Am 29. Juni 2006 donnerten in Kitzingen die Kanonen und die US-Flagge wurde ein letztes Mal eingeholt. Die Army verabschiedete sich aus der Stadt und mit ihr rund 10 000 Amerikaner. Für die Stadt, die plötzlich ein Drittel Bewohner weniger hatte, ein einschneidendes Ereignis. Im Interview blick Oberbürgermeister Siegfried Müller auf den Abzug, aber auch auf die Zeit mit den Amerikanern zurück.
Frage: Wie hat die Stationierung der US-Truppen die Stadt Kitzingen beeinflusst?
Siegfried Müller: In der Nachkriegszeit war die Stadt zerstört. Da waren die Amerikaner zunächst Besatzungsmacht und bei der Bevölkerung gab es Ängste, wie es weiter geht. Und im Laufe der Jahrzehnte waren sie auch ausschlaggebend für die wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt. Das hat sich im Einzelhandel, bei den Gaststätten und im Taxigewerbe niedergeschlagen.
Wie empfanden die Kitzinger die Stationierung? War sie Fluch oder Segen?
Müller: Am Anfang gab es da, wie schon gesagt, sicherlich viele Ängste. Niemand wusste, ob die Amerikaner uns unterdrücken würden. Aber sie haben mit jedem Jahr mehr Ansehen gewonnen und sind zu Freunden geworden.
Wie hat die Stadt den Abzug der Truppen verkraftet?
Müller: Früher war das Nachtleben in Kitzingen etwas ganz besonderes, es war überregional bekannt. Das hat sich auf ein, ich würde sagen, normales Maß reduziert. Im Einzelhandel hat sich das langsamer ausgewirkt, weil die Soldaten vorher schon in ihren eigenen Läden eingekauft haben. Aber die Geschäfte merken das schon. Von den Zivilangestellten wurden viele versetzt oder sind in den Vorruhestand gegangen. Aber für die Betroffenen war das natürlich eine Belastung. Dass die ehemaligen Kasernengelände jetzt in privatem Besitz sind, beflügelt die Wirtschaft.
2006 waren plötzlich 400 Hektar ehemaliges Militärgelände frei geworden. Was ist mit diesen Flächen passiert?
Müller: Erst mal stand das alles leer. Eine kleine Fläche ist heute noch im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, alle anderen wurden veräußert. Zum Beispiel an den Golfclub. In den ehemaligen Larsson Barracks haben sich Firmen angesiedelt, da sind um die 500 Arbeitsplätze entstanden. Auch am Flugplatz sind jetzt viele Unternehmen. Mit den Arbeitsplätzen steigt jetzt auch die Nachfrage nach Wohnraum, der soll zum Beispiel in den Marshall Heights entstehen.
War es aus heutiger Sicht ein Fehler, dass die Stadt keine der Flächen gekauft hat?
Müller: Nein, das war die richtige Entscheidung.
Gibt es heute noch Kontakt zu US-Stellen?
Müller: Zu US-Stellen nicht, aber zu ehemaligen Soldaten. Außerdem gibt es viele Kitzinger, die in die USA ausgewandert sind. Einmal im Jahr veranstalten die ein Treffen, da schicken wir ein paar Werbegeschenke von der Stadt und ein Grußwort des Bürgermeisters hin.
Woran erinnern Sie sich in Bezug auf die Amerikaner?
Müller: Mir ist es noch gut in Erinnerung wie es war, wenn die Soldaten von ihren Manövern zurückgekommen sind. Die sind dann mit den Panzern die B 8 entlang gefahren und haben Schokoriegel und Kaugummi an uns Kinder verteilt. Das war wie ein Faschingsumzug.
Die Amerikaner und Kitzingen
Am 5. April 1945 marschieren die Amerikaner in Kitzingen ein, besetzen den Fliegerhorst und die Flakkaserne. Drei Tage später übernimmt das amerikanische Militär die Führung der Stadt. Über die Jahre gewinnen die Deutschen ihr Selbstbestimmungsrecht zurück, ab 1951 ist die US-Army offiziell nicht mehr als Besatzungsmacht in der Bundesrepublik.
Doch die Soldaten bleiben – unter anderem in Kitzingen. Mehr als 10 000 Amerikaner lebten dort zum Teil. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl der Stadt ist das die größte Stationierung in Bayern. Diese besteht bis 2006, dann verlassen die Truppen Kitzingen endgültig.