Das große Wort der "Zeitenwende" nahm Bürgermeister Dieter Lenzer nicht in den Mund, aber im Grunde läuft es darauf hinaus. Es wäre für Iphofen und seine historische Altstadt eine Revolution, würden dort künftig Solarmodule von den Dächern und Balkonen glitzern. Über viele Jahre war man gegen die Segnungen der erneuerbaren Energien zu Felde gezogen, hatte in einer Art Kulturkampf allen Versuchen getrotzt, den Stadtkern für die Energiewende zu öffnen – immer an der Seite der Stadt: der bayerische Denkmalschutz, der so beharrlich wie gebetsmühlenartig das bauliche Erbe der Vorfahren verteidigte. Damit könnte es jetzt vorbei sein. Der Bürgermeister ahnt bereits, was auf die Stadt zukommt. "Wir müssen uns Gedanken machen, ob wir unsere Regeln anpassen", sagte er jüngst im Bauausschuss.
Die Regeln – sie stammen aus dem Jahr 2014 und damit aus einer Zeit, als Energie noch vergleichsweise günstig und ein Ende des fossilen Zeitalters nicht absehbar war. Inzwischen hat sich vieles geändert, die Gestaltungssatzung für Iphofens Altstadt aber ist immer noch die alte und die Stadt kaum in der Lage, auf die neue Situation zu reagieren. "Es kommen ständig neue Anfragen, bei denen wir in der Verwaltung dastehen und uns überlegen: Wie sollen wir damit umgehen?", schildert Lenzer das Dilemma. Im Zweifel wälzt man im Rathaus die Verantwortung auf den Bauausschuss ab, der dann über den Anträgen brütet und jeden Fall einzeln abwägen muss – eine Herkulesaufgabe. Oder wie der Bürgermeister weniger prosaisch sagt: "Es wird immer unangenehmer. Wir stecken in einer Sackgasse."
Einen Ausweg aus der verfahrenen Lage erhoffen sich Kommunen wie Iphofen, die auf ein reiches kulturelles Erbe blicken, nun ausgerechnet vom Denkmalschutz. Dort, so das Versprechen, will man sich bewegen – sobald der neue Gesetzentwurf in Kraft ist, der einen Einsatz erneuerbarer Energien an denkmalgeschützten Gebäuden ermöglicht. Tatsächlich sehen die Pläne der bayerischen Staatsregierung einen erleichterten Bau von Solarmodulen auf denkmalgeschützten Dächern vor – allerdings überwiegend für Flächen, die nicht öffentlich einsehbar sind.
Für solche Standorte gibt es in Iphofen heute schon Ausnahmeregelungen. Manche Stadträte reagieren auf das hartnäckige Zaudern des Landesamts für Denkmalpflege (LfD) ungehalten. "Man muss dem LfD jetzt mal auf die Füße treten", sagt Otto Kolesch. "Bislang ist gar nichts passiert, obwohl das Thema hohe Brisanz in der Bevölkerung hat."
Für einen Bauherrn am Rande der Iphöfer Altstadt hat das spürbare Konsequenzen – er darf eine geplante große Solaranlage auf dem Dach seines Hauses vorerst nicht bauen. "Nach derzeitiger Rechtslage nicht zulässig", wurde ihm von Bürgermeister und Bauausschuss beschieden. Der Antrag gilt allerdings nicht als abgelehnt, sondern nur als aufgeschoben, bis der Gesetzgeber endlich Rechtssicherheit geschaffen und die Denkmalschutzbehörde grünes Licht gegeben hat. Für eine "gewisse Harmonie auf den Dächern" plädiert Zweiter Bürgermeister Hans Brummer. "Man sollte nicht alles aufweichen." Stadträtin Peggy Knauer schlägt eine Expertenrunde vor, um die "heikle" Thematik zu klären.
In anderen Städten ist man schon einen Schritt weiter. So hat der Stadtrat von Passau im Mai beschlossen, dass Solaranlagen grundsätzlich in der barocken Altstadt möglich sein sollen, solange sie von der Straße und von touristischen Hotspots aus nicht zu sehen sind. Die Stadt will sogar beispielhaft vorangehen und im kommenden Jahr Photovoltaikanlagen auf zwei städtische Gebäude bauen lassen. Auch auf Dächern der Regensburger Welterbe-Altstadt soll künftig Strom erzeugt werden können. Wie in Passau hat der Stadtrat das Verbot von Solaranlagen aus der Altstadtschutzsatzung gestrichen.
Als Option gelten neben den bekannten Modulen auch Dachziegel mit integrierter Photovoltaiktechnik, zu erkennen am etwas dunkleren roten Farbton. Iphofen hat sie testweise bei der Sanierung des Gutshofgebäudes am Schwanberg verbaut – das Ergebnis kann sich aus Sicht der Stadt sehen lassen. Otto Kolesch hat im Bauausschuss bereits vorgeschlagen, die Solarziegel verstärkt zu fördern – weil mancher dann vielleicht eher darauf zurückgreift als auf die schwarzen Module.
Eine Lösung sucht die Stadt auch für kleine Balkonkraftwerke
Auch für die immer beliebter werdenden Balkonkraftwerke soll es eine Lösung geben. Die Stecker-Solargeräte sind deutlich kleiner und so konzipiert, dass auch Laien sie installieren können, vor allem Mieter und Wohnungsbesitzer. Der erzeugte Strom lässt sich direkt im Haushalt nutzen. In Iphofen lag jetzt erstmals ein Antrag für ein Balkonkraftwerk in einem der Baugebiete vor. Die Module sollen am Balkongeländer im 45-Grad-Winkel aufgeständert werden, sie müssen aber laut Satzung flach anliegen, sonst ist die Anlage nicht zulässig. Für Hans Brummer sind die Stecker-Solargeräte ohnehin nur dafür geeignet, das ökologische Gewissen zu beruhigen. "Bringen tun sie überhaupt nichts."
Wer ein alte Imobile erbt und nicht den energetischen Stand der Technik nutzen darf, lässt das Erbe verkommen.
Wir werden auch in Iphofen nicht um Kompromisse herum kommen!
Ich finde es gut, wenn man endlich umdenken.
"Alte Schinken", öffentliche und gewerbliche Gebäude bieten viel ungenutzte, ja gerade zu schädliche Fläche.
Hier versickert kein Regenwasser, wird keine Sonnenenergie thermisch oder elektrisch gespeichert.
Also ist es nur logisch Dachflächen sinnvoll zu nutzen
Denkmalschutz - dreht diesen "Ideologen" den Strom ab und verteuert für sie die Lebensmittel ums 10fache.
Den Denkmalschutz gegen den Klimaschutz auszuspielen, das ist, auch hier wieder einmal, meistens nur Wahlkampfgetöse.
Und niemand spielt Denkmalschutz gegen den Klimaschutz aus, nur weil er fordert, zunächst die (optisch) unbedenklichen Flächen zu nutzen.
Und was das ganze mit dem Wahlkampf zu tun haben soll, bleibt wohl Ihr Geheimnis...
https://www.swrfernsehen.de/marktcheck/oekochecker/lohnen-sich-balkonkraftwerke-100.html
Alleine dass wir noch darüber debattieren, dass eine PV-Anlage auf denkmalgeschützten Häusern nur nicht einsehbar angebracht werden darf zeigt wieder eindrucksvoll, dass der Ernst der Lage in den Köpfen immernoch nicht angekommen ist.