Geplant war das eigentlich anders. Geplant war, alle Beteiligten an einem Tisch zu versammeln und so miteinander ins Gespräch zu kommen, Anekdoten aus dem Alltag auszutauschen. Eine Begegnung auf Augenhöhe in lockerer, entspannter Atmosphäre. Aber wie so Vieles ist auch das schwierig in diesen Tagen, die weder zu Lockerheit noch Entspanntsein einladen. Und vielleicht hat es auch sein Gutes, dass jeder für sich seine Geschichte erzählen kann, einzeln am Telefon, ohne das Klischee von Kaffeekränzchen und allem, was da bei manchem im Kopfkino abläuft. Drei Frauen, Maria Mend, Elfi Dorsch und Liane Schenkel, alles Gattinnen langjähriger Bürgermeister im Landkreis, die mit dem Stichtag 1. Mai aus dem Amt geschieden sind, dazu ein Mann, Karl-Heinz Bauer, der auch sonst etwas aus der Reihe fällt, weil seine Frau über einen deutlich kürzeren Zeitraum als die anderen Bürgermeisterin war.
Sie alle waren bereit, ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern: über ein Leben im Hintergrund und ihre Zweisamkeit auf Zeit, über ihre Entbehrungen und viele einsame Stunden, über eine Parallelwelt, in die sie eintauchten, wenn ihr Partner mal wieder aus dem Haus war, um auf Wahlabenden gut Wetter zu machen, sich in stundenlangen Sitzungen aufzureiben oder neue Straßen einzuweihen.
Maria Mend hat ihren Mann häufiger auf Termine begleitet, meist zu repräsentativen Anlässen. Sie wusste schon vorher, dass es spät werden würde. So beharrlich Josef Mend sein Amt als Bürgermeister von Iphofen ausübte, so ausdauernd war er auch bei Terminen: Oft saß er unter den Letzten.
Die Handwerker bestellte bei Bedarf Maria Mend
Maria Mend wusste, was auf sie zukommen würde, als ihr Mann 1990 von den Iphöfern erstmals zum Stadtoberhaupt gewählt wurde. „Schon in seiner Zeit bei der VG in Kitzingen war er ja oft weg.“ Als Bürgermeister wuchs die Zahl der Termine und Verpflichtungen weiter – vor allem als Mend auch im Kreistag saß und später für den Bayerischen Gemeindetag zwischen München und Brüssel pendelte. Maria Mend suchte und fand Abwechslung, ob im Weinberg oder im Garten. „Man wird selbstständig“, sagt sie. Gab es im Haus etwas zu reparieren, war sie es, die die Handwerker bestellte. Sie erledigte den Haushalt und sämtliche Einkäufe, „er wusste ja nicht mal, was ein Pfund Butter kostet“. Für die beiden Kinder, anfangs noch klein, war es schwieriger, mit der Situation klarzukommen. „Sie haben ihren Vater schon vermisst“, sagt Maria Mend. Wenigstens bei Elternabenden habe sich ihr Mann mal freigenommen.
Anfangs läutete zu Hause noch öfters das Telefon. „Die Leute fragten, ob mein Mann zu Hause sei. Ich sagte, nein. Sie fragten, wann er heimkomme. Ich sagte, ich weiß es nicht. Ob er morgen da sei. Ich sagte, das weiß ich nicht. Einer sagte mal: Wissen Sie überhaupt was.“ Es war ihre Methode, sich den politischen Alltag vom Hals zu halten. Irgendwann wurden die Anrufe weniger. Das heißt nicht, dass sie sich nicht für Politik interessierte. „Ich komme aus einem politischen Elternhaus. Politik war bei uns immer ein Thema.“ Auch mit ihrem Mann habe sie sich immer wieder ausgetauscht über Projekte im Ort. „Er fragte mich oft mal nach meiner Meinung. Entschieden hat dann er.“ Welche Note sie ihrem Mann nach 30 Jahren als Bürgermeister geben würde? Ohne zu zögern, sagt sie: „Natürlich eine 1.“
Elfi Dorsch ist stolz, wie sie das alles gemeistert hat
Wenn Maria Mend in Iphofen auf ihren Mann wartete, saß auch Elfi Dorsch oft allein zu Hause. Ihr Mann Heinz war in Seinsheim 30 Jahre Bürgermeister, aber er war, wie seine Frau sagt, auch „ein Vereinsmeier“, der beim örtlichen Sportklub ebenso mitmischte wie bei der Faschingsgesellschaft, dem Gesangverein und dem Weinbauverein, „nur im Frauenbund war er nicht“. Gefühlt jeden Abend sei er unterwegs gewesen, immer musste es schnell gehen mit dem Essen, selten hatte er Zeit für die drei Kinder, die geradezu irritiert waren, wenn er abends mal zu Hause war. „Ich habe oft gesagt, jetzt bin ich wieder allein“, erzählt Elfi Dorsch. Heute sei sie stolz, wie sie das alles gemeistert habe.
