Für die einen ist es eine abgeranzte Kneipe, in die sie keinen Fuß setzen würden. Für andere ist der "Dschungel" in Volkach ein "Juwel der Subkultur", ein "cooler Laden mit einzigartiger Atmosphäre" und eine "kulturelle Begegnungsstätte", die es "neben den Mainstream-Tourismus-Locations in Volkach geben muss" . Das ist nur ein kleiner Einblick in die vielen Schreiben, mit denen sich Menschen – weit über Volkach hinaus – für den Erhalt des "Dschungels", dieser Mischung aus Bar, Kneipe und Club einsetzen.
Grund dafür ist der Bebauungsplan "Volkach-West", in dem das künftige Aussehen des geplanten Mainquartiers geregelt ist. Nahe Altstadt und Main soll dem Plan zufolge nach und nach ein "neues, lebendiges und durchmischtes urbanes Stadtquartier" entstehen.
Nicht nur über 100 Wohnungen, sondern auch Büros, Gewerbeflächen und Einzelhandel sind dort vorgesehen, noch dazu eine Kita plus Räume für soziale oder kulturelle Zwecke im ehemaligen BayWa-Gebäude. Nicht vorgesehen ist in dem Plan allerdings der Fortbestand des "Dschungels": Verdrängen also Parkplätze die Subkultur?
Bürger und Gruppen reichen Online-Petition ein
Genau dagegen wehren sich zahlreiche Menschen – und sie gehen dafür einen Weg, der überrascht. Statt einer Online-Petition oder einem Aufruf bei Facebook haben sie eine klassische Form der Bürgerbeteiligung gewählt: 22 Stellungnahmen von Gruppen, Paaren und Einzelpersonen waren wegen der Zukunft des "Dschungels" bei der Stadt Volkach zum Bebauungsplan und dessen vierter Änderung eingegangen.
In teils sehr emotionalen Worten erläuterten sie, was ihnen der "Dschungel" bedeutet – und warum er erhalten bleiben muss. Diese Briefe haben auch Wirtin Katja Ruck Kraft gegeben: "Als ob ich da erst erkannt hätte, wie wichtig es den Leuten ist." Ihnen vorausgegangen war für sie keine einfache Zeit mit Corona-Nachwehen, undichtem Dach und Wasserschaden, dem Verkauf des Gebäudes an die MainQuartier GmbH & Co. KG, der bangen Frage nach der Zukunft. Als sie davon erzählt, steht sie – wie sonst jeden Freitag- und Samstagabend – hinter dem Tresen ihrer Kneipe, die sie seit 2010 gepachtet hat.
Man merkt ihr dabei an, dass sie sich nicht nach vorne drängen möchte. Doch für die vielen Menschen, die nach einem Abend bei ihr mit einem guten Gefühl nach Hause gehen oder für die der Club gar eine "Neue Heimat" (so ein früherer Name) geworden ist, nimmt sie das in Kauf. Beruflich ist der "Dschungel" ihr zweites Standbein, sie selbst erklärte per Stellungnahme: "Ich schreibe hier nicht aus der Angst heraus, meinen Job als Kneipenwirtin zu verlieren. Ich melde mich vielmehr zu Wort, weil hier weit mehr auf dem Spiel steht als ein Arbeitsplatz." So wie sie selbst Mitte der 90er-Jahre ein herzliches Willkommen erlebt habe, werde auch heute bei ihr jeder Gast mit offenen Armen empfangen.
Zudem, sagt Ruck, sei der Dschungel nicht nur das Vereinsheim der kickernden "Kurbelfreunde", sondern biete manchen Bands die einzige Möglichkeit zu einem Auftritt. Unzählige waren es im Lauf der Jahrzehnte, vom allerersten Konzert regionaler Gruppen bis zu Bands aus Israel und den USA. Wenn mit ihnen die in dem Club erlaubten 100 Menschen feiern, bleiben Erinnerungen wie diese von einem Gast aus Bad Kissingen aus den 90er-Jahren: "Internet gibt es noch keins, aber irgendjemand hat was von einem coolen Laden in Volkach gehört. Und dann spielen da auch noch diese unfassbar guten Schweden von Radioaktiva Räker. Natürlich fahren wir hin. Was ein Abend. Der Schweiß tropft von der Decke, alle tanzen. Ich kann nicht zählen, wie oft ich seitdem in Volkach zu Gast war. Aber in 99 Prozent der Fälle war ein kleiner Laden neben der BayWa der Grund meiner Reise."
