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Volkach
Nach Brandanschlag: Wie die Wirtin des Techtel-Mechtel um ihr normales Leben kämpft
Nur knapp entging die Volkacher Altstadt im April 2021 einer Brandkatastrophe. Wie blickt die Wirtin der Kultkneipe auf ihr Lebenswerk und den jetzt beginnenden Prozess?
Zuversichtlich blickt Wirtin Andrea Haupt auf das 'Neue Techtel', das sich schon jetzt ganz gut erkennen lässt. Vorne der Hauptbereich, wo auch die Theke hinkommt, hinten die Lounge.
Foto: Hanns Strecker | Zuversichtlich blickt Wirtin Andrea Haupt auf das "Neue Techtel", das sich schon jetzt ganz gut erkennen lässt. Vorne der Hauptbereich, wo auch die Theke hinkommt, hinten die Lounge.
Hanns Strecker
 |  aktualisiert: 09.02.2024 04:07 Uhr

Die gute Nachricht zuerst: Die Kultkneipe "Techtel-Mechtel" in Volkach (Lkr. Kitzingen) wird wieder öffnen, und zwar in wenigen Monaten. Das Gebäude in der Altstadt, in der Nacht des 9. April 2021 bei einem Feuer zerstört, muss nicht wie anfangs befürchtet abgerissen werden. Gutachter sahen keine Einsturzgefahr, seit einigen Wochen läuft der Wiederaufbau. "Spätestens zur Jahreswende machen wir wieder auf", sagt die Wirtin Andrea Haupt fast trotzig.

Die vergangenen Monate haben ihr gesundheitlich stark zugesetzt – so stark, dass sie sich im Mai dieses Jahres für einige Wochen ins Krankenhaus begeben musste. Bis heute bekommt sie das Inferno in ihrer Kneipe nicht aus dem Kopf. Und auch nicht die Drohungen und Demütigungen ihres damaligen italienischen Partners Michele C. , der ihr mit "Umbringen" gedroht habe.

Die ganze Familie stand nach dem Feuer unter Polizeischutz

"Er war in seiner Ehre verletzt, als ich ihm das Ende unserer Beziehung klarmachte", sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Die Polizei stufte noch in der Tatnacht die Drohungen des geflüchteten Täters als "äußerst relevant" ein und stellte die gesamte Familie von Andrea Haupt unter Polizeischutz. "Meine Kinder, Enkelkinder und ich wurden durch die Behörden an einen sicheren Ort gebracht", erzählt sie. Schon 48 Stunden später kam die erlösende Nachricht: Michele C. wurde durch die italienische Polizei am Gardasee festgenommen.

So sah es kurz nach dem Brand Anfang April im Techtel-Mechtel aus. Feuerwehrmänner in Schutzanzügen halfen beim Ausräumen der Kultkneipe.
Foto: Robin Tschischka, FFW Volkach | So sah es kurz nach dem Brand Anfang April im Techtel-Mechtel aus. Feuerwehrmänner in Schutzanzügen halfen beim Ausräumen der Kultkneipe.

Vorausgegangen waren intensive, weitgreifende internationale Ermittlungen der Kriminalpolizei und der Würzburger Staatsanwaltschaft, die zum schnellen Erfolg führten. Doch die Sorgen blieben bei der Wirtin. Sie fragte sich: "Was ist, wenn er wieder herauskommt?" Auch hier schaltete die Staatsanwaltschaft rasch: Der Tatverdächtige wurde nach Erlass eines europäischen Haftbefehls inzwischen nach Deutschland ausgeliefert, wo er in Untersuchungshaft sitzt.

In Volkach läuft seit der Brandnacht ein beispielhafter Hilfseinsatz: "Das Techtel muss erhalten bleiben!" Unter diesem Motto organisierten ehemalige Gäste des Lokals eine Spendenaktion, und zwei örtliche Fußballvereine veranstalteten ein erfolgreiches Turnier, dessen Erlös dem Lokal zufloss. Als die Brandstelle wieder freigegeben war, rissen Mitglieder der Volkacher Feuerwehr in ihrer Freizeit den brandverseuchten Kunststoffboden raus. "Damit habe ich nicht gerechnet", erzählt die Wirtin mit Tränen in den Augen.