Über die politische Agenda des Dorfes diskutierten sie zu Hause selten. Ärger versuchte Heinz Dorsch von seiner Frau fernzuhalten. Was im Gemeinderat lief, erfuhr Elfi Dorsch oft erst aus der Zeitung. Aber bei allen Entbehrungen sei sie gerne „die Frau des Bürgermeisters“ gewesen: weil sie „viele nette Begegnungen“ hatte und Freundschaften knüpfte, die bis heute halten. Anders als Josef Mend in Iphofen war Heinz Dorsch nie hauptamtlicher Bürgermeister, er ging noch seinem eigentlichen Beruf als Immobilienmakler nach. Oft nahm tagsüber Elfi Dorsch Anrufe entgegen und schrieb ihrem Mann Zettel. „Jeden Tag hörte ich den Satz: Geben Sie das bitte weiter. Und pflichtbewusst gab ich es weiter.“
Liane Schenkel kennt ihren Mann fast nur als Bürgermeister
Auch Liane Schenkel wurde in der Öffentlichkeit mitunter als „Frau Bürgermeisterin“ angesprochen. Sie korrigierte die Leute dann immer und sagte: „Ich bin die Frau vom Bürgermeister.“ 36 Jahre stand ihr Mann Gerhard Schenkel an der Spitze der Gemeinde Sulzfeld, so lange wie kein anderer im Landkreis. Seit 37 Jahren kennen sich die beiden. Ihr fehlt also der Vergleich, wie es um ihre Zweisamkeit stand ohne Bürgermeisteramt. „Ich bin da mit hineingewachsen“, sagt Liane Schenkel.
Als Belastung habe sie es nie empfunden, dass ihr Mann manchmal mehr Zeit in und mit der Gemeinde verbrachte als mit der Familie. Sie hatte Unterstützung durch Eltern und Schwiegereltern, die viel auf die beiden Kinder aufpassten, und sie übernahm selbst Aufgaben und Posten: im Kirchenvorstand, bei der Bayerischen Sportjugend oder als Übungsleiterin im Sportverein. Oft ging sie mit ihrem Mann auch auf Veranstaltungen der Gemeinde. Aus der Gemeindepolitik aber hielt sie sich raus. „Ich wollte gar nicht so viel wissen. Man ist sonst vorbelastet.“
Seinen Ruhestand stellte sich Karl-Heinz Bauer anders vor
Karl-Heinz Bauer muss sich erst einmal eine ruhige Ecke im Haus zum Telefonieren suchen. Dann sagt er: „Fragen Sie mich!“ Wie war das also als Mann an der Seite der Segnitzer Bürgermeisterin Marlene Bauer? „Es ist vernünftig gelaufen“, sagt er. Als seine Frau das Amt übernahm – 2017 als Nachfolgerin des erkrankten Rudolf Löhr –, schied er gerade aus dem Berufsleben aus. Das passte also. „Aber meinen Ruhestand hätte ich mir, ehrlich gesagt, anders vorgestellt.“ Karl-Heinz Bauer saß selbst 30 Jahre im Gemeinderat, seiner Frau habe er abgeraten zu kandidieren – weil er wusste, dass große Projekte anstanden, Dorferneuerung, Ortsdurchfahrt, Gemeinschaftshaus, und dass sie sich „wahnsinnig reinknien“ würde. Oft kam sie erst spätabends nach Hause – und saß dann noch bis nachts am Computer.
Er sei nicht der „große Haushälter“, die Wohnung hielt er dennoch nach Kräften in Ordnung. Und er kümmerte sich gleich um drei Gärten. Manchmal kam seine Frau am Nachmittag auf einen Sprung nach Hause, dann kochten sie rasch zusammen, und sie war wieder weg. Nur selten begleitete er sie auf offizielle Termine. Fragte sie ihn um Rat, habe er gerne geholfen, eingemischt habe er sich nie, und wenn er mal Kritik übte, dann höchstens am hohen Zeitaufwand, den sie betrieben habe. „Ich sagte, es müsse auch mal mit 90 Prozent gehen und nicht immer mit 150 Prozent.“
Wie es für die Ruheständler nun weitergeht
Vier Menschen, die ihren Partnern den Rücken frei hielten, damit die in Ruhe Politik machen konnten. Wie werden sie die nächste Zeit verbringen? Maria Mend in Iphofen will ihren Mann, wenn die Corona-Krise vorüber ist, stärker in die Betreuung seiner vier Enkel einbinden. Liane und Gerhard Schenkel in Sulzfeld werden den lange geplanten Italienisch-Sprachkurs belegen und sind gespannt auf die Geburt ihres ersten Enkelkinds im Herbst. Elfi Dorsch in Seinsheim erlebt ihren Mann gerade befreit wie selten. „Er pfeift und singt den ganzen Tag.“ Zusammen bauen sie derzeit ihr Haus um und erwarten die Ankunft ihres vierten Enkels im September. Karl-Heinz Bauer in Segnitz freut sich auf die gemeinsame Zeit mit seiner Frau, sagt aber: „Es ist schon eine Umstellung, wenn sie den ganzen Tag daheim ist.“