Wenn oben, auf der Dammkrone, die leeren Güterwaggons vorbeischeppern und unten, auf der Straße, die schweren Omnibusse Fahrt aufnehmen, fällt es noch schwerer, sich diesen Ort als etwas Heimeliges und Idyllisches vorzustellen. Früher walzten hier auch noch die brüllenden Panzer der US-Armee entlang. Den Kleingärten am Kitzinger Bahnhof und ihren Besitzern konnte all das nichts anhaben. Sie haben den Abzug der Amerikaner überlebt und die Modernisierung der Bahn, sie haben allen Stürmen getrotzt, indem sie sich etwas Anarchisches bewahrt haben.
Pendlerparkplatz soll erweitert werden
Die Gärten sind wild, ungeordnet und zum Teil chaotisch. Manche finden, das passe nicht mehr in die Zeit; andere sagen, sie stünden dem Fortschritt im Weg. Schon einmal waren sie dem Untergang geweiht – und wurden gerettet. Jetzt aber ist der Stadtrat entschlossen, sie zu opfern für etwas Größeres, Bedeutenderes. Für den Bahnhof der Zukunft.
Kurz vor Weihnachten hat der Stadtrat das Thema eher beiläufig abgeräumt. Das Aus für die Kleingärten – sozusagen als Kollateralschaden beim Umbau des Bahnhofs. Weil die Pläne vorsehen, den Pendlerparkplatz im Süden zu erweitern, soll die Abfahrt künftig direkt über die Innere Sulzfelder Straße erfolgen. Dieser Trasse sind die Kleingärten im Weg. Umweltreferent Uwe Hartmann (Bayernpartei) hat das Vorgehen schon in der Sitzung kritisiert. Er erinnerte daran, dass es gerade die „ordentliche Unordnung“ der Schrebergärten sei, die zur Artenvielfalt beitrage.
Kleingärten dienten einst dem Bahnpersonal als Zubrot
Für die Grünen leistete sich Gisela Kramer-Grünwald einen Exkurs in die Kulturgeschichte: Dem schlecht bezahlten Bahnpersonal hätten die Gärten einst als Teil des Auskommens gedient. Und Klaus Christof (KIK) lieferte sich ein kleines Scharmützel mit der Verwaltung, weil dieser bei der Suche im Archiv etwas Wesentliches durchgerutscht sei: ein Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2008, der besagt, dass die Kleingärten beim Umbau des Bahnhofs „nicht angerührt“ werden.
Im Nachgang schickte Christof an alle Stadtratsmitglieder eine „Erinnerungshilfe“ – ein dezenter Hinweis auf jenen von der KIK initiierten Bürgerantrag, der zum Ziel hatte, die Schrebergärten zu erhalten. Tatsächlich hatten damals 586 Menschen dafür unterschrieben, wie ein Blick ins Zeitungsarchiv zeigt. „Jetzt, nach 14 Jahren, will man sich in der Stadtverwaltung an diesen Bürgerantrag nicht mehr erinnern“, mokierte sich Christof.
Ein Bürgerantrag zum Parkdeck ist 2016 gescheitert
Verwunderlich, wo dieser Antrag doch viel Staub aufgewirbelt habe, weil der „vormalige OB Moser die Unterschriftslisten veröffentlichte und damit gegen das Datenschutzrecht verstieß“. Jetzt werde alles daran gesetzt, eine Verbindung vom Bahnhof in die Innere Sulzfelder Straße zu schaffen – mit weiteren Parkplätzen, die man laut Christof ohne Flächenverlust in Form eines Parkdecks hätte verwirklichen können. Auch dazu habe die KIK im Jahr 2016 einen Bürgerantrag eingereicht, der aber abgelehnt wurde.
Statt die KIK aufzufordern, den Nachweis für den Bürgerantrag zum Erhalt der Schrebergärten beizubringen, hätte Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) besser die Beschlusslage im Rathaus eruieren sollen, schreibt Christof in seiner Mail. Und: „Es wäre wohl ehrlicher zuzugeben, dass OB samt Rechtsrätin und Bauamtsleiter den damaligen Beschluss für obsolet halten und für eine Zerstörung der Kleingärten (…) agieren wollen.“ Güntner reagierte in der Januarsitzung auf die Vorwürfe und sagte, die Erde habe sich in 14 Jahren weitergedreht. Nach zwei Kommunalwahlen und einem größeren Stühlerücken im Gremium sei es „möglich, dass der Stadtrat eine andere Entscheidung trifft als 2008“.
