Es ist eines der größten öffentlichen Projekte der Nachkriegszeit in Kitzingen: Im Norden der Stadt entsteht gerade das neue bayerische Staatsarchiv. Rund 25.000 laufende Meter Archivalien sollen einmal von der Würzburger Residenz und der Festung Marienberg nach Kitzingen ziehen. Dafür schafft der Freistaat auf einem bislang brachliegenden Grundstück ein Gebäude mit 8000 Quadratmetern Nutzfläche. Von Anfang an war das Vorhaben, das der damalige Finanzminister Markus Söder (CSU) im Zuge einer bayernweiten Behördenverlagerung aufgebracht hatte, jedoch umstritten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Bauzeit, Kosten, Nachhaltigkeit und dem Nutzen für die Allgemeinheit.
Wo soll das Staatsarchiv entstehen, und wie steht es um den Bau?
Vor einigen Wochen sind auf dem zweieinhalb Hektar großen Deuster-Grundstück an der Nordtangente in Kitzingen die Bagger angerückt und haben mit den Erschließungsarbeiten begonnen. Dazu gehören die Rodung des mit Sträuchern und Büschen verwilderten Geländes, die Kampfmittelsondierung, die Anbindung des Areals an das öffentliche Versorgungsnetz und die Geländemodellierung. Damit wird der Boden bereitet für den eigentlichen Bau, der im Frühjahr 2023 beginnen soll.
Was ist in Kitzingen geplant?
In dem skulpturartigen, fast fensterlosen Bau entsteht Platz für 40.000 laufende Meter Archivmaterial. Dazu kommen Büros, ein Lesesaal, Flächen für Ausstellungen sowie ein Veranstaltungsraum, den zum Beispiel Schulen nutzen können. Auch ein "grünes Klassenzimmer" im Park soll es geben. Im Umfeld werden etwa 50 Pendlerparkplätze mit Zufahrt von der Nordtangente angelegt. Die Stadt erhofft sich davon eine Entlastung des Innenstadtverkehrs.
Wer baut das Staatsarchiv?
Bauherr ist der Freistaat Bayern, der im Juli 2022 einen Totalunternehmer mit der Ausführung beauftragt hat. Dieser übernimmt neben sämtlichen Bauleistungen auch die Planung und Objektüberwachung des Großprojektes. Den Zuschlag als wirtschaftlichster Anbieter erhielt nach der EU-weiten Ausschreibung die Firma Leonhard Weiss, laut eigener Internetseite eines der größten deutschen Bauunternehmen mit Hauptstandorten in Göppingen und Satteldorf sowie 25 Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet. Grundlage des Vergabeverfahrens war der Siegerentwurf des Hamburger Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner aus dem vorangegangenen Architektenwettbewerb.
Was kostet das Projekt?
Das ist der große Aufreger. Denn die Kosten sind explodiert. Anfangs war der Bau mit 33 Millionen Euro veranschlagt. Als 2019 ein Preisschild mit 63,5 Millionen Euro daran klebte, nahm sich der Bund der Steuerzahler der Sache an und das Projekt in sein Schwarzbuch auf: als eines von neun Negativbeispielen des Jahres in Bayern für öffentlich verschleuderte Gelder. Inzwischen haben sich die Kosten noch einmal erhöht: auf mindestens 75 Millionen Euro.
Welche Kritik gibt es an dem Vorhaben?
Die hohen Investitionskosten stünden in keinem Verhältnis zur geringen Zahl der Arbeitsplätze am künftigen Archiv-Standort Kitzingen, kritisiert nicht nur der Bund der Steuerzahler. Auch bei den bayerischen Landtags-Grünen heißt es: "Die damit beabsichtigte Verlagerung von 20 Arbeitsplätzen in den ländlichen Raum ist teuer bezahlt, die Festlegung der CSU auf den falschen Standort hat zu enormen Kostensteigerungen geführt." So erklärte es dieser Tage die sozialpolitische Sprecherin Kerstin Celina. Die aus dem Ruder gelaufene Finanzierung ist aber nur ein Aspekt in dieser Diskussion. Bei Wissenschaftlern und Archivaren stieß der Umzug wegen der Entfernung zu den anderen Archiven und Forschungseinrichtungen in Würzburg von Anfang an auf deutliche Kritik. "Wir werden schauen müssen, dass wir die Kontakte halten", sagt Alexander Wolz, der seit September 2021 das auf zwei Standorte verteilte Staatsarchiv in Würzburg leitet.
