Als Krischan Cords sich 2007 daran machte, seine Diplomarbeit über die Quitte zu verfassen, musste er schnell feststellen: So viele Informationen gibt's gar nicht. Die Quitte als scheue Frucht, die in der Literatur eher selten auftaucht. Zum Glück für den Studenten aus Partenstein im Main-Spessart-Kreis war ihm etwas zu Ohren gekommen.
Er erfuhr, dass es an der Mainschleife einen Mann gibt, der der gelben Frucht verfallen war und den Beinamen "Quitten-Papst" trug. Wenig später war der Kontakt zu Marius Wittur hergestellt – einer erfolgreichen Diplomarbeit an der FH Weihenstephan mit dem Schwerpunkten Obst- und Gemüsebau stand nichts mehr im Weg.
Von da an bestand zunächst loser Kontakt zwischen den beiden Männern. Sie verband die gleiche Leidenschaft. Man lief sich regelmäßig über den Weg. Bis vor zwei Jahren bei Cords das Telefon klingelte und der "Quitten-Papst" ihm eine große Frage stellte: Ob er vielleicht sein Nachfolger werden wolle? Oder er sich vorstellen könne, das Quitten-Projekt an der Mainschleife zu übernehmen?
Ein Projekt, das um das Jahr 2000 begonnen hatte. Alles ging mit einer zufälligen Entdeckung los: An der Mainschleife fiel Wittur "eine Schatzkammer alter Quittensorten" auf, wie er Jahre später berichten sollte. Der Beginn einer geballten Leidenschaft: Wittur tauchte in das Quitten-Mekka ein, stellte es auf neue Beine. Er führte die Quitte in die Gegenwart, nachdem sie – nicht nur in der Literatur – "in den vergangenen 150 Jahren ignoriert wurde".
Der Erfinder des Astheimer Quittenlehrpfades
Es folgte ein nie dagewesenes Rekultivierungsprojekt. Wittur erfand den vier Kilometer langen Astheimer Quittenlehrpfad. Pachtete Flächen. Ging unter dem Namen Mustea in die Vermarktung für regionale Bio-Produkte, die aus der mainfränkischen Kulturlandschaftspflege entstehen. Er machte eine Baumschule auf, um tausende von Bäumen zu veredeln. Wurde zum Retter der Astheimer Perlquitte, der Fränkischen Hausquitte oder auch der Volkacher Riesenquitte. In Untereisenheim baute er einen Quittenhof aus, begründete das Haus der Quitte in Volkach mit. Hielt Vorträge und bekam Preise verliehen. 20 Jahre Vollgas – ein Leben für die Quitte.
Auf die 50 zugehend, begann dann vor zwei Jahren ein neuer Lebensabschnitt. Der Quitten-Papst dankte, wenn auch schweren Herzens, ab. Aus privaten Gründen und weil es an der Zeit für einen Wechsel und für neue Projekte war. Vorher jedoch machte sich der gelernte Baumpfleger Gedanken, wer sein Erbe antreten und die Quitte an der Mainschleife, wo es heute um die 1000 Bäume gibt, weiterhin würdig vertreten könne – was zu besagtem Anruf bei Krischan Cords führte.
Der musste nicht lange überlegen. Das Angebot war für ihn eine Ehre. Weil er genau wusste, was Wittur geleistet hatte. Und weil es weiter gehen sollte. Ein abruptes Ende verbot sich, war doch die Mainschleife seit jeher Quittenland. Was nicht zuletzt ein Blick in das Volkacher Salbuch verdeutlicht: Darin erwähnt Stadtschreiber Niklas Brobst die Quitte bereits 1504. Die Quitte, vor 20 Jahren wiederentdeckt, sollte keinesfalls erneut in der Versenkung verschwinden – Cords übernahm.
An der Mainschleife wachsen 20 regionale Quitten-Sorten
Der neue Mann konnte auf einigem aufbauen: Da waren die 20 regionalen Quittensorten sowie 35 weitere Sorten aus aller Welt, die Wittur im Rahmen seines Rekultivierungsprojekts ausfindig gemacht hatte. Da war der Quittenlehrpfad. Und da waren die etwa vier Hektar gepachtetes Land, bunt verteilt auf 50 Standorte an der Mainschleife.
Ähnlich wie sein Vorgänger stürzte sich Cords in die Arbeit. Als ausgebildeter Fachmann für Obst- und Gemüsebau übernahm der 42-Jährige nach Stationen in verschiedenen Obstbaum-Betrieben im Jahr 2015 die Geschäftsführung der Main-Streuobst-Bienen eG in Würzburg. Dahinter verbirgt sich ein Zusammenschluss aus Streuobstbauern und Imkern, deren Ziele Erhalt, Pflege und Förderung von Streuobstbau und Bienenhaltung in der Region sind.
Seit Anfang 2023 hat sich Cords nun auch der Quitte verschrieben und setzt die Erhaltungsarbeit von Wittur fort. Im Mittelpunkt des Quittenprojekts stehen weiterhin die Vielfalt der Sortengärten und die Altbestände. Inzwischen werden auch wieder Quittenfrüchte zu Mustea-Produkten gemacht. Der Vertrieb findet derzeit online statt.
Ein entsprechender Ausbau der Produktpalette – derzeit umfasst das Angebot Secco, Wein und Saft – ist ebenso angedacht wie verstärkt Führungen auf dem Lehrpfad. Der Diplom-Gartenbauingenieur ist dort längst gut unterwegs – mit ähnlicher Begeisterung und Leidenschaft wie sein Vorgänger. Und mit ähnlichen Sätzen: "Die Quitte", sagt er, "ist eine magische Frucht." Ignoriert wird die Quitte an der Mainschleife also so schnell nicht wieder.