
Wer ein Hidden Champion ist, der ist ein stiller Star. Ein Gewinner im Verborgenen. Solche Unternehmen gibt es auch in Mainfranken: die Firmengruppe Belectric in Kolitzheim (Lkr. Schweinfurt) zum Beispiel. Von ihr war in der Vergangenheit in Mainfranken nicht allzu viel zu lesen und zu hören. Trotzdem gehört der Anbieter von Sonnenstrom-Kraftwerken zu den Überfliegern in der Region.
Zu erkennen ist das zum Beispiel am Umsatz: Er wird sich nach Firmenangaben in diesem Jahr gegenüber 2016 fast verdoppeln. Zu erkennen ist der Höhenflug aber auch an einem aktuellen Auftrag: Belectric wird nach eigenen Angaben in Israel das größte Solarkraftwerk des Landes bauen und später betreiben. Es sei für das Unternehmen das größte Projekt dieser Art außerhalb Deutschlands.
Bislang hat Belectric knapp 300 Freiflächen-Solaranlagen gebaut, ein Drittel davon in Deutschland. Diese Quote und der Großauftrag aus Israel zeigen: „Die Musik spielt für Belectric vor allem im Ausland, trotzdem bleibt der deutsche Markt für uns wichtig“, sagt Ingo Alphéus. Der Geschäftsführer ist sich sicher, dass sein Unternehmen noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen ist: „Die Kosten des Solarstroms sind unglaublich schnell gesunken.
Damit fängt die eigentliche Zukunft der Sonnenenergie erst an.“
Die Musik spielt im Ausland
Das spiegle sich allein an der Tatsache, dass Belectric heuer Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung in der Spitze von zusammen 400 Megawatt entwickelt und gebaut habe – doppelt so viele wie im Vorjahr. Das Unternehmen werde in diesem Jahr einen Umsatz von voraussichtlich 200 Millionen Euro machen, so Alphéus.
Von den 700 Mitarbeitern – 180 davon in Kolitzheim, 80 im Innopark in Kitzingen – ist nach seinen Worten die Hälfte im Ausland eingesetzt, allein 150 in Indien. Überhaupt Indien: Das riesige Land sei neben Australien, Chile und dem nach Energieunabhängigkeit strebenden Israel für Belectric ein Top-Markt. Dieses deutliche Augenmerk ins Ausland zeigt auch: Die Energiewende in Deutschland ist nur zum kleineren Teil ein Heilsbringer für die Kolitzheimer.
Einer der Gründer von Belectric ist Bernhard Beck. Er studierte einst Medientechnik, grübelte aber mit seinem Faible für Physik nebenher viel lieber darüber nach, wie man große Fotovoltaikanlagen wirtschaftlich als Kraftwerke betreiben kann. Als er es schließlich zu wissen ahnte, gründete er mit drei Mitstreitern die Vorläuferfirma von Belectric. Heute zählt der 40-Jährige das Unternehmen zu den Weltmarktführern in der Branche. Mittlerweile bietet Belectric auch Großbatterien an. Eine logische Konsequenz, ist doch das Speichern des wetterabhängigen Öko-Stroms ein Dauerthema.
Innogy-Einstieg hat Belectric einen Schub gegeben
Dass Belectric einen Platz an der Sonne eingenommen hat, ist nach Becks Worten auch einem Partner zu verdanken: Vor gut einem Jahr kaufte die RWE-Tochter Innogy die Belectric Solar & Battery Holding. Damit wollte der bis dato auf Wind- und Wasserkraft ausgerichtete Ökostrom-Ableger des Essener Energiekonzerns einen Fuß in die Tür zum Fotovoltaikmarkt bekommen.
„Mit diesem bekannten Namen im Rücken“ komme Belectric nun besser im In- und Ausland an Großunternehmen als potenzielle Kunden ran, sagt Beck. Das habe seinem Betrieb in den vergangenen Monaten einen zusätzlichen Schub gegeben. Alleine und als Mittelständler hätte Belectric seine jetzige Größe auf Dauer nicht stemmen können, ergänzt Geschäftsführer Alphéus. Der 54-Jährige wechselte im Zuge der Firmenehe von einer Führungsposition bei RWE auf den Chefsessel nach Kolitzheim.
Ganz ohne Wermutstropfen ist der Höhenflug des Unternehmens freilich nicht. Belectric bekomme massiv den Fachkräftemangel zu spüren, klagen Alphéus und Beck. Drei Dutzend Stellen seien offen. Vor allem Elektroingenieure, Automatisierungstechniker und IT-Systemadministratoren sucht das Unternehmen. Damit reiht sich Belectric in die lange Reihe der Firmen in Mainfranken ein, die händeringend nach Spezialisten suchen: Der Fachkräftemangel gilt in der Region neben der Digitalisierung und der Unternehmensnachfolge als Haupthürde. Obwohl die Luft auf dem Stellenmarkt dünn ist und obwohl die Musik im Ausland spielt, halten Beck und Alphéus am Standort Mainfranken fest: Ein Wegzug komme nicht in Frage.
Auch Kitzingen spielt eine wichtige Rolle
So bleibt es dabei, dass neben der Zentrale in Kolitzheim auch der Standort Kitzingen für Belectric eine Rolle spielt. Wo einst die Larson Barracks der US-Armee waren, ist heute der rein zivil genutzte Innopark – und mitten drin Belectric in Form der Tochterunternehmen Padcon und Jurchen. Die beiden Adressen haben klar getrennte Rollen: Während die Padcon GmbH für die Überwachung und Regelung von Sonnenkraftwerken in der ganzen Welt zuständig ist, kommen von der Jurchen Technology GmbH vor allem der stählerne Unterbau und die Spezialkabel für die Belectric-Solaranlagen.
Für die Überwachung der Anlagen gibt es im Padcon-Gebäude einen Leitstand. Dort arbeiten im Schnitt vier Mitarbeiter vor den großen Monitoren an der Wand, wo sie die 150 betreuten Anlagen – darunter auch einige von Fremdfirmen – auf einer Weltkarte sehen können. Es herrsche am Leitstand grundsätzlich 24-Stunden-Betrieb an sieben Tagen in der Woche, erklärt Padcon-Geschäftsführer Robert Jüttner.