Geringe Anschaffungskosten, mehr Flexibilität und weniger unnützer Ballast – diese Vorteile führen Menschen für den Kauf von sogenannten Tiny Häusern an. Dank maximal ausgenütztem Raum entsteht auf wenigen Quadratmetern ein kleines Heim, das vollwertiges Wohnen ermöglichen soll und bei Bedarf per Tieflader in eine andere Stadt verfrachtet werden kann.
Ein fünfköpfiges Team aus Unterfranken, Schwaben und Oberösterreich hat ausgehend von Schwarzach nun die Firma 2am Tiny House gegründet und möchte diese Idee weiterdenken: Die Käufer sollen nicht nur hochwertige Minihäuser bekommen, sondern auch noch Unterstützung bei der Umsetzung ihres Projekts. Denn mit den kleinen Gebäuden rennt man längst nicht überall offene Türen ein.
"2am Tiny House": Die Fertigung der Tiny Houses liegt in Schwarzach
Die Geschäftsidee stammt von Johannes Müller. Der Zimmermann und Hochbautechniker aus Nordheim hat in seiner Firma in Schwarzach am Main bereits solche Häuser als Auftragsarbeit gebaut und seine Begeisterung für diese Wohnform entdeckt. "Mir fehlte aber das unternehmerische Wissen, wie Buchführung oder Marketing", sagt der 28-Jährige. Im Freundeskreis fand sich dieses Know-how zusammen: Theresa Achleitner hat ihr eigenes Brautmode-Label aufgebaut, ihr Mann Andreas ist seit 16 Jahren Unternehmer. Tobias Waclawczyk und Klara Nippert studieren Wirtschaftsingenieurwesen in Augsburg.
"Big Bernd": Tiny-House-Modell wurde nach dem erstem Kunden benannt
Müller und Waclawczyk sind die Geschäftsführer. Seit anderthalb Jahren entwickelt das Quintett die Geschäftsidee, seit gut einem halben Jahr gibt es die Firma und im Sommer ist die Eröffnung mit dem fertigen Prototypen des 31-Quadratmeter-Modells geplant, das nach dem ersten Kunden "Big Bernd" genannt wurde. "Wir haben uns bewusst Zeit gelassen mit der Entwicklung, um den Raum wirklich optimal zu nutzen und die Gestaltung zu entwickeln", sagt Theresa Achleitner, die für die Inneneinrichtung verantwortlich ist und wie Klara Nippert von der Mainschleife stammt.
Für den Marktstart hat die Firma eine schlüsselfertige Grundvariante entwickelt, die 150.000 Euro kosten soll. Den Kunden bleiben noch einige Gestaltungsmöglichkeiten für das Interieur, außerdem können bei Bedarf zusätzliche Module, wie ein Büro- oder ein Saunamodul angefügt werden.
Das Tiny House lässt sich am Ende wieder zerlegen und recyclen
Den vergleichsweise hohen Preis begründen die Firmengründerinnen und -gründer mit ihrem Baustandard. Sie hätten für ihr Modulhaus einen Mittelweg zwischen massivem Holzhaus und den leichter gebauten mobilen Häusern gewählt, sagt Tobias Waclawczyk: "Wir verwenden nachhaltige, hochwertige Materialien und arbeiten nicht mit Styropor oder Klebern."
Dadurch lasse sich das Haus am Ende auch wieder problemlos zerlegen und recyceln, ergänzt Andreas Achleitner. Bei der Konzeption sei man herangegangen wie an ein normales Einfamilienhaus, sagt Johannes Müller. "Big Bernd" erfülle alle Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes. Klara Nippert räumt auf Nachfrage zu dem hohen Preis von rund 4800 Euro pro Quadratmeter ein: "So gut kriegen wir es nicht günstiger hin." Zum Vergleich: Der Quadratmeter einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses kostete in Würzburg im Juni 2021 im Durchschnitt 3782 Euro.
Doch man möchte sich auf dem umkämpften Markt eine Nische erarbeiten. Einen Stamm an Interessenten habe man bereits, sagt Theresa Achleitner. Es gebe Investoren, die die Häuschen beispielsweise als Feriendomizile vermieten wollen: „Aber unser Ziel ist es, damit auch jungen Familien und Alleinstehenden ihren Traum vom Eigenheim zu ermöglichen.“
"Big Bernd" sei mit der Länge von 13 Metern mit bis zu vier Personen bewohnbar. Außerdem arbeitet das Team an einer kleineren Variante mit sieben Metern Länge. Mit dem Tiny House lasse sich der Haustraum umsetzen, ohne die nächsten 30 Jahre an einen Kredit oder einen Ort gebunden zu sein.
Viele Kommunen genehmigen die keine Tiny Houses
Doch die Begeisterung für die neue Wohnform ist längst noch nicht überall angekommen. "Die Wohnform 'Tiny Houses' kann – unabhängig ob mobil oder stationär – bei der erforderlichen Neuschaffung von dringend benötigtem Wohnraum in Bayern lediglich einen nachrangigen Beitrag leisten", lautete im Dezember 2020 das Fazit des bayerischen Bauministeriums auf eine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Sebastian Körber. Die Häuser würden auf vergleichsweise viel Fläche wenig Wohnraum schaffen und seien sehr aufwendig, weil sie erschlossen werden müssten wie ein normales Einfamilienhaus.
Viele Kommunen verweigern die Genehmigung, weil sich die Gebäude nicht in die Umgebung einfügen oder nicht in den Bebauungsplan passen. Die Baugenehmigung zu bekommen, ist oft deutlich schwieriger, als das richtige Tiny House zu finden.
Unternehmen "2am Tiny House" sucht das Gespräch mit den Gemeinden
Hier will die Firma, die ihren Sitz in Königsbrunn (Landkreis Augsburg) hat, ansetzen. Mit Spezialisten prüft das Team die Bebauungspläne in der Wunschkommune der Kunden und sucht das Gespräch mit den Gemeinden, um eine gemeinsame Lösung zu finden.
Es gebe immer mehr Bürgermeister, die sich für die Idee öffnen, sagt Tobias Waclawczyk: "Natürlich ist ein Hochhaus auf einem Grundstück immer effizienter als ein Tiny House", sagt er. "Aber mit den Modulhäusern lassen sich Baulücken sehr gut schließen, in der Stadt und auf dem Land."
Hoffentlich ist die "Mode" bald wieder vorbei.