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Iphofen
Knauf-Konzernchef Kampmeyer zur Baukrise in Deutschland: "Wir haben derzeit keine konkreten Kurzarbeit-Pläne"
Knauf-Chef Jörg Kampmeyer erklärt, wie sich der Gips-Konzern gegen die Baukrise stemmt und wie der Stand beim geplanten Gips-Bergwerk in der Altertheimer Mulde ist.
Jörg Kampmeyer ist im Vorstand bei Knauf in Iphofen (Lkr. Kitzingen). Der 55-Jährige ist einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter an der Konzernspitze.
Foto: Thomas Obermeier | Jörg Kampmeyer ist im Vorstand bei Knauf in Iphofen (Lkr. Kitzingen). Der 55-Jährige ist einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter an der Konzernspitze.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 17:07 Uhr

Der Gipskonzern Knauf in Iphofen (Lkr. Kitzingen) hat derzeit hohe Hürden vor sich. Der Weltmarktführer muss mit der Baukrise in Deutschland genauso klarkommen wie mit den vielen Fragen, die sein geplantes Bergwerk in der Altertheimer Mulde westlich von Würzburg aufwirft. Und dann ist da noch die Tatsache, dass Knauf trotz des Ukraine-Kriegs in Russland aktiv ist.

Jörg Kampmeyer ist einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter des Knauf-Konzerns. Im Interview erklärt der 55-Jährige, wie die Baukrise vor allem in der Zentrale in Iphofen zu spüren ist und warum es nach wie vor kein Nein zum Russland-Geschäft gibt.

Frage: Die Zinsen sind gestiegen, Bauen ist teuer geworden, die Bauwirtschaft in Deutschland macht schlapp. Wie geht es Ihrem Unternehmen?

Jörg Kampmeyer: Wir spüren die rezessive Situation im Bau stark. Das gilt insbesondere für die kontinentaleuropäischen und nordeuropäischen Länder. Der Bedarf im Markt ist aber da und wir denken langfristig. Deshalb wird Knauf in diesem Jahr das größte Investitionsvolumen seiner Geschichte tätigen. Wir sprechen hier von einer Viertelmilliarde Euro Investitionen hier in der Region – alleine in Markt Einersheim einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Hinsichtlich der derzeitigen Situation sind wir aber in der Lage, über interne Maßnahmen und über den Ausgleich durch Wachstumsmöglichkeiten außerhalb dieses schwierigen Marktumfeldes – insbesondere außerhalb von Europa – immer noch ein zufriedenstellendes Ergebnis sicherzustellen.

In Zahlen?

Kampmeyer: Nein (lacht).

Dann so: Es war zu lesen, dass Knauf in 2022 einen Gesamtumsatz von 15 Milliarden Euro gemacht hat. Wo wird der Konzern 2023 liegen?

Kampmeyer: Da werden wir nicht komplett anders liegen. Das schaffen wir, wieder in dieser Größenordnung abzuschließen.

Müssen sich Knauf-Beschäftigte Sorgen machen wegen der aktuellen Misere auf dem Bau?

Kampmeyer: Nein.

"So, wie wir jetzt aufgestellt sind, gehen wir davon aus, dass wir an allen Standorten – also auch in Iphofen – ohne Kurzarbeit durchkommen."
Jörg Kampmeyer, geschäftsführenden Gesellschafter des Knauf-Konzerns
Keine Eingriffe also?

Kampmeyer: Bei allem, was wir bislang sehen können, sind wir in der Lage, die jetzige Schwächephase im Markt – so würde ich es mal nennen – ohne flächendeckende Maßnahmen zu bewältigen.

In den vergangenen Tagen war zu hören, dass in der Knauf-Produktion 2024 Kurzarbeit kommen soll. Die Belegschaft in Iphofen sei deswegen beunruhigt. Was ist da dran?

Kampmeyer: Kann ich nicht bestätigen. Ich gehe davon aus, dass wir das nicht umsetzen müssen.

Lagen Pläne über Kurzarbeit in den Schubladen?

