Der 9. Juli 2021 ist ein Tag, den viele Menschen in Schwarzach nicht vergessen haben und wohl niemals vergessen werden. Was mit prasselndem Starkregen begann, endete für manche gefühlt im Weltuntergang. Wassermassen, die sich durch den Ort ergossen, in Häuser und Betriebe eindrangen und ganze Existenzen in Frage stellten. Endzeit-Stimmung. Nicht zum ersten Mal war das Zentrum der Marktgemeinde komplett überflutet, aber dass das letzte Mal erst acht Jahre her war, obwohl doch ein so elementares Schadensereignis statistisch nur alle 100 Jahre eintreten soll, überraschte dann doch. Beim Großreinemachen ließ die Politik mit ihren Zusagen und Versprechen nicht lange auf sich warten. Nur: Die meisten Botschaften kannten die Betroffenen längst. Sie hatten sie schon Ende Mai 2013 so vernommen.
Aus dem bayerischen Umweltministerium, geführt vom Freie-Wähler-Mann Thorsten Glauber, ist heute zu hören, der Hochwasserschutz an der Schwarzach sei "neu priorisiert". Man arbeite "nach Kräften" an Schutzmaßnahmen. Doch was heißt das? Fragt man Bürgermeister Volker Schmitt, der mit seiner UCW den Freien Wählern politisch nahesteht, dann will er über den Minister nichts kommen lassen. Glauber sei mit seiner Entourage immerhin kurz nach dem jüngsten Hochwasser in der Gemeinde erschienen und habe sich informiert.
Belastbare Aussagen gibt es vom Minister beim Ortstermin nicht
Es gibt Fotos von diesem Termin im September 2021 mit einem lächelnden, sonnengebräunten Minister neben einem friedlich in seinem Bett schlummernden Bach. Belastbare Aussagen gibt es an diesem Tag nicht, weder vom Minister noch von anderer Seite. Immerhin der Auftrag für die Vorplanung ist jetzt seit Ende Januar vergeben. Aber Schmitt weiß eben auch, dass es zehn Jahre oder länger dauern könnte, bis endlich ein wirksamer Hochwasserschutz steht.
Das liegt in der Natur der Sache, denn Schwarzach ist mit seinem Elend nicht allein. Um das Problem zu lösen und nicht nur zu verschieben, muss man es an der Wurzel packen und entlang des gesamten Bachlaufs ein aufeinander abgestimmtes Konzept entwickeln. Eine konzertierte Aktion aller Anrainergemeinden also, und wenn viele mitreden und am Ende auch noch Behörden wie das Wasserwirtschaftsamt oder Fördergeber wie der Freistaat Bayern mit im Boot sitzen, fließt ganz viel Wasser die Schwarzach hinunter, bis das Konzept steht und Maßnahmen umgesetzt sind.
Den Betroffenen ist das Tempo zu behäbig, sie haben sich inzwischen in einer Bürgerinitiative zusammengefunden, um den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen. Anliegen wurden formuliert, Unterschriften gesammelt. Der 27. September 2022 sollte zum großen Tag werden. Das Aktionsbündnis hatte einen Bus nach München gechartert, um die 1400 Unterschriften persönlich dem Minister zu überreichen. Der Termin mit Glauber war lange abgestimmt und kurz zuvor noch einmal von dessen Büro bestätigt worden – so schildern es beide Seiten.
Doch dann erleben die gut 40 Mitstreiter, die sich zum Teil extra frei genommen haben, eine Überraschung: Der Minister, so wird ihnen im Landtag beschieden, lasse sich entschuldigen. Die Stimmung im Raum: angespannt bis gereizt. Langes Warten, große Diskussionen, aber: kein Minister. "Was war wichtiger als Hochwasser?", fragen sich die München-Fahrerinnen und -Fahrer.
Thorsten Glauber, so heißt es auf Nachfrage der Redaktion beim Ministerium, habe sich wegen "kurzfristiger Amtsgeschäfte" abgemeldet. Auch die CSU-Landtagsabgeordnete Barbara Becker, die sich der Delegation aus ihrem Heimat- und Stimmkreis angenommen hat, ist brüskiert. Stattdessen erscheint nach längerem Warten im Landtag der Ministerialrat Michael Tyrkas. Teilnehmer erinnern sich, dass Tyrkas ziemlich herablassend aufgetreten sei.
Den Mitgliedern der Schülerzeitung Peer des Egbert-Gymnasiums Münsterschwarzach, die über den Besuch in München einen Bericht verfassen wollen und Fotos der Veranstaltung gemacht haben, schreibt Tyrkas im Nachgang: "Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass ich eine von Ihrer Seite potentiell in Erwägung gezogene Veröffentlichung dieser Aufnahmen in sozialen oder anderen Medien ohne meine Zustimmung als Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte betrachte." Das, so berichten Teilnehmer, sei in etwa der Ton gewesen, der sich durch die Münchner Veranstaltung zog.
Der Frust bei den Handlungsreisenden in Sachen Hochwasserschutz sitzt tief. Sie sind zwar weiterhin gewillt, die Unterschriften persönlich zu übergeben, aber dafür nicht noch einmal nach München zu reisen. Deshalb bitten sie den Minister um einen Gegenbesuch – bestenfalls zum Jahrestag des Hochwassers am 9. Juli. Antwort aus München: keine Zeit. Das Bündnis bittet um einen anderen Termin in den nächsten Wochen und Monaten. Antwort aus München: mal sehen. Am Montag, 13. März, wird Glauber zu einem Besuch im Kitzinger Landratsamt sein. Ob er nicht wenigstens dann einen kurzen Stopp in Schwarzach einlegen könne? Antwort aus München: mal schauen. Tendenz: keine Zeit.
Auf Anfrage bleibt das Ministerium von Thorsten Glauber vage
Fragt man beim Umweltministerium nach, ob der Minister die Unterschriften persönlich entgegennehmen wird und wenn ja, wann, lautet die Antwort: "Die Initiatoren wurden darüber informiert, dass eine Entgegennahme der Unterschriften persönlich durch Umweltminister Thorsten Glauber erfolgen soll."
Hakt man erneut nach, warum es Glauber nicht möglich ist, innerhalb der nächsten Monate einen verbindlichen Terminvorschlag zu machen, gibt es auch nach drei Werktagen keine Rückmeldung aus dem Ministerium.
Dann, an diesem Dienstag, erhält das Aktionsbündnis eine E-Mail von Schwarzachs Bürgermeister: Der Minister, so heißt es, komme zur Übergabe – an diesem Donnerstag ins Rathaus.
Der CSU und den Freie Wählern ist nur wichtig, dass sie nach der kommenden Landtagswahl weiter gemeinsam in Bayern regieren können.
Im Bayer. Landtag wurden bisher allenfalls „Feigenblatt-Gesetze“ beschlossen, welche für Klima, Umwelt und Natur sowie Hochwasseropfer keinen oder nur einen sehr geringen Nutzen bringen bzw. von den Ministerien mit entsprechenden Ausführungsbestimmungen und Ausnahmegenehmigungen unterlaufen werden.
Gleichzeitig werden Umweltzerstörung (z.B. Flächenfraß), Wasserknappheit, Klimawandel, usw. von den Politikern dieser Parteien verharmlost und der Bevölkerung wird der bequeme „Status quo“ auch für die Zukunft versprochen; auch wenn diese Politiker genau wissen, dass sie ihre Wahlversprechen nicht einhalten können.