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Landkreis Kitzingen
Fasching in der Krise: Warum läuft im kleinen Ort Laub, was im großen Kitzingen nicht mehr gelingt?
Große Prunksitzungen mit großen Problemen: Die Gema schlägt zu, die Kosten explodieren und die Helfer fehlen. Warum geht es Faschingsgesellschaften auf dem Land besser?
Reicht es bei der KiKaG künftig noch für große Sprünge? Szene aus der Rosenmontagssitzung 2020 mit Tanzmariechen Victoria Wagner.
Foto: Daniel Peter | Reicht es bei der KiKaG künftig noch für große Sprünge? Szene aus der Rosenmontagssitzung 2020 mit Tanzmariechen Victoria Wagner.
Eike Lenz
 und  Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:50 Uhr

Wichtiger als alle Orden und Narrenkappe war für Bertram Dehn zuletzt die Reißleine. Der Geschäftsführer der Kitzinger Karnevalsgesellschaft (KiKaG) musste sie im letzten Moment ziehen. Sonst wäre sein Verein womöglich pleite gegangen.

Dass es mit den erhofften 600 Prunksitzungsbesuchern in der Florian-Geyer-Halle nichts werden würde, darauf war man eingestellt. Eine Drittelung allerdings – das war bis  dahin kaum vorstellbar. Dabei hatte die KiKaG noch Glück, dass ein kleinerer Saal in der Deutschen Fastnachtakademie noch frei war. Und so wird die Rosenmontagssitzung samt Schlappmaulorden-Verleihung nun erstmals in der Akademie und vor fast handverlesenen 220 Gästen über die Bühne gehen.

Das tut besonders weh vor dem Hintergrund, dass es in alten Dekanatszentrum-Zeiten im Regelfall zwei Sitzungen gab, in närrisch guten Jahren wie zuletzt 2013 sogar drei. Aber: Der Schritt war unumgänglich. Die Großveranstaltung in der Geyer-Halle hätte Minimum 15.000 Euro gekostet: Hallenmiete, Technik, Sicherheitsmaßnahmen, Gema – überall laufend die Kosten davon. Nur mit einigermaßen ausverkauftem Haus wäre das alles zu stemmen gewesen.

Nachdem im Vorverkauf nicht einmal 200 Karten weggegangen waren, kam die Reißleine zum Einsatz. Es gebe "eine generelle Zurückhaltung in der Bevölkerung", hat Dehn beobachtet. Die Gründe seien vielfältig: Da seien immer noch Auswirkungen der Corona-Pandemie. Da ist die allgemeine Kostenexplosion. Im Falle Kitzingens kam der Ticketpreis hinzu: Man habe "den Kostendruck durch die Anhebung der Eintrittspreise auszugleichen" versucht, so Dehn. Am Ende landete man bei 55 Euro. Der Schuss ging nach hinten los: Der Preis geriet für viele zum Ausschlusskriterium.

Nach der Session gelte es das alles noch einmal zu überdenken, betont Dehn. Vielleicht, so eine erste Überlegung, dürfe man nicht zu sehr auf die – teuren – Größen des Veitshöchheimer Faschings schielen, sondern müsse sich mehr auf den eigenen Nachwuchs konzentrieren. Ein generelles Aus der Prunksitzung schließt er kategorisch aus.

Närrisches Treiben 2023 in der Dettelbacher Maintalhalle: Der Zuspruch war schon einmal besser.
Foto: Sandra Pfannes | Närrisches Treiben 2023 in der Dettelbacher Maintalhalle: Der Zuspruch war schon einmal besser.

