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Kitzingen
Feuerwehr unter Raketenbeschuss: Die Nachwehen einer Silvesternacht in Kitzingen und die Frage nach Konsequenzen
Während die Polizei in Kitzingen an Silvester keine Probleme sah, war die Feuerwehr geschockt und funkte wild SOS. Manche Beteiligte sind noch immer fassungslos.
Polizeibeamte stehen hinter explodierendem Feuerwerk – die Silvester-Bilder aus Berlin sind noch allgegenwärtig. Auch in Kitzingen gab es erstmals Angriffe auf Rettungskräfte, die Kitzinger Feuerwehr erlebte eine bisher nicht gekannte Eskalation. 
Foto: Julius-Christian Schreiner, dpa | Polizeibeamte stehen hinter explodierendem Feuerwerk – die Silvester-Bilder aus Berlin sind noch allgegenwärtig.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 10.02.2024 09:12 Uhr

Stefan Münch hatte viel Glück. Zwei, drei Meter – und eine Silvesterrakete wäre vielleicht vor seinem Gesicht explodiert. Der Blick des Kitzinger Feuerwehrmannes erhaschte noch zwei, drei Gestalten, von denen der Schuss wohl gekommen war. Er schrie die Angreifer an. In dem Moment waren sie auch schon verschwunden.

Das Problem war: Es passierte alles auf einmal. Denn eigentlich befanden sich die Helfer gerade mitten im ersten Einsatz des neuen Jahres. 2023 war keine 30 Minuten alt, Raketen erleuchteten den Himmel über der Alten Mainbrücke. Wenige Meter entfernt der Ernstfall: ein brennender Balkon. Deshalb saß Stefan Münch leicht erhöht auf dem Drehleitersitz, um mit der Leiter den Brandherd anzusteuern.

Nach dem Einsatzende blieb Zeit, die in der Leiter klemmende Rakete zu fotografieren – weil das einem ja sonst keiner glaubt. Was da wenige Minuten zuvor war, wurde Stefan Münch erst auf dem Rückweg immer klarer, als die Last des Einsatzes abfiel. Er war beschossen worden, das war ein Angriff gewesen.

Feuerwehr muss Slalom fahren, um den Brandort zu erreichen

Sein Feuerwehrkommandant Matthias Gernert kam zu der gleichen Erkenntnis. Er sprach später davon, dass man bei der Anfahrt an die Brandstelle teilweise Slalom hätte fahren müssen, um den Raketen-Batterien auszuweichen. Und er wies darauf hin, dass auch ein Kreisbrandmeister bei der Anfahrt mit seinem Privatauto, das als Sonderfahrzeug gekennzeichnet war, mit drei Raketen beschossen worden sei.

"In dem Ausmaß" habe man so etwas in einer Silvesternacht "noch nicht erlebt". Alles in allem "eine neue Dimension", fasste Gernert seine Eindrücke in einem Gespräch mit dieser Redaktion zusammen. Eine Zeitenwende, auch hier. Wenn auch, wie sich gleich zeigen wird, etwas versteckt.

Es ging um ein paar Meter: Eine Rakete blieb in der Drehleiter der Kitzinger Feuerwehr hängen. Sie explodierte kurz vor dem Maschinisten, der die Leiter bediente.
Foto: Stefan Münch | Es ging um ein paar Meter: Eine Rakete blieb in der Drehleiter der Kitzinger Feuerwehr hängen. Sie explodierte kurz vor dem Maschinisten, der die Leiter bediente.

Diese "neue Dimension" suchte man nämlich später anderswo vergeblich. Wer beispielsweise nur die Polizeimeldungen las, musste von einem "normalen" Silvester ausgehen. Dort tauchten 18 Einsätze auf, darunter drei Brände: der auf dem Balkon durch eine Feuerwerk-Rakete; in Albertshofen brannte ein Dixi-Klo und in Volkach – fast schon obligatorisch – ein Müllcontainer. Ansonsten: einige Ruhestörungen in Kitzingen, Dettelbach und Mainbernheim. Vor allem aber: keinerlei Fest- oder Gewahrsamsnahmen. Für den Kitzinger Polizeichef Jochen Dietrich stand denn auch lange Zeit fest: "Zu Angriffen auf Einsatzkräfte ist es erfreulicherweise nicht gekommen."

Wie kann das sein? Woher kommen diese unterschiedlichen Wahrnehmungen?

Auf Nachfrage erklärt der Kitzinger Polizeidirektor das so: Die auf die Drehleiter abgefeuerte Rakete kenne er auch nur aus der Zeitung. Er sei "überrascht über den Artikel" gewesen. Zumal es auch keine Anzeige gegeben habe. Während der gesamten Brandbekämpfung sei eine Polizeistreife vor Ort gewesen. Diese habe "in dem Umfeld weitere Störungen des Feuerwehreinsatzes unterbunden". Was bedeutet: Es gab tatsächlich Menschen, die direkt hinter dem Feuerwehrauto weiter geböllert haben. Fest stehe aber auch: Vor Ort habe man "keine Hinweise auf einen gezielten Angriff" gehabt, so Dietrich.

Was bringt der Feuerwehr eine Anzeige gegen Unbekannt?

Weshalb es nicht zu der Anzeige kam und somit zumindest offiziell kein möglicher Angriff aktenkundig wurde, erklärt Stefan Münch auf Nachfrage so: Nachdem er die Angreifer nur einen Augenblick gesehen hatte, wäre alles auf eine Anzeige gegen Unbekannt hinausgelaufen. Mit einer Erfolgsaussicht, die gegen Null tendiert. Sprich: Nach einigen Wochen wäre ein Brief von der Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis gekommen, dass man das Verfahren eingestellt habe.