Nach dem Brand ist die Wirtin lange auf Wohnungssuche

Da ihre Wohnung direkt über der Kneipe lag, war auch diese durch Feuer und Rauch total zerstört und unbewohnbar geworden. "Ich musste wie eine Reisende Woche für Woche von einer Bekannten zur anderen ziehen. Ich war ja wohnungslos", sagt sie. Erst vor wenigen Wochen hat sie eine feste Wohnung gefunden. Und doch: Andrea Haupt ist immer noch stark angeschlagen. Sie, die immer hart arbeiten und anderen helfen konnte, ist plötzlich selbst auf die Hilfe anderer angewiesen. "Ich habe furchtbare Angst, dass 'der' wieder aus dem Gefängnis kommt! Was passiert dann mit mir? Mein Leben wird dann wohl zu Ende sein!" Das sind ihre bohrenden Gedanken.

Mit Gefühlen, die irgendwo zwischen Hoffen und Bangen schwanken, schaut sie nun auf den Prozess gegen ihren ehemaligen Lebensgefährten. Für 6. Oktober ist der erste von drei Verhandlungstagen vor dem Landgericht Würzburg angesetzt. Die Anklage lautet auf schwere Brandstiftung. Bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug sieht das Strafgesetzbuch dafür vor. Haupts Töchter haben ihre Konsequenzen schon gezogen: Sie sind mit den Kindern "weit, weit weggezogen", und Andrea Haupt fragt: "Ist das nicht schlimm, seine Enkelkinder nicht mehr zu sehen?"

Den Pflegesohn hat die Geschichte arg mitgenommen

Jetzt ist auch noch ihr Pflegesohn erkrankt, zu dem sie 2015 eine Pflegschaft wegen einer Behinderung durch den Bezirk Unterfranken übernommen hat. Er befindet sich in stationärer Behandlung. "Thomas hat das zu sehr mitgenommen. Er kann das nur sehr langsam verarbeiten", sagt sie. Doch Andrea Haupt wäre nicht die allseits bekannte und beliebte "Andrea vom Techtel", würde sie jetzt aufgeben. Begeistert zeigt sie Interessierten den Baufortschritt in ihrer Kneipe.

Andrea Haupt ordnet an der seitlichen Bruchsteinmauer einen Kabelstrang. Die Mauer soll als Blickfang so erhalten bleiben.
Foto: Hanns Strecker | Andrea Haupt ordnet an der seitlichen Bruchsteinmauer einen Kabelstrang. Die Mauer soll als Blickfang so erhalten bleiben.

Eine kleine Küche möchte sie einbauen. Die freigelegte Bruchsteinwand im Lokalteil will sie so lassen, wie sie ist – "mit indirekter Beleuchtung, damit man sie besser sieht". Und im hinteren Teil des  Lokals wird sie eine "Lounge" einrichten, mit gemütlichen Sitzecken und Sofas. Die Elektriker waren schon da, jetzt sind die Maler zugange, die Theke hat sie vom ehemaligen Tanzcenter aus Heidenfeld geschenkt bekommen. Demnächst wird sie eingebaut. Der Rest wird von Brauereien gesponsert.

Ob sie zur Verhandlung vor Gericht erscheinen wird, diese Frage kann Andrea Haupt noch nicht beantworten. Sie wird dazu von einer Rechtsanwältin beraten. Doch ob man ihr einen Auftritt dort ersparen kann, ist laut Justizbehörden fraglich. Der bisherige Anwalt des Angeklagten Michele C. hat sein Mandat niedergelegt. Ein neuer Pflichtverteidiger ist vom Gericht bestellt worden. Und wie man aus Justizkreisen vernehmen konnte, hat der Tatverdächtige bislang noch keinerlei Angaben zur Sache gemacht.

 
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