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Iphofen
Photovoltaik-Streit über Iphofens Dächern: Warum die Altstadt jetzt in eine Dreiklassengesellschaft geteilt wird
Jahrelang galt bei Solaranlagen im Herzen Iphofens eine Nulltoleranzpolitik. Jetzt will man zeigen, dass sich erneuerbare Energien auch in der Altstadt umsetzen lassen.
Viele Optionen für Solar- und Photovoltaikanlagen bietet die Dachlandschaft der Iphöfer Altstadt, aber so einfach ist die Sache nicht.
Foto: Markus Ixmeier | Viele Optionen für Solar- und Photovoltaikanlagen bietet die Dachlandschaft der Iphöfer Altstadt, aber so einfach ist die Sache nicht.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 17.03.2024 02:38 Uhr

Wer die Energiewende als eine Art Wetterphänomen begreift, kann erquickend feststellen, dass über der Iphöfer Altstadt gerade die Sonne aufgeht. Lange hatte es so ausgesehen, als breche über der Stadt eine Solardämmerung herein, so heftig war man im Rathaus gegen die schillernden Photovoltaikmodule im historischen Kern zu Felde gezogen. Noch 2019 – das war das Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie – hatte man mit fiebriger Erregung auf Ideen reagiert, die Dächer der Altstadt für solche Anlagen zu öffnen. Auf keinen Fall, hieß es damals. Inzwischen hat sich der Wind gedreht – so sehr, dass Bürgermeister Dieter Lenzer sich sogar vorstellen kann, Sonnenanhänger finanziell zu unterstützen.

Seit 2021 arbeitet man in Iphofen an einer "gewissen Öffnung", wie Stadtplaner Franz Ullrich gerade vor dem Stadtrat erklärte. Solar- und Photovoltaikanlagen waren von nun an nicht mehr kategorisch ausgeschlossen und durften unter zwei Kernbedingungen installiert werden: wenn sie auf Nebengebäuden stehen und vom "öffentlichen Raum" aus nicht einsehbar sind. Zwei Jahre später half schließlich der Freistaat bei einer weiteren Öffnung nach: Er änderte das bayerische Denkmalschutzgesetz dahingehend, dass Solaranlagen für den Eigenbedarf auf sensiblen Gebäuden nur noch versagt werden können, "soweit überwiegende Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen".

Auf diese Novelle hat Iphofen jetzt reagiert. Damit der Bauausschuss nicht über jeden Einzelfall entscheiden muss, soll ein Rahmenplan die Frage klären, was wo verbaut werden darf. Der Bürgermeister spricht von "Leitplanken" und betont, das Ganze solle "keine Verhinderungsplanung" sein. Statt wie bisher Verbote auszusprechen, will die Stadt Bauherren künftig konstruktiv zur Seite stehen – mit einer bis ins Detail gehenden Festlegung, welche Gebäude in der Altstadt sich für Solarmodule eignen.

Die Altstadt wird unterteilt in blaue, gelbe und rote Zonen

Neu ist: Es gibt keine grundsätzliche Ablehnung mehr, wohl aber Bereiche, in denen besondere Gestaltungsregeln gelten. Drei Gebietsklassen sind in dem sorgfältig ausgetüftelten Rahmenplan vorgesehen, abzulesen an blauen, gelben und roten Zonen. Am lockersten sind die Vorgaben in der blauen Zone, die etwa die Hälfte der Altstadt umfasst. Dort verlangt die Stadt Full-Black-Module, parallel zur Dachfläche und in Form eines geschlossenen Rechtecks montiert. In der gelben Zone gelten dieselben Vorschriften, erweitert um die farbliche Anpassung der Module an die bestehende Dachhaut. Wird das Dach neu gedeckt, müssen Anlagen in die Dachhaut integriert werden.

Das Rödelseer Tor eignet sich auch in Zukunft eher nicht für Photovoltaikanlagen – ganz ausgeschlossen ist es dank innovativer Lösungen aber nicht. 
Foto: Richard Schober | Das Rödelseer Tor eignet sich auch in Zukunft eher nicht für Photovoltaikanlagen – ganz ausgeschlossen ist es dank innovativer Lösungen aber nicht. 

Am strengsten geht es wie bisher in der roten Zone zu. Darunter fallen der komplette Marktplatz mit Rathaus, Kirche und Dienstleistungszentrum sowie die Bereiche um Tore, Türme und Stadtmauer. Dort stehen Gebäude von "höchstem Denkmalwert", bei denen nur "Innovationsprojekte als Sonderlösung" zugelassen sind. Laut Stadtplaner Ullrich können das zum Beispiel Biberschwanz-Dachziegel oder Schindeln mit eingelassenen Solarmodulen sein. "Es gibt mittlerweile eine gute Auswahl an solchen Produkten", so Ullrich. Weil diese im Preis höher und vom Wirkungsgrad schlechter sind, kann sich Bürgermeister Lenzer vorstellen, dass die Stadt ein "kleines Budget" auflegt. Auch der Staat gewährt demnach Zuschüsse, um den denkmalpflegerischen Mehraufwand auszugleichen.

Der Rahmenplan soll den Konflikt um Solarnutzung befrieden

Der Stadtrat begrüßt den Rahmenplan als hilfreiches Instrument, um ein "Spannungsfeld" zu befrieden, das in den vergangenen Jahren viel Aufreger- und Konfliktpotenzial barg. Matthias Schuhmann lobte die "differenzierte Betrachtung", mit der Stadtplaner Ullrich und sein Team jeden Winkel der Altstadt ausgeleuchtet haben. Norbert Melber sieht die Solarmodule im besten Fall als "Designelemente" für Gebäude.

Für Zweiten Bürgermeister Hans Brummer stellt sich die Frage, wie man die graue Theorie nun in die Praxis übertragen könne. Gerade auf den verwinkelten Altstadtdächern mit ihren Gauben, Luken und Dachfenstern könnte es "Probleme bei der Umsetzung" geben, damit Anlagen in Form geschlossener Rechtecke entstehen. Ullrich sieht die Sache pragmatisch: "Dann muss ich eben mal eine Dachgaube oder Satellitenschüssel versetzen." Völlig reibungslos werde es auch künftig nicht gehen. "Es werden Konflikte bleiben."

Vor allem die beliebten Balkonkraftwerke könnten noch zum Streitobjekt werden. Brummer warnte, dass auch sie einer Erlaubnis bedürfen, "sonst geht es krachend schief". Sie einfach irgendwo am Balkongeländer oder der Hauswand zu installieren könne zu Ärger führen. Wie manche dieser Anlagen von ihren Nutzern montiert würden, sei "haarsträubend".

 
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