
Aufmerksam beobachtet eine Gruppe von Lkw-Fahrern, was sich auf "Rosi's Autohof" nahe der A 3 in Rüdenhausen (Lkr. Kitzingen) ereignet. An gewöhnlichen Sonntagen ist das nicht viel. Aber an diesem Nachmittag hält der Impfbus des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) auf dem Parkplatz. Jeder, der will, kann sich mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson gegen Corona impfen lassen - unabhängig vom Wohnort oder der Nationalität. Sechs Männer stehen im Halbkreis und sehen zu, wie die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer alles für die Impfungen vorbereiten.
Thorsten Dennerlein vom BRK geht auf die Gruppe zu. Deutsch sprechen die Lkw-Fahrer kaum. "Impfung gegen Corona?", fragt er in den Halbkreis hinein und tippt sich mit dem rechten Zeigefinger auf den linken Oberarm. Die Arme der Lkw-Fahrer sind verschränkt, ihre Reaktionen verhalten. Nur ein Fahrer aus Polen zeigt Interesse. Er nähert sich vorsichtig und steigt in den gelb-orangefarben Bus ein.
Mögliche Nebenwirkungen werden auch auf Polnisch erklärt
Drinnen empfängt ihn Magdalena Musiol in seiner Muttersprache. Die BRK-Sanitäterin ist zweisprachig aufgewachsen, was sich bei der Überwindung bürokratischer Hürden vor der Impfung als großer Vorteil erweist. Das Robert Koch-Institut stelle zwar Aufklärungsbögen in etlichen Sprachen zur Verfügung, sagt Musiol. "Aber die Leute freuen sich einfach, wenn sie verstanden werden." Es schaffe Vertrauen. Sie fragt den Fahrer, ob er Allergien hat und klärt ihn über mögliche Nebenwirkungen auf.

Fünf Minuten später kommt der polnische Fahrer wieder aus dem Bus. Mit Impfstoff im Oberarm und seinem Zertifikat in der Hand. Warum er sich heute zur Impfung entschlossen hat? Er zuckt mit den Schultern und zieht sich in seinen Lkw zurück. Sonntags gilt für Lkw auf deutschen Straßen ein Fahrverbot. Frühestens um 22 Uhr dürfen er und seine Kollegen weiterfahren.
Die anderen Fahrer wollen das Impfangebot auf der Raststätte nicht annehmen. Einer gibt zu verstehen, dass er schon geimpft ist. "Sputnik, Sputnik", sagt der Fahrer aus Belarus immer wieder und hält den Daumen nach oben. Ein Fahrer aus Polen vermutet eine große Verschwörung hinter Corona. Der Name Bill Gates fällt. "Es geht um viel Geld", sagt er. Er sucht nach einem Wort, Google hilft weiter: "Abzocke", übersetzt das Smartphone. Er kenne niemanden, der Corona gehabt habe, und mache sich auch keine Sorgen, dass er es bekommen könnte.

Durch mobile Impfangebote will die Bundesregierung die Impfquote erhöhen. Der Bus des BRK machte am Sonntag an drei Rasthöfen im Landkreis Kitzingen halt. Insgesamt wurden 55 Personen geimpft. 70 Dosen hatte der Bus an Board. Nachbestellungen wären möglich gewesen, sagt Thorsten Dennerlein.
Im Kitzinger Landratsamt ist man mit der Zahl der Impflinge zufrieden. "Die Aktion ist aus unserer Sicht gut gelaufen, auch wenn natürlich an allen Stationen noch Luft nach oben gewesen wäre", berichtet Pressesprecher Simon Vornberger. Man bemühe sich "ein möglichst einfaches Impfangebot" zu machen und hoffe, dass es möglichst viele wahrnehmen. "Deshalb wird auch bereits darüber nachgedacht, eine ähnliche Impfaktion noch einmal durchzuführen", sagt Vornberger.
Angebot unabhängig von Wohnort oder Nationalität
Der Impfstoff von Johnson & Johnson wird auf dem Rastplatz verwendet, damit die Lkw-Fahrer keinen zweiten Termin ausmachen müssen, erklärt der Arzt Wolfgang Otremba. Bei diesem Vakzin genügt eine Dosis für den vollständigen Impfschutz. Das Angebot richtet sich aber nicht nur an Lastwagenfahrer, sondern auch an Spätentschlossene, die in der Region wohnen oder auf der Durchreise sind.
Als Spätentschlossene bezeichnet sich auch eine Frau aus dem Landkreis Schweinfurt. Mehrere Anläufe, sich impfen zu lassen, habe sie kurz davor abgebrochen. "Ich habe wahnsinnige Angst vor der Spritze", sagt sie angespannt. Dieses Mal wird sie sich trauen.

In der Warteschlange vor ihr steht ein 24-Jähriger aus dem Landkreis Kitzingen. Er hat am Tag davor auf Facebook von dem Impfangebot erfahren. "Unter der Woche habe ich keine Zeit", sagt der Handwerker. Deshalb könne es sich erst jetzt impfen lassen. "Hier brauche ich keinen Termin und sonntags passt es mir gut." Und ab Oktober möglicherweise für Schnelltest bezahlen zu müssen, wolle er auch nicht.
"Ich kann ja bald nirgends mehr hin. Jetzt muss es halt sein."
Sobald der Inzidenzwert über 35 liegt, greift außerdem seit diesem Montag die sogenannte 3 G-Regel. Zugang zu Innengastronomie, zu Hotels, zu Sportangeboten in geschlossenen Räumen oder zum Friseur wird nur noch jenen gewährt, die entweder geimpft sind, von einer Covid-Erkrankung genesen oder einen aktuellen negativen Test vorlegen können.
Deshalb ist auch ein 63-Jähriger aus dem Landkreis Kitzingen da. "Der Staat zwingt mich zur Impfung", sagt er. "Ich kann ja bald nirgends mehr hin". Corona sei "auch nichts anders als eine Grippe". Sorgen mache er sich weder wegen der Krankheit, noch wegen etwaigen Nebenwirkungen des Impfstoffs. "Jetzt muss es halt sein", sagt er.