
Harald Knott fährt mit seinem kleinen Auto auf die Alte Mainbrücke in Kitzingen – und sorgt sofort für Gesprächsstoff. Bei Menschen, die sich wundern, warum der das darf und alle anderen nicht. Und bei den Tauben, für die das Fahrzeug ein Zeichen ist: Gleich gibt es Futter. Vom Falterturm, dem Marktplatz, von der Luitpoldstraße und der Alten Burgstraße fliegen sie dann den Stadttaubenschlag an, der sich in einem der Pfeiler des historischen Bauwerks befindet.
"Man liebt sie, oder man hasst sie", sagt Harald Knott über Tauben. "Es ist ein Drama." Der Nachsatz deutet es an: Knott selbst mag die Vögel, schon von klein auf. "Das ist durch meinen Opa gekommen", erzählt der Etwashäuser, der von Hauptberuf Motorradhändler ist und ein eigenes Geschäft betreibt. "Mit sechs Jahren hatte ich meine ersten Tauben."

Früh engagierte sich Knott beim Kleintierzuchtverband und bei den Brieftaubenzüchtern, deren Vorsitz er heute innehat. Er ist einer, der sich auskennt mit den Vögeln, über die es viele Vorurteile gibt. Und genau deshalb hat die Stadt Kitzingen ihn 2013 zum Taubenbeauftragten gemacht.
Die Tauben lassen sich weder zähmen noch genau zählen
Bestimmt 2000 Stadttauben gab es damals im Herzen Kitzingens, wie Harald Knott grob schätzt. Eine genaue Zählung ist nicht möglich, denn so zutraulich die Tiere wirken, so scheu sind sie letztlich. "Fangen lassen die sich nicht."
Fakt war: Es gab zu viele Tauben in der Innenstadt. Die Vögel bevölkerten Dächer und Gebäude. Und sie rückten den Menschen zu Leibe, die über den Marktplatz liefen oder dort in den Cafés saßen. Viele Leute fütterten sie, was nicht nur zu Krankheiten bei den Tieren führte, sondern auch vermehrt Ratten anzog. Die Stadt entschied sich, einzuschreiten.

Das Fütterungsverbot ist eine der Säulen des Kitzinger Taubenprojektes. Verhungern müssen die Vögel deshalb nicht – sie erhalten im Gegenteil nun seit über zehn Jahren artgerechtes Futter. Einen 25-Kilo-Sack hat Harald Knott im Kofferraum, wenn er zur Einstiegsluke in das Kitzinger "Taubenhotel" fährt – täglich.
Er öffnet die Luke im Brückenpfeiler und steigt über eine Leiter hinab in das Reich der Vögel. Ihn akzeptieren die Tauben – käme ein Fremder, würden sie den Taubenschlag für mehrere Tage nicht mehr anfliegen oder sich gar eine neue Unterkunft suchen.

Den Brückenpfeiler hat Harald Knott als Standort für den Stadttaubenschlag vorgeschlagen, weil dort schon immer Tauben waren. Sie an eine neue Unterkunft zu gewöhnen ist schwierig. Man kann dort Locktauben platzieren und dann warten und hoffen, dass auch die Stadttauben kommen. Das klappt nicht immer. Und die wilden Ringel- und Türkentauben, die es in Kitzingen auch gibt, lassen sich schon gar nicht anlocken. Sie brüten nämlich im Gegensatz zu den Stadttauben in Bäumen, wie der Etwashäuser erklärt.

Die Wände des versteckten Raumes sind mit Holzregalen verkleidet, auf denen die Tauben Platz finden. Dort können sie auch ihre Nester bauen und ihre Eier legen. Eine weibliche Taube legt zwei Eier, brütet 17 Tage und legt wenig später erneut Eier. Insgesamt kann ein Paar im Jahr bis zu zehn Junge aufziehen.
Knott greift deshalb ein, entnimmt die Eier und ersetzt sie durch Gipseier – allerdings nicht alle und nicht immer. "Die Stadttauben sind schlau. Wenn ich immer alle Eier mitnehmen würde, würden sie sich einen anderen Brutplatz suchen. Ab und zu muss ich sie ein Junges aufziehen lassen."

Etwa 1000 Stadttauben gibt es in Kitzingen jetzt noch, schätzt der Taubenbeauftragte. Mindestens 800 von ihnen fliegen täglich die Futterstelle an der Brücke an. Ein Teil von ihnen übernachtet auch in diesem "Hotel", andere leben auf Dachböden von Häusern in der Innenstadt. "Manche Hauseigentümer wollen das auch so." Da könne er wenig machen, sagt Knott. Andere Bürger beschweren sich, wenn die Vögel in ihren Hinterhöfen, auf den Fensterbrettern und Dächern sitzen. Oder wenn sie auf ihrer Terrasse tote Tiere finden.
"Bestimmt zehn Jahre" werde so eine Stadttaube alt. "Und irgendwann sterben sie nun mal", sagt Knott. Dann ziehen sie sich in eine Ecke zurück, hinter einen Blumentopf auf einem Balkon zum Beispiel. Der Taubenbeauftragte rät davon ab, diese Tiere retten zu wollen. "Das ist die Natur, das sollte man akzeptieren."