Ende 2017 hatte das bekannte Gasthaus, der Nordheimer Zehnthof, für drei Jahre geschlossen. Der Besitzer, die Winzergenossenschaft Divino, überlegte sich Konzepte und Pläne für den Weiterbetrieb. Dann kam 2020 Spitzenkoch Bernhard Reiser. Der hat seinen Stammsitz in Würzburg "Am Stein". Reiser wollte in Corona-Zeiten aber sein Catering-Team weiter beschäftigen, wohlwissend und vorausschauend, wie schwierig es ist, Mitarbeitende für die Gastronomie zu finden.
Als Reiser im Amtszimmer der Bürgermeisterin Sibylle Säger saß, weissagte sie, dass Reiser länger bleiben würde als die für sein Pop-up angedachten vier Monate. Sie sollte Recht behalten und kann sich jetzt über das Gasthaus mit neuem Stockwerk für Veranstaltungen und bald über ein Hotel neben dem Zehnthof freuen, auf dem derzeit noch die alte Kelterhalle steht.
Treibende Kraft, die ihn bewogen hat, im Zehnthof zu bleiben, sei Wendelin Grass, der Geschäftsführende Vorstand von Divino, gewesen, verriet Reiser. "Wir haben an Bernhard Reiser gearbeitet", bestätigte Grass. Er sei ein "hartnäckiger Nein-Sager" gewesen, bis die Investoren ins Spiel gekommen seien. Zu diesen zählt auch Reiser selbst, der zugleich auch Pächter ist. Seine Partner sind Hannes Waldbröhl (zuständig für Bausachen, insbesondere Statik), Ernst Stang (Architektur), Reinhold Walz (Bau) und Paul Hupp, der Geschäftsführer der Zehnthof Nordheim GmbH.
Alleine hätte er es nicht gemacht, bekennt Reiser. Vor allem nicht, wenn er eine Anzeige "Pächter gesucht" gelesen hätte. Es dürfe nicht ums reine Verpachten gehen, sondern es müsse eine Konzeption geben: "Wie kann man Mainfranken schöner machen?" Er forderte da ein Umdenken, auch von Banken. Jungen Leuten müsse man da auch als Start-up helfen.
Im Saal und den Nebenräumen im ersten Stock, in der Event-Etage, sei jede Wand, jede Decke abgeklopft und erneuert worden. Die alten Türen seien fachgerecht restauriert, alle Böden abgeschliffen und neu eingelassen worden. "Man muss nicht alles Alte wegschmeißen", meint der Sternekoch, getreu dem Spruch der am Treppenaufgang steht: "Tradition wird Zukunft".
Feiern und Veranstaltungen in der neuen Event-Etage
In der ersten Etage sind die Gäste losgelöst vom "normalen" Betrieb im Erdgeschoss. Dort können jede Art von Familienfeiern, aber auch Firmenveranstaltungen stattfinden. Unter Putz sei modernste Tagungstechnik verborgen, verrät Reiser. "Wir dürfen uns dem auch in alten Gemäuern nicht verschließen." Gut eine dreiviertel Million Euro nennt Paul Hupp als Investitionssumme.
Hat es früher ausschließlich Weine der Winzergenossenschaft, später dann Divino, gegeben, sind nun laut Reiser viele Winzer vertreten – von Nordheim, Sommerach und Volkach über Iphofen bis Sommerhausen und Würzburg. "Wir müssen weiter, größer denken, um hier zu erleben", ist sich der Spitzenkoch sicher. Sein Ziel: "Nordheim wird hier die Welt begrüßen." Er plant "den Zehnthof so zu etablieren, dass er über der Maininsel strahlt".
Dazu braucht es Personal, das Reiser auch in der Pandemie-Zeit beschäftigt hat. "Wer jetzt sucht, hat schon verloren", weiß er. Verdienstmäßig sei die Gastronomie sehr attraktiv geworden. 15 Lehrlinge zählt sein Gastronomie-Reich, in dem er etwa 85 Leute beschäftigt, um die 20 im Zehnthof. Auch wenn manchem der Tourismus an der Mainschleife, ohne diesen gäbe es manche Betriebe nicht, erinnert Reiser an die Bedeutung dieser Branche. Zwei Bäckereien lieferten Brot für seine Betriebe, über eine Million Euro werde jährlich für Wein und Getränke ausgegeben, 15 bis 20 Tonnen Spargel würden zu leckeren Gerichten verarbeitet.
Reiser hatte den renommierten Gasthof zunächst für eine Saison "aus dem Dornröschenschlaf geholt". Doch dann wuchs seine Liebe zur Region. Hier fühlt er sich wohl: "Ich setze auf mein Gefühl – das sagt mir: Es wird schon was!" Im Landkreis sei er überall auf freundliche Menschen gestoßen, angefangen bei seinen Ansprechpartnern im Landratsamt, was Landrätin Tamara Bischof sehr freut. Dieses Segment der Gastronomie habe im Landkreis lange gefehlt, so Bischof.
"Aus deinem Mund spricht viel Herzblut", sagt Mit-Investor Paul Hupp. Entscheidend für das Projekt Zehnthof sei gewesen, dass Reiser mitmacht. Er nannte ein weiteres Projekt, das die angrenzende alte Kelterhalle betrifft. Dort soll ein Hotel entstehen mit 53 Zimmern. "Das passt in den Ort", ist sich Hupp sicher. Ernst Stang präsentierte dann erste Pläne dafür. In einen Bereich will Reiser aber auf keinen Fall einsteigen, Wellness nämlich. Denn es gebe viele andere Möglichkeiten. Alle Karten seien noch nicht gezogen, sagt er geheimnisvoll.
Im Zehnthof gibt es keine Pizza, aber immer hausgemachte Spätzle
Döner und Pizza wird es bei ihm übrigens auch nicht geben, dafür – Reisers Wurzel liegen im Allgäu – aber immer hausgemachte Spätzle, denn: "Ich will einen blitzsauberen Landgasthof haben." Seine Lehrlinge sollen die gute deutsche Gastronomie kennenlernen. Das jüngst eröffnete benachbarte Bistro Brot.Zeit.Wein in der Divino sieht er deshalb mit dem Brotzeit-Angebot als sehr gute Ergänzung zum Zehnthof.
"Die fränkische Weinregion hat eine Perle mehr", begeisterte sich Frankens Weinbaupräsident Artur Steinmann. Dass er ihrem Charme, sprich dem der Weininsel erlegen ist, freut Sibylle Säger. Sie würdigte Reisers Mut. Für Volkachs Bürgermeister Heiko Bäuerlein lebt die "Marke Zehnthof" weiter.
Geplante Öffnungszeiten: Am Mittwoch ab 16 Uhr sowie von Donnerstag bis einschließlich Sonntag jeweils ab 11 Uhr.