Der Gutshof am Schwanberg ist von der Iphöfer Altstadt ein gutes Stück entfernt, und doch könnte er jetzt zu einer Art Vorbild für sie werden. Wenn klappt, was sich Bürgermeister Dieter Lenzer und der Bauausschuss vorgenommen haben, liegt oben am Gipfel vielleicht der Schlüssel zur Lösung eines seit vielen Jahren schwelenden Konflikts. Noch stehen sich Denkmalschutz und Klimaschutz in einer historischen Altstadt wie Iphofen nahezu unversöhnlich gegenüber. Der breite Ausbau mit Solar- und Photovoltaikanlagen verträgt sich für die Denkmallobby nicht mit dem Schutz des alten Gemäuers. Stecken in der nun diskutierten Lösung also der Durchbruch und der erhoffte Katalysator für die Energiewende?
Ein unscheinbares Wohnhaus direkt neben den Gutshof: Die Stadt lässt derzeit das marode Dach reparieren. Dabei kam neulich aus dem Stadtrat der Appell, bei der Sanierung auch moderne, klimaschonende Alternativen zu prüfen. Man prüfte und stieß auf: Solarziegel. Mithilfe kleiner Module integrieren sie die Funktion einer Photovoltaikanlage in einen herkömmlichen Dachziegel, ohne äußerlich auf den ersten Blick als solche erkennbar zu sein. Zwei dieser Ziegel lagen Anfang der Woche bei der Sitzung des Bauausschusses zur Ansicht aus.
Der weit abgelegene Gutshof am Schwanberg soll nun als Versuchsobjekt dienen. Erfüllen die naturroten Ziegel die Erwartung in Funktion und Optik, könnte daraus ein Vorbild für die Altstadt erwachsen. Die Solarziegel haben nach Angaben des Herstellers eine Leistung von 4,8 kWp. Damit ließen sich jährlich rund 4400 Kilowattstunden Strom erzeugen und 1400 Euro Energiekosten sparen; ein schmaler Effekt angesichts der zu erwartenden Investition, aber darum geht es der Stadt primär nicht.
Iphöfer Altstadt soll sich für Photovoltaikanlagen öffnen
Der Bürgermeister erkennt die Chance, "beispielhaft und experimentell voranzugehen". Erste Stadträte wie Peggy Knauer sprechen von einer "Super-Idee, etwas Neues auszuprobieren". Für Stadtplaner Franz Ullrich steckt in dem Projekt eine "gute Gelegenheit, die Wirkung der Solarziegel in der Realität zu überprüfen". Andere wie Otto Kolesch wünschen sich als anschauliches Beispiel lieber gleich ein Objekt in der Altstadt. Überhaupt plädierte Kolesch in der Sitzung wieder einmal leidenschaftlich dafür, die Altstadt endlich breitflächig für Strom aus der Sonne zu öffnen, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu forcieren. "Photovoltaik und alte Bausubstanz lassen sich gut miteinander verbinden", sagte er.
Bislang gibt es diese Verbindung nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen. Dabei böten Dachflächen "das größte Potenzial bei der Nutzung erneuerbarer Energien". Die Anpassung sei "seit langem überfällig" und lasse sich lösen, wenn sich die Genehmigungsbehörden flexibel und alle Beteiligten "guten Willen" zeigten. Schließlich seien "historische Kulissen ohne Nutzwert" kein Ziel des Denkmalschutzes. Und Touristen würden auch "nicht wie Vögel über Iphofen fliegen", sondern sich die Schönheit der Stadt von unten ansehen.
Kolesch schlägt zur Lösung des Konflikts einen runden Tisch vor, an dem Vertreter des Denkmalschutzes, der Baubehörden und der Stadt sitzen sollten. Es brauche einen "Kriterienkatalog", der alle Interessen vereint. Ein Solarkataster soll in der Altstadt die Potenzialflächen für Sonnenstrom aufzeigen, zudem brauche es eine intensivere Energieberatung. Stadtplaner Ullrich sei mit dieser Aufgabe "überfordert".
Im Gutshof könnte Wohnraum für Kriegsflüchtlinge entstehen
Rund 78.000 Euro würde die Lösung mit den Solarziegeln am Gutshof kosten, 25.000 Euro mehr als für ein Biberschwanzdach mit Photovoltaikanlage. Für die Stadt ergibt die zusätzliche Investition nur Sinn, wenn parallel auch der darunterliegende Wohnraum genutzt wird: 150 Quadratmeter, verteilt auf zwei Wohnungen. Die staatliche KfW-Bank bietet aktuell Sonderdarlehen für den Ausbau von Wohnraum – wenn damit Quartiere für Geflüchtete aus der Ukraine geschaffen werden. Auf dieses Förderprogramm mit einem Minuszins von 0,75 Prozent könnte die Stadt zurückgreifen, um die auf 360.000 Euro geschätzten Umbaukosten (plus Dachsanierung) zu finanzieren.
Schon in der vergangenen Sitzung hatte Stadtrat Andreas Müller Möglichkeiten bei der Stadt angemahnt, um in Not geratene Menschen unterzubringen. Aktuell sind laut Bürgermeister Lenzer neun ukrainische Flüchtlinge in Iphofen gemeldet. Die fünf Frauen und vier Kinder sind alle privat untergebracht. Aber der Bedarf werde in den nächsten Wochen noch wachsen.