweiten Flucht- und Rettungsweg benötigen.
Dieses Argument nennt auch Anja Hirt, Sprecherin der FWG-Fraktion. Sie lobt im Nachhinein, dass der Feuerwehr-Referent an diesem Montagabend die Fakten sachlich auf den Tisch gelegt habe und sagt dann den vermutlich entscheidenden Satz: "Dem Moritz vertraue ich auch." Ähnlich klingt das bei Volkachs Bürgermeister Heiko Bäuerlein (CSU), der ergänzt: "Es war wichtig, dass die Feuerwehr im Husarenritt da Montagfrüh hochgefahren ist, um die Katze nicht im Sack zu kaufen."
Beides Bausteine, die zum Ja des Volkacher Stadtrats führen. Und für Kämmerin Christina Gehring zum Auftrag, mitzubieten bei der Auktion am Tag danach. Mit Erfolg: Für gut 200.000 Euro ersteigert sie am Dienstag das große Fahrzeug, das neu über eine Million Euro kostet. Etwas Spielraum hätte die Kämmerin dabei sogar noch gehabt.
Feuerwehrleute optimieren die Drehleiter für Volkach
Kurz danach holt eine Abordnung der Volkacher Wehr die Drehleiter in Bad Oyenhausen ab. Und seitdem tun die Kameradinnen und Kameraden das, wofür sie vonseiten des Stadtrats und des Bürgermeisters mehrfach gelobt werden: Sie lassen reichlich Freizeit im Feuerwehrhaus, um das Fahrzeug für Volkach zu optimieren. Noch dazu werden sie die Teleskoprettungsbühne für den späteren Verkauf auf Vordermann bringen.
An der Drehleiter machen müsse man eigentlich nicht viel, sind sich Moritz Hornung und Sebastian Barth einig. Der stellvertretender Fachgruppenleiter Technik schraubt trotzdem ständig an ihr. Denn verbessern könne man noch einiges.
150 ehrenamtliche Stunden haben die Feuerwehrleute dafür bereits investiert. Bis zum ersten Einsatz der Drehleiter im Spätsommer dürften noch viele hinzukommen. Die Motivation in Volkach wirkt mindestens so groß wie die Freude über das Schnäppchen. Anja Hirt bringt es auf den Punkt: "Die Situation hat schnelles Handeln erfordert, und da haben wir alles richtig gemacht."