Wie sieht die Staatsregierung den Neubau?
Das bayerische Wissenschaftsministerium verweist auf den ohnehin notwendigen Auszug aus der Festung Marienberg, wo das Landesmuseum für Franken entstehen soll. Neubaukosten wären also in jedem Fall angefallen. "Würden wir in Würzburg bauen, wäre es sicher nicht günstiger", sagt die Kitzinger CSU-Landtagsabgeordnete Barbara Becker. Das neue Staatsarchiv, so heißt es aus dem Ministerium, sei eine "kulturelle Einrichtung" und ein strukturpolitisches Signal für Kitzingen.
Welche Risiken birgt das Millionenprojekt jetzt noch?
Wie alle Projekte dieser Tage unterliegt auch der Bau des Staatsarchivs einer Rechnung mit vielen Unbekannten. So verwies das Staatliche Bauamt Würzburg schon im Sommer auf "schwer beherrschbare Unwägbarkeiten" durch Lieferengpässe, den Krieg in der Ukraine, die hohe Inflationsrate, explodierende Preise und den Fachkräftemangel bei gleichzeitig hoher Auslastung der Firmen. An dieser Einschätzung hat sich in den vergangenen Wochen nichts geändert.
Wie nachhaltig und energieeffizient wird das Gebäude werden?
Die Aufbewahrung des Archivguts erfordert nicht nur jede Menge Platz, sondern auch besondere Sorgfalt, etwa im Hinblick auf die Lagerung. Das Gebäude wird daher viel Energie benötigen, um ein angemessenes Raumklima zu schaffen. Eine reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe (Geothermie) und eine Luft-Wasser-Wärmepumpe (Umweltwärme) sollen den Bau im Winter heizen und im Sommer kühlen. Die Stromversorgung erfolgt zum einen über eine Photovoltaikanlage, zum anderen aus dem öffentlichen Netz. Wie das bayerische Bauministerium auf eine Anfrage der Grünen erklärt, werden Wärme-, Kälte- und Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt, so wie es eine Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2011 vorsieht. Die Grünen kritisieren allerdings, dass dafür grüner Strom aus anderen Bundesländern zugekauft werden müsse, da Bayern beim Ausbau regenerativer Energien nicht schnell genug sei.
Wie viel Energie verbraucht das Staatsarchiv im Jahr?
Das Gebäude wird im Passivhausstandard ausgeführt und soll als Passivhaus zertifiziert werden. Der gesetzliche Standard nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) werde dadurch "übererfüllt", heißt es aus dem Bauministerium. Der jährliche Energieverbrauch liegt den Prognosen zufolge bei 300.000 Kilowattstunden für Wärme und 690.000 Kilowattstunden für Strom.
Was lagert da eigentlich künftig in Kitzingen?
Das Archivgut besteht aus einem historischen Teil – schriftlichen Zeugnissen, die bis zurück ins achte Jahrhundert reichen – und einem stetig wachsenden neuzeitlichen Teil. Dabei handelt es sich um Schriftstücke und Akten von Behörden und Gerichten, die nach einer vorgeschriebenen Aufbewahrungszeit am Herkunftsort später vom Staatsarchiv übernommen werden. Da diese Aufbewahrungszeiten auf bis zu 100 Jahre festgelegt sind, ist das digitale, papierlose Archiv noch lange nicht in Sicht, auch wenn viele Vorgänge heute schon in elektronischer Form archiviert werden. "Außerdem übernehmen wir immer wieder auch private Nachlässe mit Briefwechseln oder Tagebüchern", sagt Alexander Wolz.