Diese Entscheidung bedauern auch die Kitzinger Grünen. Vorstandmitglied Stefanie Schumacher lässt sich in einer Pressemitteilung so zitieren: „Diese Entscheidung widerspricht völlig dem Zeitgeist. Nicht umsonst erleben wir seit einigen Jahren bundesweit einen großen Nachfragetrend. Kleingärten mitten in der Innenstadt sind eine Besonderheit und tun dem Stadtklima gut.“
Stadtkämmerin Elisa Dietenberger hatte in der Dezembersitzung erklärt, dass es im Rathaus eine Warteliste mit 50 Namen gebe; all diese Leute interessierten sich dafür, einen der Gärten von der Stadt zu pachten. Es kämen immer wieder Anfragen zu den Schrebergärten, präzisiert Dietenberger auf Nachfrage der Redaktion. Allerdings gebe es auch häufiger Probleme, weil Gärten nicht richtig gepflegt würden und zum Teil verwahrlosten.
Wie viele der Kleingärten werden überhaupt noch genutzt?
Im Stadtrat hieß es, von den 16 Parzellen am Bahnhof werde nur noch ein Drittel genutzt. Stephan Küntzer (CSU) sprach von „Erdwüsten“ und meinte: „Schön anzuschauen sind sie nicht.“ Grünen-Vorstandssprecherin Eva Trapp kann diese Aussagen nicht nachvollziehen. Wenn einzelne Ratsmitglieder in Frage stellten, ob die Schrebergärten überhaupt noch genutzt würden, zeige das „nur die Ignoranz, in der hier oft Entscheidungen getroffen werden“. Alle diese Gärten würden sehr offensichtlich genutzt, womöglich seit Generationen. Nachprüfen lässt sich das im Detail nicht.
Stadträte wie Tobias Volk (FW-FBW) plädierten dafür, einen Ersatz für die Laubenkolonie etwa am Eselsberg zu schaffen. Das aber, so kritisiert Trapp, wäre nicht das Gleiche. „Die Kleingärten sind ein Stück Heimat, ein Erlebnisraum für Kinder, ein Lebensraum für Tiere, der sich nicht einfach durch eine andere Parzelle in einem anderen Stadtteil ersetzen lässt.“
Als Begleitgrün empfehle ichThuja oder Kirschlorbeer Hecken, sonst wird man die einheimische Vogelwelt kaum nachdrücklich vergrämen können.
immer wenn Verkehrsprobleme gelöst werden sollen, kommt die CSU mit neuen Straßen und Parkplätzen daher. Dann werden vielleicht noch ein paar Krokodilstränchen über die allgegenwärtige Versiegelung zerdrückt und damit hat sich's.
Genau das kann aber so nicht weitergehen.
MMn ist es völlig egal, ob bzw. wie die Kleingärten "bewirtschaftet" werden - was den Hauptschaden anrichten würde, wäre dass wieder Lebensräume/ ökologische Nischen für Pflanzen und Tiere unwiederbringlich zerstört würden - zugunsten von Asphalt und Blech.
Ich sehe das so, in KT gibt es genug "für die Umwelt eh schon verlorene" Flächen am Bahnhof, erst einmal sollte man die vernünftig(!) nutzen, wenn man dann überhaupt noch welche neu versiegeln muss. Einfach planieren und betonieren kann nicht (mehr) die Lösung sein, und Straßen gibt es in der Ecke definitiv genug. Oder will man vielleicht sogar noch mehr Verkehr dorthin ziehen?
In Würzburg gibt es an der Auffahrt zur B 13 eine schöne Kleingartenanlage.
Dieser Zustand in kitzingen ist nicht vorzeigbar.
OB Güntner hat komplett recht, wenn er sagt, dass der Stadtratsbeschluss von 2008 auf den Prüfstand gestellt werden Sollte.
Was spricht gegen eine Abstimmung, die Welt dreht sich auch in kitzingen weiter.