Eine Sicht der Dinge, die durchaus nachvollziehbar ist. Weil genau das auch ein Teil der Wahrheit ist: Wer seine Erfahrungen gesammelt und einige Verfahrenseinstellungen erlebt hat, wird irgendwann müde, überhaupt noch etwas anzuzeigen. Eine Tatsache, die sowohl Polizei als auch Justiz gerne übersehen.

Der erste Einsatz des neuen Jahres bescherte der Kitzinger Feuerwehr gleich mächtig Stress.
Foto: Hans Will | Der erste Einsatz des neuen Jahres bescherte der Kitzinger Feuerwehr gleich mächtig Stress.

Zurück zum Ausgangspunkt: Wenn es also für die einen ein normales Silvester war und für andere eine neue Dimension – was folgt daraus für die Zukunft? Was bedeutet das beispielsweise für das kommende Silvester? Und auch das ist eine entscheidende Frage: Wie bekommt man die beiden Enden wieder zusammen, dass künftig nicht mehr aus dem einen Helferlager "normal" und aus dem anderen Lager so etwas wie SOS gefunkt wird? Wie bekommt man in Krisen die Wahrnehmungen deckungsgleich? Wie den Austausch des Erlebten?

Der Polizeichef spricht von einer "schauerlichen Entwicklung"

Reicht man die Frage an den Kitzinger Polizeichef weiter, gibt es eine klare Ansage: Er "verstehe die Sorgen der Feuerwehrleute". Nachdem es hier nicht zuletzt durch die Silvester-Eskalation in Berlin "eine schauerliche Entwicklung" gegeben habe, könne dies nur eines heißen: Man müsse sich in gewissen Situationen "deutlich stärker aufgestellt" zeigen, was in vielen Bereichen auch schon passiere. Es dürfe auf gar keinen Fall so sein, dass die Feuerwehr mit Angst zum Einsatz fahre.

"Es sind unzurechnungsfähige Bürger, die Einsatzkräfte angreifen."
Kreisbrandrat Dirk Albrecht (nicht nur) über die Silvesternacht

Kreisbrandrat Dirk Albrecht ist auch Tage nach dem Vorfall noch merklich sauer. Er appelliert an die Zivilcourage aller: Gerade bei herausstechenden Veranstaltungen mit großem Publikum wie an Silvester brauche es den Mut, entsprechende Täter "zu stellen und anzuzeigen". Man dürfe die um sich greifende "Respektlosigkeit" keinesfalls schweigend hinnehmen. Der Kreisbrandrat geht dabei mit aller Deutlichkeit voran: Es seien "unzurechnungsfähige Bürger, die Einsatzkräfte angreifen". Von den ins Spiel gebrachten Body-Cams hält er wenig: "Das würde vor Gericht wahrscheinlich keinen Halt finden."

Seine ehrenamtlichen Helfer seien jedenfalls überfordert, wenn sie sich auch noch um die eigene Absicherung vor asozialen Angriffen Gedanken machen müssten. "Im Einsatz", findet Albrecht erneut klare Worte, "bleibt nicht die Zeit, um sich auch noch um die unzurechnungsfähigen Chaoten zu kümmern."

 
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  • R. B.
    Es muss ja nicht ein komplettes "Böller-Verbot" sein. Vorschlag: Privates Böllern wird in der Gemeinde/Stadt grundsätzlich nicht erlaubt. Die Kommune gibt bei Profis ein zentrales Feuerwerk in Auftrag. Jeder, der sich gerne daran erfreut, zahlt während des Jahres einen für ihn angemessenen Obolus bei der Kommune ein. Das Feuerwerk wird dann nur in der Größe stattfinden, für die die Mittel ausreichen. Vorteil: Tolles Feuerwerk, kein Unfug mit Böllern, kein Sachschaden.
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  • W. T.
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  • A. G.
    Es ist eine Sauerei Hilfskräfte anzugreifen und da sollte jeder der noch etwas Verstand hat mithelfen das es nicht mehr zu solchen Vorfällen kommt. Es kann doch nicht sein das die Helfer bei einem Einsatz auch noch angegriffen werden und um ihr Leben und die Gesundheit bangen müssen die sie eh schon immer riskieren wenn sie ausrücken müssen. Heutzutage hat doch eh fast jeder ein Handy dabei und macht zig Bilder, kontrolliert mal ob was auffälliges dabei ist, manchmal sind es die Schnappschüsse die was aussagen. Ich selber bin dafür das nur noch an einem Ort geböllert werden darf und nicht überall.
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  • R. H.
    Danke Frank Weichhan für diesen offenen Artikel.

    Probleme werden untern den Teppichen der Behörden und Verwaltungen nicht weiterverfolgt, so flach legt sich da niemand hin!

    Nur offene Begegnung mit den Problemen hilft uns allen weiter, auch wenn es unangenehm ist.

    Es dient nicht der Problemlösung wenn jeder seine Gegenüber in ein Schublade , wie Böllerfeind, Ausländerfeind, Gutmensch oder was auch immer steckt.

    Es wird Zeit, dass wir wieder offen unsere Erlebnisse und Bedenken austauschen und nach Lösungen suchen.

    Danke MP
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  • P. K.
    Ein Alkoholverbot muss her.
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  • M. B.
    Ein Böllerverbot muss her. Alkohol und Pyrotechnik passen nicht zusammen. Nur ausgebildete Pyrotechniker sollten nach Genehmigung Feuerwerke zünden dürfen.
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  • D. T.
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