Wie können die Bürgerinnen und Bürger die Akten nutzen?
Das Staatsarchiv stellt regelmäßig Informationen von Archivakten ins Internet. Je mehr dieser Informationen abrufbar sind, umso mehr Besucherinnen und Besucher kommen. Interessenten können online recherchieren, was verfügbar ist, und diese ganz bestimmten Akten dann – gebührenpflichtig – digitalisiert bestellen. Vor allem die Spruchkammerakten, also die Berichte der Entnazifizierungsverfahren nach dem Krieg, seien ein sehr stark genutzter Bereich, sagt Archivdirektor Wolz.
Wann soll das Staatsarchiv nach Kitzingen umziehen?
Der Rohbau soll im Herbst 2024 stehen. Der Umzug ist für Ende 2025 geplant. An diesem Datum hat sich bislang auch nichts geändert. Beim Umzug können die Würzburger Archivare von ihren Kollegen in Landshut lernen: Dort zog das Staatsarchiv 2016 aus einem historischen Gebäude, der Burg Trausnitz, in einen Neubau in der Innenstadt. "Da werden wir uns einiges abschauen", sagt Archivdirektor Alexander Wolz, der 1979 in Dettelbach geboren und in Kitzingen aufgewachsen ist. Seine alte Grundschule liegt nur einen Steinwurf von seinem künftigen Arbeitsplatz entfernt.
...jedoch anders entschieden 🤷♂️
Man könnte auch sagen: "Wenn meine Tante 'nen Schnurrbart hätte, wär sie mein Onkel" 😜
( Zitat aus einem Krimi von Andreas Gruber)
Robert Finster
Ich persönlich würde es sehr begrüßen, wenn die Sitzungen des Kreistags prominenter veröffentlicht würden, versehen mit dem Hinweis, ob die Sitzung öffentlich ist oder nicht.
Aber Politik muss erfahrbarer werden.
Dass Interessierte sich informieren, setze ich voraus. Aber dieses Interesse muss bei manchen auch erst geweckt werden. Da spreche ich alle Parteien an. Die Homepage einer Partei schaue ich mir meist doch eher aus konkretem Interesse oder aktuellem Anlass an.
Ich würde es begrüßen, wenn die Ortsvereine der Parteien prominenter Werbung für ihre Sitzungen machen würden, so dass Politik auf kommunaler Ebene erfahrbarer wird.
Die Main-Post bietet diesen Service sogar an:
https://www.mainpost.de/regional/kitzingen/so-wird-pressearbeit-fuer-vereine-und-institutionen-in-der-region-leichter-art-10969677
Und mehr Werbung für die nicht allzu häufigen Möglichkeiten sich als "Normalbürger" in die Ideenfindung bezüglich der strukturellen Entwicklung einzubringen, wäre auch eine feine Sache.
Eike Lenz, Lokalredaktion Kitzingen
Vom Nutzen des Neubaus für den Bürger findet sich da aber nichts. Digitalisieren und dann thermisch verwerten wäre auch ohne Neubau gegangen. Die Akten mit musealem Wert gehören ja eh besser in's Museum. Ansonsten würden die eventuell nach 100 Jahren irrtümlich verbrannt.
Dies können ganz besonders die Politiker! 😒
Steht in der Überschrift, im Artikel steht aber nichts zu Nutzen geschrieben.
Also sieht es nach null Nutzen für den Bürger und pure Geldverschwendung aus.
Nur eines machen die Würzburger besser als die anderen:
Die Landshuter sind mit ihrem Archiv in die Innenstadt gezogen, die Würzburger ziehen 20 bis 25 Kilometer raus aus Würzburg.
:nachdenklich:
und die Studenten, die fußläufig meist nur stundenweise das Archiv nutzen konnten, haben jetzt auch einen Vorteil ??
oder sagen sie mir mal welcher normale Bürger jemals das Staatsarchiv benutzt hat ??