Kampmeyer: Nein. Wir haben derzeit keine konkreten Kurzarbeit-Pläne. Wir beobachten die Situation und haben im Moment viel zu tun. Wie immer über den Jahreswechsel. Wir haben die Kapazitäten auch in Iphofen angepasst: Vor allem über Nicht-Nachbesetzung von ausscheidenden Personen sowie über die Reduktion von Leiharbeitern, also externen Dienstleistungen in der Produktion. So, wie wir jetzt aufgestellt sind, gehen wir davon aus, dass wir an allen Standorten – also auch in Iphofen – ohne Kurzarbeit durchkommen. Wir versuchen, das zu vermeiden.

Wie viele Beschäftigte hat Knauf in Mainfranken?

Kampmeyer: Etwa 2500.

Wie viele werden es in zehn Jahren sein?

Kampmeyer: Das hängt davon ab, wie wir in der Lage sein werden, die verschiedenen Projekte – insbesondere das Bergwerksprojekt Altertheimer Mulde – umsetzen zu können. Aber wir hoffen natürlich, dass wir hier am Standort weiter wachsen können. Das Unternehmen Knauf und die Familie Knauf sind tief verwurzelt in dieser Region. Neben der emotionalen Bindung haben wir hier ein großes Know-how und eine große Reputation geschaffen, auf der wir weiter aufbauen wollen.

Was ist Stand der Dinge beim Bergwerk in der Altertheimer Mulde? Das Vorhaben im westlichen Landkreis Würzburg hat für Knauf ja Top-Priorität, weil das Unternehmen so schnell wie möglich dort an den Naturgips rankommen will als Ersatz für den künstlichen REA-Gips.

Kampmeyer: Wir sind im Planungsprozess und stimmen ihn eng mit allen beteiligten Behörden ab, insbesondere mit der Regierung von Unterfranken, dem Landratsamt, dem Wasserwirtschafts- und dem Bergamt sowie der Trinkwasserversorgung Würzburg, mit der wir im engen Austausch stehen. Aufgrund der besonderen Anforderungen eines möglicherweise erweiterten Trinkwasserschutzgebiets lassen wir von der DMT Group, einer Tochter des TÜV Nord, ein sehr umfangreiches hydrogeologisches Gutachten erstellen, das sich auf Daten von 18 Messpunkten im künftigen Abbaugebiet stützt. Auf dieser Basis wird es dann Ende 2024/Anfang 2025 zu einer Entscheidung kommen.

Um an die großen Gipsvorkommen in der Altertheimer Mulde (Lkr. Würzburg) zu kommen, lässt Knauf dort den Untergrund untersuchen. Anlass ist die geplante Erweiterung eines Trinkwasserschutzgebietes.
Foto: Silvia Gralla (Archivbild von 2022) | Um an die großen Gipsvorkommen in der Altertheimer Mulde (Lkr. Würzburg) zu kommen, lässt Knauf dort den Untergrund untersuchen. Anlass ist die geplante Erweiterung eines Trinkwasserschutzgebietes.
Das heißt, Sie wollen dann mit den eigentlichen Bergarbeiten beginnen?

Kampmeyer: Das heißt, dass wir weiterhin zuversichtlich sind, dass wir diese Genehmigung erhalten können. Aber ich will jetzt nicht dem Gutachten vorgreifen.

Wann werden Sie die ersten Stollen graben und an den Gips in der Altertheimer Mulde ran können?

Kampmeyer: Wenn alles gutgeht, sollten wir 2027 loslegen können.

Reicht Knauf dann die Zeit noch, um den nahenden Wegfall von REA-Gips auszugleichen?

Kampmeyer: Das haut gerade noch hin, aber wir dürfen uns keine längeren Verzögerungen mehr erlauben. Wir müssen dann das Bergwerk zügig eröffnen und Gips abbauen dürfen.

Neben dem geplanten Bergwerk dürfte es für Knauf eine weitere Herausforderung geben: den Fachkräftemangel. Wie wirkt er sich in Iphofen aus?

Kampmeyer: Wir können uns natürlich nicht von der allgemeinen Situation entkoppeln. Deshalb setzen wir verstärkt auf die eigene Ausbildung. Wir versuchen, auch überregional als attraktiver Arbeitgeber bekannt zu werden. Da betreiben wir einen großen Aufwand, um beim relevanten Zielpublikum mehr Präsenz zu erreichen. Den Fachkräftemangel spüren wir aber auch bei unseren Kunden. Es stehen heute nicht genügend Facharbeiter zur Verfügung, um all die Bauprojekte zu realisieren.