Ein paar Kilometer mainabwärts in Dettelbach war die närrische Stimmung auch schon mal besser. Den Landkreis-Faschingszug hatte man schon vor Wochen aus verschiedenen Gründen abgesagt. Danach deutete sich an, dass es schwer werden würde, die Prunksitzung in der Maintalhalle voll zu bekommen. Immerhin gab es ein Problem nicht: zu wenig Helfer. Was daran liegt, dass die Dettelbacher Karnevalsgesellschaft (DeKaGe) mit dem JTSC, der Kolpingfamilie, dem Frauenbund Dettelbach und dem Männerballett Bibergau eine Kooperation hat und die Arbeit auf viele Schultern verteilt ist.

Dies, so Sitzungspräsident Steffen Drescher, sei das eigentliche Pfund, mit dem man wuchern könne. Man arbeite "Hand in Hand". Deshalb sei etwa ein Caterer wie anderswo noch nicht nötig. So gesehen stehen "Die Jammersänger“ zwar in Dettelbach auf der Bühne, das Jammern selber aber hält sich in Grenzen.

An die Gema gehen inzwischen 3,50 Euro pro verkaufter Eintrittskarte

Sorgen gibt es trotzdem: die Kosten. Von 18 auf 22 Euro wurden die Kartenpreise erhöht; reichen wird das dennoch kaum. Allein an die Gema gingen 3,50 Euro pro verkaufter Karte, wie Drescher vorrechnet. Dazu die Licht- und Tontechnik, der Kauf der Orden – die Preise sind allenthalben ordentlich. Nach dem Kassensturz werde man sich zusammensetzen und beratschlagen, wie es weitergehen soll. Mehr Eigengewächse auf die Bühne zu bringen, könnte auch dort einer der Lösungsansätze sein, so Drescher.

Eigene Akteure, ein großer Helferstamm – in Wiesentheid heißt es Daumen hoch. Marcus Wicher, Gesellschaftspräsident der KoKaGe, freute sich über ausverkaufte kleinere Veranstaltungen wie den Frauenfasching und topmotivierte Närrinnen und Narren. Nach Corona seien alle erwartungsfroh gewesen; nur bei manchen Senioren gebe es noch Zurückhaltung. Was vielleicht auch dazu führte, dass sich die große Prunksitzung nur zu drei Viertel füllen ließ. Er sei "sehr stolz" auf seine Leute, eben weil die Begeisterung bis unter die Narrenkappe spürbar sei. Die Kosten seien "natürlich immer ein Thema". Irgendwie lasse sich das aber alles auffangen.

Die KoKaGe Wiesentheid kann weiterhin auf jede Menge eigener Tänzerinnen zurückgreifen.
Foto: Andreas Stöckinger | Die KoKaGe Wiesentheid kann weiterhin auf jede Menge eigener Tänzerinnen zurückgreifen.

Endlich wieder durchstarten – dieses Gefühl dominiert auch in Albertshofen. "Ein Traum" sei das alles, findet Gesellschaftspräsident Ralf Spiegel. Man könne "fast nur auf Eigengewächse" zurückgreifen. Das mache manches einfacher. Allein beim Tanz seien in vier Gruppen bis zu 100 Kinder auf der Bühne. Der Kartenpreis lag bei 15 Euro, man wolle "eine gewisse Schallmauer" nicht durchbrechen. Bei den Sitzungen sei man "nahezu ausverkauft" gewesen.

Sorge bereiten aber auch dort die Kosten: Allein die Gema-Gebühren hätten sich von 350 auf 650 Euro fast verdoppelt. In diesem Jahr habe man einiges noch zu alten Konditionen abwickeln können – das werde sich in der nächsten Session verändern. Spiegel, der das Amt im Frühjahr 2022 übernommen hat und wenig später bei einem gemeinsamen Sommerfest merkte, dass die Sache nur gut werden kann, spricht sogar von gewisser Euphorie.