Hat dieser kleine Laden aber noch eine Chance, wenn aus dem früheren BayWa-Gelände ein neues Stadtviertel wird? Passt eine Bar mit manchmal dröhnenden Bässen da rein? Für ihren neuen Eigentümer Jan-Felix Beuerlein von der gleichnamigen Erdbau-Firma sind diese Fragen Zukunftsmusik. Zusammen mit Eikona-Gründer Manuel Drescher und Solarpionier Bernhard Beck entwickelt er das Mainquartier – und hätte sich nie träumen lassen, auf diesem Weg mal zum Clubbesitzer zu werden.
Wie Jan-Felix Beuerlein die Zukunft des "Dschungels" sieht
Als solcher betont er, dass es "aktuell keinen Grund zur Aufregung" gebe. Es spreche nichts dafür, das Gebäude jetzt abzureißen, sagt Beuerlein, auch wenn im Bebauungsplan weiterhin Park- und Grünflächen eingezeichnet seien. Im Gegenteil habe man jetzt erstmal in das alte Gebäude investiert. Daran sei zu erkennen, "dass wir Interesse haben, dass es weiter betrieben wird". Seine Antwort auf die Frage nach der langfristigen Zukunft der Kneipe klingt aber eher ausweichend: "Die Bebauung funktioniert mit oder ohne ,Dschungel'."
Auch Volkachs Bürgermeister Heiko Bäuerlein sagt: "Wir wollen den Dschungel nicht weghaben." Gleichzeitig bringt er einen Umzug in ein anderes Gebäude als Idee ins Spiel. Langfristig frage er sich: "Wie groß ist das Konfliktpotenzial?"
Jetzt kommt auch noch der Denkmalschutz ins Spiel
Hinzu kommt ein neuer Aspekt, von dem man nicht weiß, ob er gut oder schlecht für die Existenz der Kneipe ist. Im Herbst hatte ein Bürger gemeldet, dass das Anwesen "Sommeracher Straße 22" unter Denkmalschutz gestellt werden müsse, da es einst Volkachs Armen- und Siechenhaus gewesen sei. Genau das prüft derzeit das Landesamt für Denkmalpflege zusammen mit dem Stadtarchiv Volkach, wie das Kitzinger Landratsamt auf Anfrage bestätigt.
Eigentümer Jan-Felix Beuerlein befürchtet, ein solcher Denkmalschutz könne sich wegen deutlich höherer Sanierungskosten negativ auf den Erhalt der Bar auswirken. Das Landratsamt aber verweist auf Fördermöglichkeiten und darauf, dass es ein wichtiges Ziel sei, "dass Denkmäler zeitgemäß weiter genutzt werden". Auch wenn das Anwesen unter Denkmalschutz gestellt werde, könne das Lokal "Dschungel" bestehen bleiben.
Gleichwohl bleiben Fragzeichen in dieser Gleichung. Wirtin Katja Ruck setzt auf die Einhaltung ihres Pachtvertrags bis 2030 mit Option auf Verlängerung – und auf den Rückhalt ihrer treuen Gäste. Vielleicht auch darauf, dass noch mehr Menschen diese Kneipe als so außergewöhnlich einschätzen wie der bekannte Würzburger Club "Immerhin". Von dort heißt es: "Was das Immerhin für die Region Würzburg ist, ist der Dschungel für die Region Volkach. Ein kleines Juwel der Subkultur, das weit über die Region ausstrahlt. In dem sich Bands aus der ganzen Welt die Klinke in die Hand geben. [...] Und ein Schutzraum für alle Menschen, die anderswo keinen Schutz finden. Vor Ignoranz und Diskriminierung. Dass ausgerechnet eine kleine Stadt wie Volkach diese Nische anbieten kann, ist ein Segen."