In welchem Maß macht Knauf in Russland noch Geschäfte?

Kampmeyer: Da sind wir genauso tätig, wie wir das im letzten und vorletzten Jahr waren.

'Wir sehen keinen Sinn darin, die Brücke zu den Menschen in Russland abzubrechen', sagt Knauf-Chef Jörg Kampmeyer.
Foto: Thomas Obermeier | "Wir sehen keinen Sinn darin, die Brücke zu den Menschen in Russland abzubrechen", sagt Knauf-Chef Jörg Kampmeyer.
Mit der gleichen Begründung wie zu Beginn des Ukraine-Kriegs? Also: Knauf zieht sich nicht aus Russland zurück, weil das Unternehmen in der Verantwortung für seine 4000 Beschäftigten dort stehe.

Kampmeyer: Ja, daran hat sich nichts geändert. Es geht aber auch um die begrenzten Alternativen, die wir haben. Es ist ja nicht so, dass wir von hier aus Technologie oder Produkte nach Russland verkaufen. Wir haben vielmehr über 30 Werke dort aufgebaut und mehr als 4000 Menschen angestellt.

Der Kreml hat angedroht, die Werke jener westlichen Unternehmen zu konfiszieren, die sich aus Russland zurückziehen wollen. Spielt das für Knauf auch eine Rolle, in Russland zu bleiben?

Kampmeyer: Wir sehen uns in der Fürsorgepflicht unseren russischen Mitarbeitern und den lokalen Gemeinden gegenüber. Und wir sehen keinen Sinn darin, die Brücke zu den Menschen in Russland abzubrechen.

Eine weitere Herausforderung für Knauf war die große Cyberattacke im Juni 2022. Was ist davon im Unternehmen noch zu spüren?

Kampmeyer: Was wir damals gelernt haben, setzen wir jetzt um. Wir haben im Nachgang große Programme aufgesetzt, um sicherzustellen, dass so etwas nicht nochmal passiert. Das beginnt bei technologischen Programmen und setzt sich fort bei Schulungen von Mitarbeitern. Die größte Unsicherheit ist immer noch der menschliche Faktor. Das spürt man noch. Ansonsten funktioniert die Firma wieder so wie vorher.

Wie oft wurde Knauf seither erneut von Cyberkriminellen attackiert?

Kampmeyer: Wir sind in dieser Größenordnung nicht nochmal attackiert worden. Aber ich kann jetzt keine genauen Zahlen sagen. Nur so viel: Jede Firma wird jeden Tag hunderte oder tausende Male attackiert.

Weltmarktführer bei Gips: der Knauf-Konzern

40.000 Beschäftigte hat der Knauf-Konzern weltweit. Die Zentrale des Weltmarktführers ist in Iphofen im Landkreis Kitzingen. Dort steht auch ein Gipsplattenwerk. In der Nachbargemeinde Markt Einersheim ist ein weiterer Betrieb. Einige Kilometer weiter in Hüttenheim holt Knauf seit 1957 das Mineral Anhydrit aus einem Bergwerk. Anhydrit ist eine Gips-Variante.
In der Altertheimer Mulde im Westen von Würzburg plant das 91 Jahre alte Unternehmen seit Jahren ein Gips-Bergwerk, das das größte seiner Art in Bayern werden würde. Die vorgesehene Erweiterung eines Trinkwasserschutzgebietes könnte dem aber im Wege stehen. Untersuchungen dazu laufen. Knauf hat in der Vergangenheit immer wieder betont, auf den Gips aus der Altertheimer Mulde angewiesen zu sein, weil sogenannter REA-Gips allmählich rar wird. Dieser sehr reine Gips entsteht in Rauchgas-Entschwefelungsanlagen von Kohlekraftwerken. Doch spätestens 2038 soll Deutschland nach einem Beschluss der Bundesregierung aus der Kohleverstromung ausgestiegen sein. REA wäre dann Geschichte.
aug
 
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