
Wer weiß schon genau, was hier lagert und mit was man sich hier beschäftigen kann? Seit September ist Dr. Alexander Wolz, Jahrgang 1979, Chef des Staatsarchivs Würzburg. Spezialgebiet des Historikers ist die Zeitgeschichte, aber auch mit den uralten Dokumenten, die sein Haus beherbergt, hat er sich längst vertraut gemacht. Hier nennt der Direktor fünf Fakten, die nichts mit trockenen Jahreszahlen und staubigen Aktendeckeln zu tun haben.
1. In Würzburg lagert die älteste Urkunde zu Bayern überhaupt

Die älteste erhaltene Urkunde zu Bayern überhaupt lagert in Würzburg. Sie stammt von Karl dem Großen und ist datiert auf den 7. Januar 777. Darin schenkt der Frankenkönig Hammelburg an das Kloster Fulda. Zum Kaiser gekrönt wurde Karl erst drei Jahre später in Rom. "Deshalb ist diese Urkunde auch noch nicht so prunkvoll wie spätere", sagt Archivdirektor Alexander Wolz.
Die oft kritisierte Tatsache, dass das Königreich Bayern im 19. Jahrhundert so viele Kulturgüter und historische Dokumente aus Würzburg nach München verfrachtete, entpuppte sich in diesem Fall als Segen: Während bedeutende Archivbestände hier im Krieg zerstört wurden, waren die "entführten" in der Landeshauptstadt in relativer Sicherheit. Erst 1993 kamen sie zurück nach Würzburg.
2. Kirchliche Herrscher legten viel früher Archive an als weltliche

Würde man eine Hitliste der ältesten erhaltenen Dokumente in Bayern aufmachen, würden die ersten 20 Plätze von Schätzen aus dem Hochstift Würzburg belegt. Das liegt daran, so Alexander Wolz, dass es hier einen "kirchlichen Herrschaftsträger" gab: "Hier entwickelte sich schon sehr früh eine schriftliche Kultur, hier wurden schon früh Archive angelegt." Unter weltlichen Fürsten hingegen war das erst viel später der Fall. Wolz: "Die lernten selbst oft erst zu Beginn der Neuzeit lesen und schreiben."
3. Es gibt noch jede Menge unerforschter Gestapo-Akten

Erst in den 1990er Jahren kamen die Akten der Würzburger Gestapo ins Staatsarchiv. Das bedeutet: Es gibt noch jede Menge unerforschtes Material zur NS-Zeit. Den ersten Generationen von Historikerinnen und Historikern, die sich mit der Geschichte Würzburgs von 1933 bis 1945 befassten, standen diese Quellen noch nicht zur Verfügung. Allerdings: Als sich die Niederlage im Krieg abzeichnete, versuchten die Nazis so viele Dokumente zu zerstören wir möglich. "Und da sie sich mit deutscher Ordnungsliebe ans Werk machten, gingen sie streng nach Alphabet vor", sagt Alexander Wolz . Die Akten zu den Buchstaben A bis G schafften sie, die folgenden nicht mehr.
4. Der schlimmste Feind des Archivars ist nicht die Maus

Nicht die Maus oder die Taube, sondern das Papierfischchen ist der schlimmste Feind der Archive. "Anders als bei Mäusen sieht man hier den Schaden erst, wenn es schon zu spät ist", sagt Alexander Wolz. Das Papierfischchen gehört zur Insektenfamilie der Fischchen. Es ähnelt dem Silberfischchen auch äußerlich, ist aber größer. Papierfischchen ernähren sich von Papier, sie schaben es Schicht für Schicht ab. Da sie nicht wählerisch sind und sich in trockener Magazinluft wohlfühlen, sind sie schwer loszukriegen. Die ursprüngliche Heimat der Schädlinge ist unbekannt, 1989 wurde das erste europäische Exemplar in Holland nachgewiesen, 2007 das erste deutsche in Hamburg. Süddeutschland ist glücklicherweise bislang noch verschont geblieben.
5. Die empfindlichsten Dokumente sind nicht unbedingt die ältesten

Das Würzburger Staatsarchiv verwahrt 25 laufende Kilometer Akten und wächst ständig weiter. Es gibt acht Millionen sogenannte Archiveinheiten, also Akten oder Amtsbücher. Darunter auch fünf Millionen Notarurkunden. Da leuchtet es ein, dass all das nur nach und nach digitalisiert werden kann. Deshalb werden immer die gefährdetsten Bestände zuerst elektronisch erfasst, und das sind bei weitem nicht nur die ganz alten Urkunden. Die sind, so Archivleiter Alexander Wolf, oft in erstaunlich gutem Zustand. Es sind vielmehr die Schriftstücke aus der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs, die per Scan für die Nachwelt erhalten werden müssen, weil sie aus besonders schlechtem, weil säurehaltigem Papier sind.