
Artenschutz, Regionalität, Nachhaltigkeit – diese Schlagworte sind spätestens seit dem erfolgreichen Volksbegehren »Rettet die Bienen« in aller Munde. Im Raum Lohr haben jedoch schon 2016 zwei Partner eine Kooperation gestartet, deren Ziel es ist, die Produkte einer umweltfördernden Landbewirtschaftung in möglichst viele Munde zu bringen: Die Stadt Lohr arbeitet seither mit der Main-Streuobst-Bienen eG zusammen.
Ziel der Kooperation ist es einerseits, für die Artenvielfalt bedeutsame alte Streuobstbestände durch fachkundige Pflege zu erhalten oder gar aufzuwerten. Zum anderen sollen aus dem Obst, überwiegend Äpfel und Birnen, hochwertige Säfte, Aufstriche, Brände und andere Produkte mit Bio-Zertifikat erzeugt und regional vermarktet werden. Und schließlich kooperiert die Genossenschaft auch mit Imkern.
In vielen Orten gehören Streuobstgürtel um die Siedlungen zum prägenden Bild der Landschaft. etwa auch in den Lohrer Stadtteilen Rodenbach, Halsbach oder Sackenbach. Etliche der Obstwiesen gehören der Stadt Lohr. Sie hat einen Großteil davon an Landwirte verpachtet. Diese, so sagt der städtische Umweltbeauftragte Manfred Wirth, seien jedoch vor allem am Gras der Wiesen interessiert, weniger an den Bäumen.
Ohne Pflege geht es kaum
Damit Obstbäume vital bleiben und hochwertiges Obst liefern, müssen sie jedoch regelmäßig gepflegt werden. Eine Aufgabe, die der Stadt hohen Aufwand beschere, so Wirth. Bei manchen Obstwiesen habe man es daher in den 1990er-Jahren mit Baumpatenschaften versucht. Privatleute konnten die Pflege von Obstbäumen übernehmen und durften dafür das Obst behalten. Doch das Konzept habe nicht funktioniert, so Wirth. Es habe das Wissen zum richtigen Baumschnitt gefehlt.
Im Bemühen, die Obstwiesen im Sinne der Landschaftspflege und des Artenschutzes in Schuss zu halten, stieß Wirt schließlich auf die 2014 gegründete Streuobst Bienen eG (siehe Hintergrund). Die hat mittlerweile sechs städtische Obstwiesen in Rodenbach, Halsbach und am Beilstein per Pachtvertrag unter ihre Fittiche genommen. Die Flächen umfassen zusammen gut 1,7 Hektar.
Zehn Hektar in Main-Spessart
Im gesamten Landkreis Main-Spessart bewirtschaftet die Genossenschaft nach Aussage ihres Geschäftsführers Krischan Cords rund zehn Hektar Obstwiesen, beispielsweise auch in Langenprozelten. Mit weiteren Flächen in den Landkreisen Würzburg und Kitzingen seien es rund 40 Hektar, Tendenz steigend, so Cords.
Der 37-jährige Gartenbauingenieur ist in Lohr geboren und in Partenstein aufgewachsen. Er ist der einzige Vollzeitmitarbeiter der in Margetshöchheim ansässigen Genossenschaft. Diese nimmt sich laut Cords bevorzugt Streuobstwiesen mit alten Obstsorten und Bäumen in schlechtem Pflegezustand an und richtet sie wieder her.
Im Falle einer großen Obstwiese am Waldrand oberhalb Rodenbachs geschah dies im vergangenen Winter durch massiven Schnitt der Bäume. Man habe tonnenweise Gehölz aus den völlig verwachsenen rund 120 Bäumen geschnitten, schildert Cords.
Bei einem Ortstermin machten er und Wirth sich nun ein Bild davon, wie sich die Bäume seither entwickelt haben. Beide waren angetan von dem, was sie sahen. Der Grundstock für die Ernte von hochwertigem Obst, das ohne jede Spritzmittel auskomme, sei gelegt.
Neben der Bewirtschaftung gepachteter Flächen und der Verarbeitung des von Mitgliedern angelieferten Obstes hat die Genossenschaft laut Cords noch ein zweites Standbein: Baumschnittkurse und Baumschnittarbeiten.
Wachsendes Interesse
Das Interesse an der Bewirtschaftung von Obstwiesen ist nach der Beobachtung von Cords gestiegen. Viele Gemeinden hätten erkannt, welchen allzu lange vernachlässigten Schatz sie da vor der Haustüre haben. Und auch bei Privatleuten gebe es ein neues Interesse an den Obstwiesen. Viele Genossenschaftsmitglieder seien Anfang 40, die Erbengeneration, wie Cords es nennt.
Auch bei den Konsumenten beobachtet er ein wachsendes Bewusstsein für die Herkunft des Obstes und die Art der Bewirtschaftung, mit der es erzeugt wird. »Wir glauben, dass der Blick auf die traditionelle Landwirtschaft noch steigen wird, weil die Verbraucher sehen, dass sie tolle Biotope hervorbringt«, sagt Cords.
Er wünsche sich, dass noch mehr Menschen sich bewusst machten, dass sie durch den bewussten Kauf hochwertiger regionaler Produkte einen Beitrag zum Erhalt von Lebensräumen leisten könnten. Den Mehrpreis, den man im Fall der Genossenschaft dafür pro Flasche Apfelsaft zahlen müsse, beziffert Cords auf 20 bis 30 Cent. Die Stadt Lohr erhofft sich aus der Kooperation mit der Genossenschaft sogar eine Ersparnis. Schließlich müsse man sich nun nicht mehr um die Obstbäume kümmern, stattdessen nur noch die Wiesen mähen. Man wolle jedoch, so betont Wirth, keinem der Landwirte, die Obstwiesen von der Stadt gepachtet hätten, diese wegnehmen.
Ziel: Annahmestelle in MSP
Cords indes hofft, dass die Genossenschaft im Landkreis weitere Flächen und Genossen findet. Ziel sei es, eine eigene Obstannahmestelle zu schaffen. Bislang betreibe man zwei solche Stellen im Würzburger Raum.