
Die Erwartungen waren groß gewesen: Nach den kürzlichen Wahlen in Bayern und Hessen war immer wieder von einem Warnschuss zu lesen gewesen – und davon, dass der Strom der Flüchtlinge inzwischen politische Sprengkraft habe. Davon, dass die Gesellschaft von der Migrations- und Flüchtlingskrise erschöpft und überfordert sei und eine Begrenzung her müsse. Die Signale aus der Politik war deutlich: Wir haben verstanden, es kann und darf so nicht weitergehen.
Was folgte, war ein Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt. Der scheint verpufft, auch wenn ein "schärferer Kurs" verkündet wurde. Zumindest im Sozialausschuss des Landkreises gab man sich am Montag keinerlei Illusionen hin. Die Realität erinnere zunehmend an das Chaos-Jahr 2015. Die Überforderung ist greifbar, die Landrätin desillusioniert. Längst droht auch das, was nie mehr passieren sollte: Die Turnhallen müssen wieder außer Betrieb genommen und mit Geflüchteten belegt werden.
Was andernorts schon gang und gäbe ist, dürfte im Landkreis Kitzingen womöglich noch in diesem Jahr geschehen. Zwar versuche man es "tunlichst zu vermeiden", dass "in Betrieb befindliche Turnhallen" wieder zu Notunterkünften werden, informierte die Landrätin den Sozialausschuss des Landkreises bei seiner Sitzung im Landratsamt.
Die Gemeinschaftsunterkunft im Innopark ist fast voll
Groß sei die Hoffnung jedoch nicht, weil zu vieles dagegen spreche: Die Gemeinschaftsunterkunft (GU) im Kitzinger Innopark, die von der Regierung von Unterfranken betrieben wird, hat maximal noch für diesen Monat Kapazitäten. Was ein Stück weit auch daran liegt, dass die Zahl sogenannter "Fehlbeleger" weiterhin hoch ist und aktuell bei 44 Prozent liegt. Diese "Fehlbeleger" müssten nicht mehr in der GU leben, finden aber außerhalb auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Bleibe.
Aktuell werde die Notunterkunft in Hallen der ehemaligen Firma Bären-Schmidt in Mainbernheim wieder hergerichtet. Was fast schon Routine ist – das Anwesen hat bereits eine Notunterkunft-Geschichte, zuletzt wurden dort im März 2022 ukrainische Flüchtlinge untergebracht.
Knapp 2000 Asylsuchende im Landkreis
Allerdings stehe jetzt schon fest, dass auch das nicht reichen werde. Nachdem der Landkreis derzeit pro Woche 22 bis 25 Menschen zugewiesen bekomme, lasse sich ausrechnen, wann die letzten Kapazitäten ausgeschöpft seien, rechnete Tamara Bischof den Ausschussmitgliedern vor. Aktuell liege die Zahl der im Landkreis untergebrachten Asylsuchenden bei knapp 2000.
Viel Spielraum, auch das machte die Kreis-Chefin deutlich, bleibe ihr und der Verwaltung dabei nicht. Man versuche den Zustrom "einigermaßen ordentlich" zu bewerkstelligen – aber mit jedem Tag werde genau das schwerer. Man brauche nicht drumherum reden, "dass der Staat uns überfordert", so Bischof. Um dann frustriert nachzuschieben: "Aber das interessiert den Staat nicht!"

Auf der Suche nach Wohnraum habe sie noch einmal alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister angeschrieben, außerdem kündigte sie ein Treffen mit ihnen zu diesem Thema an. Im Mittelpunkt stehe dabei – wie schon einmal – das Anmieten von dezentralen Unterkünften im gesamten Landkreis. Klar sei dabei aber jetzt schon: Wo nichts ist, ist nichts.
Und, eine weitere bittere Wahrheit: "Es wir sich so schnell nichts ändern!" Die Situation werde "mindestens nächstes Jahr noch" anhalten, so die Einschätzung der Landrätin.
Integrationslotsin bleibt erhalten
Der Andrang sei auch personell kaum noch zu bewältigen. Selbst wenn neue und oft gut dotierte Stellen geschaffen würden, müsse sich dafür erst einmal jemand dafür interessieren: "Wir sind froh, wenn sich überhaupt jemand bewirbt". Immerhin bleibt dem Landkreis die Stelle einer Integrationslotsin erhalten. Die hätte Ende 2023 auslaufen sollen, wird jetzt aber bis Ende 2026 verlängert und zudem um eine Person aufgestockt.
Welche Klimmzüge der Landkreis in diesem Zusammenhang mitunter machen muss, zeigt die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Ausländer. Statt das Thema auf Landesebene etwa mit Errichtung eines entsprechenden Zentrum zu lösen, würden die Landkreise hier alleine gelassen. Was dazu führt, dass jetzt in Mainbernheim ein Einfamilienhaus als Jugendhilfeeinrichtung dient, in dem fünf Jugendliche untergebracht sind und entsprechend aufwändig betreut werden müssen.
Hier müsste für Unterfranken ein Zentrum geschaffen werden, so der Appell der Landrätin. Eine Forderung, die zuletzt von 71 bayerischen Landrätinnen und Landräten unter der Überschrift "Der notwendige Weg aus der Migrationskrise" erhoben worden war.
Eine Diskussion ergab sich daraus nicht – es fühlte sich eher nach betretenem Schweigen der Ausschussmitglieder an. Und danach, dass der notwendige Weg aus der Migrationskrise womöglich noch gar nicht richtig begonnen hat.