"Wir sind immer klein geblieben und werden immer klein bleiben."
Sabine Schwingler, Vorsitzende der Narrengilde Laub

Etwas anders war die Gefühlslage beim Karnevalsverein Weingenießerclub Nordheim (WGCN). Die Vorbereitung auf die Faschingssitzung in der Volkacher Mainschleifenhalle fand unter schwierigen Bedingungen statt: Es gab eine Zeitenwende und einen Generationswechsel. Viele Erfahrene waren aus Altersgründen ausgeschieden. Die deutlich verjüngte Führungsriege musste sich neu finden, erklärt Karina Rösch, die zusammen mit Dietrich Heinemeyer die Prunksitzung moderierte.

Die Gemengelage der Probleme: höhere Gema-Gebühren, gestiegene Kosten, größeres finanzielles Risiko. Und: "In der Küche, beim Aufbau von Dekoration und Technik gibt es immer weniger helfende Hände", so Heinemeyer. Dennoch blickt man hoffungsvoll in die Zukunft: Aufgeben ist nicht. "Trotz der widrigen Umstände" soll die Mainschleife auch künftig in Narrenhand bleiben.

Mehr Gäste in der Prunksitzung als Einwohner

Neun eigene Tanzgruppen schickt die Narrengilde Laub bei ihren Prunksitzungen mittlerweile ins Rennen.
Foto: Hans Rössert | Neun eigene Tanzgruppen schickt die Narrengilde Laub bei ihren Prunksitzungen mittlerweile ins Rennen.

Diese Zuversicht gilt bei der Narrengilde Laub mehr denn je. Auch im 42. Jahr ihres Bestehens zwängten sich wieder zweimal 188 Leute ins Sportheim des kleinen Ortes, ließen sich von Mitgliedern des Sportvereins bewirten und genossen für 15 Euro fünf unbeschwerte Stunden. Zwei Prunksitzungen, zweimal ausverkauft. Am Ende waren mehr Leute da, als das Dorf Einwohner hat. Sabine Schwingler führt die 1981 gegründete Narrengilde seit 20 Jahren als Vorsitzende. Sie rechnet vor: "Laub hat 300 Einwohner, wir haben 200 Mitglieder und 100 Aktive."

Fragt man Schwingler nach dem Erfolgsgeheimnis, dann muss sie nicht lange nachdenken: "Wir sind immer klein geblieben und werden immer klein bleiben. Das ist noch wie eine Familie." Auch im Lauber Fasching treten inzwischen Büttenredner von auswärts auf, namhafte Künstler wie Otmar Schraut alias Bauer Eugen oder Wolfgang Düringer. Aber es gibt eben auch neun eigene Tanzgruppen: von der Purzelgarde bis zum Männerballett. Und jede Tänzerin, jeder Tänzer bringt Familie, Freunde, Bekannte mit.

Iphöfer Stücht zur Tradition gemacht

Die Iphöfer Stücht hat sich 24 Jahre nach ihrer Wiederbelebung etabliert. Das Männerballett gehört zu den Programmhöhepunkten.
Foto: Richard Schober | Die Iphöfer Stücht hat sich 24 Jahre nach ihrer Wiederbelebung etabliert. Das Männerballett gehört zu den Programmhöhepunkten.

In Iphofen musste man sich erst wieder an den Fasching herantasten. Ein gutes Jahrzehnt, von Ende der 1980er- bis Ende der 1990er-Jahre, hatte er sich tot gestellt. Dann belebte ihn eine kleine Gruppe Tanz- und Feierwütiger wieder. Die Neuauflage der Stücht war geboren. Keine klassische Prunksitzung mit Elferrat und aneinandergereihten Nummern, sondern eine Mischung aus Tanz und Bühnenauftritten. Richard Schober ist Mann der ersten Stunde und hat das Projekt 1999 mit angeschoben. Geplant als einmalige Sache, wurde die Stücht so erfolgreich, dass sie seither jedes Jahr stattfindet. Zwei Termine mit jeweils 250 Gästen: beide ausverkauft. Anfangs campierten die Leute nachts im Wohnwagen vor der Kartenverkaufsstelle.

"Von Iphöfern für Iphöfer. Und: Wir haben immer sehr stark auf die Jugend gebaut."
Richard Schober, Mitbegründer der neuen Iphöfer Stücht

Für 14 Euro bekommt das Publikum ein Dutzend Programmpunkte, Livemusik und viel Lokalkolorit geboten. Um die Bewirtung in der Karl-Knauf-Halle kümmert sich ein Caterer. "Von Iphöfern für Iphöfer" sei von Anfang an das Motto gewesen, sagt Schober, und das soll "nicht überheblich" klingen, sondern nur den Weg zum Erfolg zeigen. 230 Mitglieder hat der Stücht-Verein, 100 bis 120 Helfer stemmen das Programm. Sie zu motivieren, sei nicht schwer. Schober sagt: "Wir haben immer sehr stark auf die Jugend gebaut." Heute steht schon die dritte Generation parat.

Die Tanzmäuse sind nur eine von drei eigenen Gruppen im Fasching des 11. KKC Sulzfeld.
Foto: Hartmut Hess | Die Tanzmäuse sind nur eine von drei eigenen Gruppen im Fasching des 11. KKC Sulzfeld.

Tief in der Nische, aber seit Jahren erfolgreich hat sich der 11. KKC Sulzfeld eingerichtet. 2005 fand im Sportheim die erste Prunksitzung statt, ein Format, das man zuvor jahrelang in kleinerem Rahmen bei der Weihnachtsfeier der TSV-Fußballer getestet hatte. Heute sind die 115 Karten für die Prunksitzung binnen Stunden weg, und auch der seit 2016 stattfindende Weiberfasching zwei Tage vorher ist mit 100 Gästen im Nu ausverkauft. Das Publikum kommt zum größten Teil aus dem Dorf. "Jeder kennt jeden, bringt Familienmitglieder mit. Nur so funktioniert es", sagt Bernd Hering, Elferratspräsident und TSV-Vorsitzender in Personalunion.

In fünf Stunden bis Mitternacht wird den Gästen ein Programm geboten, das in manchen Jahren zumindest zur Hälfte mit heimischen Künstlern bestückt war. Immerhin drei eigene Tanzgruppen schicken die Sulzfelder ins Rennen. Was nicht aus eigenen Kräften zu stemmen ist, übernehmen externe Künstler aus befreundeten Gesellschaften. Eiserne Regel: Geld bekommt keiner von ihnen. Anders wäre der Eintrittspreis von zehn Euro nicht zu halten. Der Großteil der Einnahmen wird wieder investiert, zum Beispiel in Orden. Keiner der Mitwirkenden geht am Ende ohne die blecherne Medaille nach Hause.

 
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  • E. H.
    Tarrap natürlich soll Gems abgeführt werden.

    Aber wieso muss diese lt og. Berichten fast zu 100 % erhöht werden. Sind diese Gebühren auch an den Gaspreis vom Putin gebunden.

    Oder muss an den Wladimir auch Gema bezahlt werden weil er in den ganzen Büttenreden genannt wurden.
    Schon komisch
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  • R. A.
    Muss man das wirklich erklären?
    Auch dort sitzen diejenigen, die von einer populistischen Gewerkschaft vertreten werden und lauthals mitplärrn, wie unterversorgt sie sind.
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  • G. S.
    Das Schimpfen auf die GEMA mag ja zur Folklore gehören. Es sollte aber selbstverständlich sein, dass die Urheber von Musik etc. genauso entlohnt werden wie jeder andere auch. Keiner würde vom Getränkelieferant oder Caterer erwarten, dass er umsonst liefert. Musik soll aber kostenlos sein. Denkfehler. Also bitte nicht die Schuld immer auf die GEMA schieben. Komponisten etc. müssen genauso ihre Rechnungen bezahlen.
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  • K. K.
    Oder einfach das Faschingsgedudel selber komponieren.
    Kann man dann jedes Jahr wieder verwenden.
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